Irak unter der US-Besatzung
“Solidarität” sprach mit Woria Ahmadi von der “Arbeiterbeiterkommunistischen Partei des Irak” (AKP). Die AKP ist vor allem in den kurdischen Autonomie-Gebieten im Norden des Irak aktiv. Das Interview führte Claus Ludwig
Du hast schon lange gegen das Saddam-Regime im Irak gekämpft. Was denkst du jetzt nach dessen Sturz?
Ich habe sehr gemischte Gefühle. Ich sehe die Statuen von Saddam stürzen. Davon habe ich lange geträumt. Doch dafür wurden Tausende Menschen getötet. So haben wir uns den Sturz von Saddam nicht vorgestellt.
Gibt es unter der US-Besatzung eine Chance auf Verbesserung der Situation?
Die Kräfte, die stark und vorbereitet sind oder von außen Unterstützung bekommen, verheissen nichts Gutes, sondern werden dem Irak nur eine düstere Zukunft bieten können. Darunter verstehe ich die Islamisten und auch die nationalistischen Kräfte. Die US- und britischen Besatzungstruppen können und wollen den Irak nicht entwickeln oder Sicherheit schaffen. Auf der anderen Seite wurde wenig davon berichtet, dass es auch Selbstorganisation von fortschrittlichen Kräften gibt. So gab es in Mosul den Versuch von kurdisch-nationalistischen Kräften, Kämpfe zwischen kurdischer und arabischer Bevölkerung anzuheizen. Es wurde geschossen, einige Dutzend Menschen wurden getötet. Doch sowohl Araber als auch Kurden widersetzten sich dieser reaktionären, nationalistischen Spaltung. Auch unsere Leute setzten sich für ein Ende der Auseinandersetzungen ein. Diese konnten nach einem Tag gestoppt werden.
In Kirkuk wurden Kurden, die vor Jahren vom Saddam-Regime aus ihren Häusern vertrieben wurden, von den Peschmerga [kurdische Guerilla] ermutigt, sich ihre alten Häuser wieder anzueignen und die neuen arabischen Bewohner zu vertreiben. Interessanterweise lehnten viele Kurden das ab und meinten, dass die Kämpfe ein Ende haben müssen. In Kirkuk konnten nationalistische Konflikte verhindert werden. Unsere Partei steht für die gemeinsame Verteidigung von Arabern und Kurden gegen Verfolgung und nationalistische Ausschreitungen. Zur Not können wir für diese Selbstverteidigung auch bewaffnete Kräfte einsetzen.
Die kurdischen Parteien KDP und PUK haben den Einmarsch der US-Truppen militärisch unterstützt. Was denkt die Masse der Menschen in Kurdistan und welche Haltung nimmt deine Organisation ein?
Ich habe keinen gesprochen, der nicht froh darüber ist, dass Saddam weg ist. Viele, vor allem in Kurdistan, haben sich keine Gedanken darüber gemacht, was danach kommen soll. KDP und PUK haben eine riesige Medien-Kampagne gestartet, um den Leuten einzureden, dass die USA als Befreier kommen würden.
Die Katastrophe von 1991, als die US-Regierung den kurdischen Aufstand ermutigte und dann dem Regime erlaubte, den Aufstand zu zerschlagen, wurde als Fehler bezeichnet, der sich nicht wiederholen würde.
Die Identifikation mit den USA ging so weit, dass die Peschmerga beim Einrücken in Kirkuk erklärten, sie wären nicht als Peschmerga dort, sondern als Teil der US-Truppen. Man muss sich das vorstellen: 20 Jahre lang kämpfen sie für ein freies Kurdistan und beschränken sich dann darauf, Hilfstruppen der USA zu sein und ordnen sich deren Plänen unter.
Sie hoffen darauf, einen Teil der “Beute” zu bekommen, einen eigenen Staat und vor allem Teile der Ölindustrie. Doch das ist sehr fraglich.
Was sind eure Forderungen in der jetzigen Situation betreffen Irak und Kurdistan. Welche Aufgaben seht ihr für die Linke im Irak?
Erst einmal müssen die britischen und US-amerikanischen bedingungslos abgezogen werden. In Bezug auf Kurdistan haben wir uns immer für das Selbstbestimmungsrecht, für das Recht auf einen eigenen Staat ohne die Besatzungstruppen aber auch ohne die Parteimilizen der KDP und PUK eingesetzt. Dazu wäre die volle Informations-, Organisations- und Pressefreiheit nötig gewesen, um eine demokratische Diskussion über die Zukunft Kurdistans zu führen.
Wir fordern zwar das Recht der Kurden auf einen eigenen Staat, das heisst jedoch nicht, dass wir das in jedem Fall für die beste Option halten. Jetzt, wo Saddam weg ist, schlagen wir keine Lostrennung Kurdistans vor.
Wir kämpfen für einen irakischen Staat, der nicht religiös orientiert ist, mit gleichen Rechten für alle religiösen und nationalen Gruppen, ohne jede Diskriminierung.
Wir fordern die Gleiberechtigung von Männern und Frauen. Die Masse der Bevölkerung muss über die Reichtümer des Landes verfügen können, das Recht auf Schule und Ausbildung für Kinder und Jugendliche ist zu gewährleisten.
Mit den Besatzungstruppen und den verschiedenen religiös-fundamentalistischen und nationalistischen Kräften gibt es viele Gegner einer Lösung im Interesse der Mehrheit der Bevölkerung, deswegen wird der Kampf schwer, aber es gibt keine Alternative dazu.