Zur Debatte um den Bonus

Bonuszahlungen für Gewerkschafsmitglieder – Ausdruck der Verzweifelung
 
Die Verzweiflung muß groß sein in den Gewerkschaftszentralen. Damit, daß die Gewerkschaften seit Jahren nur noch Verschlechterungen für die Beschäftigten aushandeln, hat man sich dort inzwischen wohl abgefunden. Das Problem: U.a. diese Politik führt dazu, daß die abhängig Beschäftigten ihre Organisationen scharenweise verlassen: von den 1991 noch zwölf Millionen DGB-Mitgliedern sind gerade noch sieben Millionen übrig – Tendenz weiter fallend. Die im Apparat betriebene Suche nach Mitteln, diese Entwicklung zu stoppen und damit die eigenen Pfründe zu sichern, treibt indes eigenartige Blüten. Seit einigen Wochen kursiert das Thema »Mitglieder-Boni« in den Funktionärskreisen vor allem der IG Metall. Bei diesem »interessanten Ansatz« (IG-Metall-Vorsitzender Jürgen Peters) wird den gewerkschaftlich organisierten Beschäftigten bei Tarifabsenkungen ein bißchen weniger weggenommen als ihren Kollegen. So darf ein Gewerkschaftssekretär seinen Mitgliedern in der Maschinenbaufirma Bühler-Bindlerim nordrhein-westfälischen Bergneustadt demnächst jährlich 100 Euro zustecken. Dieser Bonus ist die Belohnung dafür, daß die IG Metall einer unbezahlten Arbeitszeitverlängerung von 2,5 Wochenstunden zustimmte. Bei Groschopp in Viersen dürfen – als Gegenleistung für Lohnverzicht – Gewerkschaftsmitglieder nicht betriebsbedingt gekündigt werden, im Gegensatz zu den Unorganisierten! Seit Sommer diesen Jahres hat die IG Metall in Nordrhein-Westfalen ein gutes Dutzend solcher Verträge abgeschlossen.
»Eine tolle Art der Mitgliederwerbung«, finden einige. Die Idee bedeutet aber alles andere als die Rettung der Gewerkschaften. Sie ist vielmehr Ausdruck ihrer Schwäche und ein Versuch, von dieser abzulenken. Abgesehen davon, daß »kein einziger Arbeitgeberverband bereit sein wird, jemals einen solchen Vertrag abzuschließen« (Geschäftsführer des Unternehmerverbands BDA Reinhard Göhner) – kein Wunder, würden sie damit doch die Beschäftigten geradezu in die gewerkschaftliche Organisation zwingen. Und ganz zu schweigen davon, daß der Unternehmer auf diesem Weg eine Liste der Gewerkschaftsmitglieder unter seinen Untergebenen erhält – ein Graus für jeden, der das derzeitige »Klima der Angst« in vielen Betrieben zur Kenntnis nimmt. Die Boni-Diskussion lenkt lediglich ab von der Tatsache, daß die Gewerkschaftsspitzen derzeit eine tarifliche Errungenschaft nach der anderen kampflos aufgeben. Die einzige Alternative wäre, die potentiell weiterhin vorhandene Kampfkraft endlich zu nutzen, um wieder in die Offensive zu kommen. Das würde auch die besten Argumente liefern, Kollegen zum (Wieder-)Eintritt in die Gewerkschaft zu bewegen. Ständig Verschlechterungen abzunicken und dafür kleine Präsente an diejenigen zu verteilen, die der Organisation die Stange halten, hilft nicht weiter. Daß der Bochumer IG-Metall-Bevollmächtigte Ludger Hinse, durch seine Rolle beim Abbruch des dortigen Opelstreiks bekannt, in diesem Zusammenhang behauptet »Die Kollegen sind stolz auf die IG Metall, die etwas für sie erreicht«, kann nur noch als Zynismus durchgehen.

von Daniel Behruzi, Berlin