Ebola-Seuche: Profitsystem tötet

AfrikaErforschung des Virus „nicht rentabel“ genug …

Liberia war der erste offiziell unabhängige Staat Afrikas, 1847 gegründet. Befreite Sklaven Nordamerikas gaben dem Land den Namen „Freiheit“. Ein Name, in dem sich die Hoffnung auf Selbstbestimmung, soziale Entwicklung und Zukunft ausdrückte. Eine Hoffnung, die sich bis heute nicht erfüllt hat. In diesen Tagen sorgt das vom Westen vergessene Land für Schlagzeilen, weil es neben Guinea und Sierra Leone zum Zentrum der jüngsten Ebola-Epidemie geworden ist.

von Aron Amm, Berlin

Seit Wochen ist Westafrika von der schlimmsten Ebola-Epidemie seit der Entdeckung des Virus 1976 erfasst. Auf die Titelseiten der deutschen Tageszeitungen gelangte das Drama erst in diesen Tagen. Nicht zuletzt, nachdem ein Arzt aus Sierra Leone in ein Krankenhaus im Hamburger Eppendorf verlegt werden sollte. Dieser Patient starb jedoch, bevor die Verlegung in die Wege geleitet werden konnte.

Seit dem neuerlichen Ausbruch dieses Virus im Februar wurden mehr als 730 Todesopfer registriert. Die wirkliche Zahl soll nach Schätzungen von WissenschaftlerInnen um einiges höher liegen.

Dazu musste es nicht kommen! Bis heute ist der Ursprung des Virus unbekannt. Obwohl Ebola vor 38 Jahren erstmals auftauchte, gibt es nicht mal einen Impfstoff. Warum? Weil es sich nicht „lohnt“, weil es nicht genug Gewinn abwirft. Das gesteht auch die dänische Tageszeitung „Politiken“ ein, die am 1. August schrieb: „Ursache für den schleppenden Prozess ist, dass der ‘Markt’ dafür nicht groß genug ist – wieder ein Beweis dafür, dass wirtschaftliche Anreize die Impfindustrie steuern.“ Auch die Madrider Zeitung „El Mundo“ beklagt, dass das Virus“ nicht „ernsthaft erforscht“ wird, weil „das nicht ‘rentabel’“ ist. Und die FAZ musste am 2. August einen Kommentar mit den Worten „Vermeidbare Seuche“ überschreiben.

Dass hunderte und möglicherweise tausende WestafrikanerInnen an einem Virus dahinraffen, der nach Beurteilung vieler WissenschaftlerInnen rasch erforscht und wirksam bekämpft werden könnte, ist auch die Verantwortung korrupter Regierender in der Region, die vier Monate lang fast tatenlos zuschauten, wie die Seuche sich über Ländergrenzen hinweg ausbreitete und sogar Ärzte erkranken ließ. Der Präsident Guineas beispielsweise reist in diesen Tagen nach Washington zum Amerika-Afrika-Gipfel, statt Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Virus im eigenen Land zu unternehmen. In Sierra Leone wurde letztes Jahr der ranghöchste Arzt im Gesundheitsministerium zusammen mit weiteren 23 Beamten beschuldigt, eine halbe Million Dollar veruntreut zu haben – die ausgerechnet für die Verteilung von Impfstoffen vorgesehen waren.

Verantwortlich sind Regierende und Geschäftsleute, die es in den betroffenen Ländern unterließen, überhaupt nur den Ansatz eines Gesundheitssystems zu schaffen. In Sierra Leone leistet man sich bei sechs Millionen Menschen gerade mal 200 Ärztinnen und Ärzte im ganzen sogenannten öffentlichen Gesundheitssektor. Auch Liberia, Guinea und die „klassischen“ Ebola-Länder Kongo und Uganda zählen zu den ärmsten Gesellschaften auf dem Erdball.

Verantwortlich sind imperialistische Mächte, die den unterentwickelten Ländern jede Chance auf eine substanzielle ökonomische Entwicklung nahmen. Auch wenn Liberia 1847 formal unabhängig wurde, auch wenn ein Land nach dem anderen in Afrika und anderswo auf der Welt spätestens nach dem Zweiten Weltkrieg (vor dem Hintergrund der Kolonialen Revolution) in die Unabhängigkeit ging, so sind sie doch abhängig von den wirtschaftlich, politisch, militärisch dominanten Staaten international geblieben.

Verantwortlich sind multinationale Institutionen, die überwiegend nur symbolische Hilfsgelder beschließen. Wäre das Ebola-Virus in Paris, London oder Berlin festgestellt worden, hätte man umgehend einen Notfallplan in Angriff genommen. So jedoch zauderte die Europäische Union lange, bis sie nunmehr umgerechnet 2,7 Milliarden Dollar an Hilfsgeldern zugesagt hat. Was nicht einmal der Summe entspricht, die die USA binnen zwei Tagen für Rüstung ausgeben. Überhaupt werden in die betroffene Region und in ganz Afrika seitens der Großmächte sehr wohl Gelder reingesteckt – aber bloß um sich die Bodenschätze unter den Nagel zu reißen (Guinea ist der weltweit zweitgrößte Bauxit-Produzent, Sierra Leone hat enorme Diamantenvorkommen).

Verantwortlich ist die Bundesregierung, die weitgehend untätig bleibt. Deutschland ist heute der drittgrößte Waffenexporteur auf dem Planeten, mit einem Anteil von zehn Prozent. Zu Recht fordert DIE LINKE ein Verbot von Rüstungsausfuhren. Ein Großteil dieser Gelder sollte in die Forschung und Entwicklung von Impfstoffen, Medikamenten und so weiter investiert werden. Nötig ist zudem die Überführung der Pharmariesen in öffentliches Eigentum und ein Ausbau des staatlichen Gesundheitswesens.

Verantwortlich ist ein System, in dem nicht danach gefragt wird, was Anstrengungen im Gesundheitswesen für die Menschen bringen, sondern was es für die Gewinnmargen heißt. Selbst die FAZ lässt ihren oben zitierten Kommentar mit der Erwartung enden, dass die aktuelle Epidemie in ein paar Wochen zwar wahrscheinlich vorbei sein könnte, weil die Weltgesundheitsorganisation inzwischen aktiv geworden ist, um dann nachzuschieben: „bis zum nächsten Ebola-Ausbruch“.