WASG: Änderungsantrag zu Kapitel 12

Antragssteller Aron Amm, WASG Berlin

Kapitel 12: „Solidarische Kranken- und Pflegeversicherung“ wird wie folgt geändert:

Gesundheit ist keine Ware

Die Arbeiterbewegung hat sich im letzten Jahrhundert eine Gesundheitsversorgung erkämpft, die Unternehmer und Staat an der Finanzierung beteiligt. Regierung und Unternehmer holen jetzt – der Doktrin der neoliberalen Globalisierung folgend – zum Kahlschlag aus. Die Unternehmer sollen immer weiter aus der Finanzierung der Gesundheitswesens entlassen werden. Die Leistungen der gesetzlichen Krankenkassen sollen auf eine minimale Grundversorgung beschränkt werden. Alles darüber hinaus muss privat zugekauft werden. Gleichzeitig soll aus dem „Gesundheitsmarkt“ noch mehr Profit geschlagen werden. Die Einführung der Fallpauschalen (DRGs), der Rückzug des Staates aus der Krankenhausfinanzierung und die immer schlechtere Refinanzierung der erbrachten Leistungen und Löhne treibt Krankenhäuser in Defizite und einen gnadenlosen Konkurrenzkampf gegeneinander. 40% der Krankenhäuser in der BRD und nahezu die Hälfte aller Betten sollen in den nächsten Jahren in Deutschland abgebaut werden Die Folge davon: Patientenselektion, Unterversorgung bis hin zu Versorgungsnotstand, „blutige Entlassungen“. Obwohl es bereits jetzt viel zu wenig Personal in Krankenhäusern und Pflegeheimen gibt, werden Tausende von Arbeitsplätzen vernichtet.

Während Normalpatienten und Beschäftigte im Gesundheitswesen die Opfer der sogenannten Gesundheitsreformen sind, entstehen im Gesundheitswesen immer mehr Luxusangebote für Reiche, die sich die teuerste Versorgung und Fünf-Sterne-Luxus in Krankenhäusern und bei Privatärzten einkaufen. Durch die Plünderung der Krankenkassen und Abzocke bei Krankenkassen- und Patientenpatienten verbucht der medizinisch-industrielle Sektor, allen voran die Pharmaindustrie, eine durchschnittliche Umsatzrendite von 20% (Zahl von 2002), bei den großen Multis sogar 40 – 45%. Sie verschwenden allein 5 Milliarden Euro für Werbung und Unsummen für Bestechungsgelder und unsinnige oder sogar schädliche Medikamente. Jeder auch nur kleinste Versuch der Regierungen ihre Profite zu beschneiden wurde von ihnen mit der Drohung von Investitionsstreik und Arbeitsplatzvernichtung verhindert.

Hinter einem publikumswirksamen Streit zwischen Kopfpauschale und Bürgerversicherung wird die endgültige Zerschlagung der solidarischen Finanzierung der Gesundheitsversorgung vorbereitet. Alle etablierten Parteien sind sich einig, dass die Erwerbstätigen noch stärker zur Kasse gebeten werden. Bei Kopfpauschale und Bürgerversicherung geht der Streit nur darum, wie diese Lasten innerhalb der Erwerbstätigen verteilt werden. Beiden ist gemeinsam, die Krankenversicherungsbeiträge von den Arbeitskosten abzukoppeln, sprich die Unternehmer weiter bzw. ganz von Beiträgen entlasten. Alle Modelle der Bürgerversicherung (auch im Ausland) gehen davon aus, dass nur noch die notwendigen Grundleistungen gesetzlich abgesichert werden und alles andere privat zugekauft werden muss. Deshalb lehnt die WASG Kopfpauschale und Bürgerversicherung ab.

Die Defizite in den Krankenkassen wurden nicht von den PatientInnen verursacht, sondern von den Unternehmern. Durch Arbeitsplatzvernichtung, Lohnabsenkungen und der Umwandlung von sozialversicherungspflichtigen Stellen in „geringfügige“ Beschäftigungsverhältnisse gibt es riesige Beitragsrückgänge bei den gesetzlichen Krankenkassen. Laut Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin verursachen Gesundheitsstörungen, die ganz oder teilweise auf die Arbeitsverhältnisse zurückzuführen sind im Jahr 1998 mindestens 28,4 Milliarden Euro Kosten. Mit zunehmenden Entlassungen, mit zunehmendem Angst um den Arbeitsplatz, verlängerten Arbeitszeiten und erhöhtem Stress am Arbeitsplatz nehmen diese Kosten weiter zu.

In der Altenpflege zeigt sich der Kapitalismus von seiner brutalsten Seite. Sowohl in den Altenheimen und in der häuslichen Pflege herrschen menschenunwürdige und demütigende Zustände.

Die WASG lehnt jede weitere Verschlechterung in der Gesundheitsversorgung und jede weitere Erhöhung von Zuzahlungen, Eigenbeteiligungen und Erhöhung von Krankenkassenbeiträgen und Pflegebeiträgen für die Arbeitnehmerhaushalte ab. Wir fordern Rücknahme aller Zuzahlungen, Eigenbeteiligungen und Mittelkürzungen im Gesundheitswesen. Alle Maßnahmen in Richtung Einführung von Wettbewerb (Fallpauschalen, Budgetierungen, Beschränkung der Personalausgaben) und alle Privatisierungen von Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen müssen zurückgenommen werden. Bereits geschlossene Krankenhäuser und Kureinrichtungen müssen wieder in Betrieb genommen werden. Es darf kein Personal abgebaut werden, sondern es müssen zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen werden für Pflegekräfte, Ärzte und Therapeuten. Die Defizite bei den Krankenkassen, Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen müssen über staatliche Zuschüsse finanziert werden, die über Steuern auf die Profite der Unternehmer und Vermögensmillionären erhoben werden. Die Konkurrenz unter den Krankenkassen und die damit verbundene Geldverschwendung ist aufzuheben durch die Zusammenführung aller Krankenkassen zu einer staatlichen Krankenkassen. Diese staatliche Krankenkasse muss gemeinsam demokratisch von Versicherten und Beschäftigten im Gesundheitswesen verwaltet werden. Eine demokratische verwaltete staatliche Krankenkasse könnte medizinisches Pflegepersonal und Ärzte anstellen, Polikliniken, Gesundheitszentren, Pflegeheime und Kureinrichtungen betreiben und umfassende Präventionsprogramme organisieren. Machtstrukturen, Hierarchien, Privilegien und Spitzeneinkommen einer kleinen Minderheit von Krankenhausmanageren, Chef- und Fachärzten bei gnadenloser Ausbeutung von Ärzten und Pflegekräften am Ende der Hierarchie könnten so gebrochen werden. Im Interesse von Patientinnen, Pflegebedürftigen und Beschäftigten könnten humane Arbeitszeiten- und Bedingungen, eine enge solidarische Zusammenarbeit von Ärztinnen, Pflegekräften und Therapeuten und höhere Löhne im Gesundheitswesen ermöglicht werden. Das Ziel der WASG ist die Schaffung eines öffentlichen und kostenlosen Gesundheitswesens.
Die Pharmaindustrie und alle Großbetriebe des medizinisch- industriellen Komplexes und die privaten Krankenversicherungen sind in Gemeineigentum zu überführen. Der Konkurrenzkampf im Gesundheitssektor könnte so ausgeschaltet, die Qualität der medizinischen Versorgung enorm erhöht und Ressourcen optimal genutzt werden. Auf dieser Grundlage wäre eine ganzheitliche Behandlung aller PatientInnen entsprechend den medizinischen Möglichkeiten gegeben.