Vom Metallarbeiter zum Präsidenten von Brasilien

Lula, früher Metallarbeiter, Gewerkschaftsaktivist, Streikführer einer Bewegung gegen die Militärdiktatur und Kind einer einfachen Familie ist neuer Präsident von Brasilien, hat in der Stichwahl den Kandidaten der jetzigen Regierungspartei Jose Serra geschlagen. Der Kandidat der Arbeiterpartei (PT) hat gewonnen.

von Pablo Alderete, Hamburg
 
Die Marktwirtschaft hat seit den 80ern in Südamerika eine Spur der Verwüstung hinterlassen: Profite für die Konzerne hoch – Lebensstandard runter, durch Privatisierungen, Sparpakete und Korruption in großem Ausmaß.
Die Verfechter des Neoliberalismus, die Menems, Fujimoris und Cavallos hatten blendende Kontakte zum Establishment in den USA, privaten Instituten, Militärakademien, Geldgebern. Aufgebaut von oben gewannen sie reihenweise Wahlen.
Im Gegensatz dazu Lula. 39 Millionen haben ihn im ersten Wahlgang gewählt. Die Tageszeitung Pagina12 schreibt, dass noch nie eine linke Kraft soviel Stimmen bei bürgerlichen Wahlen bekommen habe. Ein gelernten Schlosser, seine Eltern konnten weder schreiben noch lesen, jemand der von unten kommt. Und die Leute merken das. Er spricht ihre Sprache.

Warum hat Lula gewonnen?

Die PT-Führung behauptet, dies wäre möglich gewesen, wegen der Bündnispolitik und einer professionelleren Wahlkampagne. Fakt ist, dass die PT dort, wo sie die Regionalregierung stellt, mit ihrer Anpassungsstrategie nicht weiterkommt. Innerhalb des Kapitalismus gibt es keinen großen Spielraum für Verbesserungen. Prompt hat sie dort Stimmen bei den gleichzeitig stattfindenden Regionalwahlen verloren, zum Beispiel in Bundesland Rio Grande do Sul, wo sie jetzt nicht mehr die Regierung stellt.
Die Leute haben mit der PT auch gleichzeitig ihre 22-jährige Tradition von Kampf und Widerstand gewählt. Und die PT ist eine Massenpartei mit Basis unter ArbeiterInnen, Jugendlichen und Armen. Immer noch ziert ein roter fünfzackiger Stern ihr Parteiemblem. Lulas Wahlsieg drückt vor allem die Hoffnungen der ArbeiterInnen und der Armen aus. Mit diesen Hoffnungen wird er konfrontiert bleiben.

Lula heute

Demgegenüber gibt sich Lula heute anders: Dialog mit allen, auf Kompromiss und Einigung aus. Ein steinreicher Textilunternehmer, Jose Alencar, als Bündnispartner im Gepäck.
Lula hat Botschaften für jeden Geschmack: eines seiner ersten Statements war, „die Märkte sollten eins wissen: jeder Brasilianer braucht drei Mahlzeiten am Tag“. Er redet aber direkt nach Bekanntgabe des Wahlergebnis im Hotel Intercontinental vor 200 gut betuchten Gästen aus aller Welt, VertreterInnen eben dieser „Märkte“. Er vergleicht sich mit Schröder und Blair: „Die Märkte haben auch nervös reagiert, als die gewonnen haben“.

Die nächsten Schritte

Der Sieg der PT ist ein herber Dämpfer für die USA, die eine Freihandelszone von Argentinien bis Kanada errichten wollen. Es ist sehr fraglich ob ihnen das mit Lula gelingen wird. 50 Millionen Menschen leben in Brasilien in Armut. Von der PT wird erwartet, dass sie das Problem angeht. Die PT-Führung weist darauf hin, dass sie im Parlament nicht die Mehrheit hat, dass man Bündnisse und Kompromisse suchen muss. Die Zusammenstöße zwischen den verschiedenen Kräften, die Lula versucht unter einen Hut zu bringen, ist wohl unvermeidlich. Aloizio Mercadante, Wirtschaftsberater von Lula gegenüber Pagina12 (23. Oktober 02): „Wir werden mit den Gewerkschaften verhandeln müssen, denn auch sie werden ohne Zweifel Streiks gegen uns organisieren.“