Venezuela im Fadenkreuz von Trump und Imperialismus

Gegen imperialistische Angriffe und Drohungen: Mobilisierung der Arbeiter*innen, internationale Solidarität und Kampf für eine echte sozialistische Alternative in Venezuela und ganz Lateinamerika!

André Ferrari, Liberdade Socialismo e Revolução (ISA in Brasilien)

Donald Trumps zweite Amtszeit hat einige der aggressivsten und verheerendsten Elemente der imperialistischen Politik der USA gegenüber Lateinamerika wiederbelebt. In einem Interview mit Fox News äußerte sich US-Kriegsminister Peter Hegseth unverblümt über die Region: „Mit Präsident Trump werden wir unseren Hinterhof zurückerobern.“

Hegseth kritisierte die Regierungen Obama und Biden dafür, dass sie rivalisierenden Mächten wie China erlaubt hätten, in der Region voranzukommen und damit die Vorherrschaft der USA zu bedrohen. In der jüngeren Vergangenheit wurde die Einmischung der USA in ihrer angestammten lateinamerikanischen „Einflusssphäre“ durch eine zurückhaltende und verdeckte Rhetorik verschleiert. Obama verkündete sogar zynisch das Ende der „Monroe-Doktrin“, die seit dem 19. Jahrhundert „Amerika für Amerikaner“ predigte, um den Einfluss anderer Mächte in der Region zurückzudrängen. Joe Biden ging so weit zu sagen, Lateinamerika sei nicht der Hinterhof der USA, sondern ihr Vorgarten, als ob das viel besser wäre.

Die wirtschaftliche und politische Unterordnung unter den Imperialismus, wobei die USA seit dem 20. Jahrhundert eine führende Rolle spielen, ist ein struktureller Bestandteil der peripheren und abhängigen kapitalistischen Entwicklung Lateinamerikas. Der Kampf gegen diese Unterordnung, verbunden mit dem Kampf für die soziale und politische Emanzipation der Arbeiter*innen und unterdrückten Völker in der Region, hat die Geschichte Lateinamerikas stets geprägt – mit seinen unvollendeten revolutionären Prozessen, instabilen Regimen und Episoden der Konterrevolution, die vom Imperialismus und lokalen Eliten unterstützt wurden.

Zusätzlich zu dieser strukturellen Unterordnung hat sich die neue imperialistische Offensive unter Trump in Lateinamerika in Form eines Handelskrieges, verschärfter Wirtschaftssanktionen gegen mehrere Länder, politischen Drucks auf Regierungen und offener Ermutigung und Unterstützung der schlimmsten Vertreter*innen der extremen Rechten in der Region manifestiert. Diese Offensive hat sich mit dem Einsatz von US-Kriegsschiffen gegen Schiffe in der südlichen Karibik vor der venezolanischen Küste verschärft, die Trump unter dem Vorwand der Bekämpfung des Drogenhandels entsandt hatte. Gleichzeitig drohte er explizit mit einer direkten militärischen Intervention in Venezuela.

Bis heute gab es 16 tödliche Angriffe auf Schiffe in der Karibik, in der Nähe von Venezuela und auch vor der kolumbianischen Pazifikküste, bei denen bisher mindestens 64 Menschen getötet wurden. Es gibt zwei Überlebende (einen Kolumbianer und einen Ecuadorianer) und möglicherweise einen dritten aus einem kürzlichen Angriff. Es ist Trumps zynische Propaganda, dass diese Angriffe verhindert hätten, dass Drogen in die USA gelangen und dadurch „Tausende von Menschenleben” gerettet würden. Doch die Angriffe fanden ohne Gerichtsbeschluss, ohne rechtliche Grundlage und ohne Beweise für die Behauptung statt, dass die getöteten Personen für Drogenkartelle gearbeitet hätten.

Die Drohungen und Aktionen der USA in Lateinamerika eskalieren seit August, als Trump per Geheimdekret direkte Militäroperationen der US-Streitkräfte auf lateinamerikanischem Territorium unter dem Vorwand der Bekämpfung des sogenannten „Narkosterrorismus” genehmigte.

Seitdem haben die USA zehn Kriegsschiffe an die venezolanische Küste in der Karibik entsandt, darunter drei Zerstörer, ein amphibisches Angriffsschiff, einen Raketenkreuzer und ein atomgetriebenes U-Boot sowie etwa zehntausend Soldat*innen. Vor kurzem befahl Trump, den größten und modernsten Flugzeugträger der Welt, die USS Gerald R. Ford vom Mittelmeer, in die Nähe der konfliktreichen Region des Nahen Ostens, in die Karibik zu schicken. Hier wird die Bedeutung deutlich, die Trump militärischen Aktionen in Lateinamerika beimisst.

Kurz bevor Trump und Hegseth sich Anfang Oktober mit der gesamten US-Militärführung im Pentagon trafen, deutete der US-Präsident  die Möglichkeit einer militärischen Intervention in Venezuela an, angeblich um Drogenkartelle zu bekämpfen. Später gab Trump öffentlich bekannt, dass er die CIA zu verdeckten Operationen auf venezolanischem Territorium ermächtigt hatte.

Nach Kritik von Gustavo Petro bezeichnete Trumpden kolumbianischen Präsidenten als Drogenhändler und drohte Kolumbien mit einer direkten Intervention, wie er es zuvor bereits gegenüber Venezuela getan hatte. Auch Venezuelas Präsident Nicolás Maduro wird von den USA offiziell als Anführer eines Drogenkartells betrachtet.Im August wurde die Belohnung für Hinweise, die zu seiner Festnahme führen, auf 40 Millionen Dollar erhöht.

Inmitten des Konflikts mit Gustavo Petro drohte Trump auch mit neuen Zöllen auf kolumbianische Exporte in die USA. Diese Zollerhöhung für Kolumbien wurde noch nicht bestätigt, stellt jedoch eine erhebliche Bedrohung dar. Kolumbien ist eines der wenigen Länder Südamerikas, dessen wichtigster Handelspartner nach wie vor die USA sind, auf die etwa 27% seiner Exporte entfallen. Trumps Ankündigung von Zollerhöhungen Anfang dieses Jahres hatte bereits zu einer Krise in den Beziehungen zwischen den beiden Ländern geführt, wobei Petro nach alternativen Märkten für kolumbianische Exporte suchte und den Beitritt des Landes zur chinesischen Belt and Road-Initiative förderte.

Der falsche Vorwand des „Kriegs gegen die Drogen”

Trumps Politik des Krieges gegen den „Narkoterrorismus” ist ein wichtiger Teil seiner innenpolitischen Propaganda in den USA und gleichzeitig ein Vorwand, um Druck auf andere Länder auszuüben, sie zu bedrohen und sogar konkret einzugreifen. Diese Haltung ist nichts Neues. Nachdem Nixon den sogenannten „Krieg gegen die Drogen“ in den frühen 1970er Jahren begonnen hatte, bekam dieser unter Reagan in den 1980er Jahren einen entschlosseneren geopolitischen Charakter und wurde in den 1990er Jahren sowohl von  republikanischen als auch von demokratischen Regierungen intensiviert.

Insbesondere in Lateinamerika hat der „Krieg gegen die Drogen“ die „kommunistische Bedrohung“ ersetzt, die zuvor dazu diente, Interventionen, Staatsstreiche und Militärdiktaturen in der Region zu fördern und zu rechtfertigen. Der „Krieg gegen den Terror“, insbesondere nach den Anschlägen auf die Twin Towers im Jahr 2001, wurde ebenfalls für imperialistische Zwecke instrumentalisiert, vor allem im Nahen Osten und in Zentralasien. Die Kombination von Drogenhandel und Terrorismus in Trumps aggressiver Rhetorik in Lateinamerika, die gleichzeitig ein Element der „antikommunistischen“ Demagogie beibehält, erfüllt heute dieselbe Rolle.

Die sozialen und gesundheitlichen Auswirkungen des Drogenkonsums in den USA, insbesondere angesichts der zunehmenden Verwendung von Opioiden wie Fentanyl, sind real und sollten nicht unterschätzt werden. Ebenso stellt der Drogenhandel durch große Drogenkartelle in vielen lateinamerikanischen Ländern für Millionen von Menschen in der Region einen Albtraum aus Gewalt, Schmerz und Leid dar.

Aber Jahrzehnte des „Kriegs gegen die Drogen”, der vom US-Imperialismus und seinen Handlangern in Lateinamerika vorangetrieben wurde, haben das Problem nicht lösen können, sondern nur die Gewalt, Unterdrückung, Masseninhaftierung, Rassismus, Menschenrechtsverletzungen, Korruption und Angriffe auf die nationale Souveränität der Länder in der Region verschärft.

Mit Trumps Unterstützung ist der Kampf gegen den sogenannten „Narkoterrorismus“ zum Dauerthema für die gesamte lateinamerikanische extreme Rechte geworden, um Autoritarismus, Unterdrückung und Gewalt in ihren Ländern zu verteidigen und zu fördern. Das Beispiel von Bukele in El Salvador und denen, die ihm nacheifern, wie Noboa in Ecuador, dient als Referenz für die Propaganda der extremen Rechten in mehreren Ländern, die sich für eine harte Hand in Sachen Unterdrückung und Autoritarismus ausspricht.

Das jüngste Massaker an mehr als 120 (schwarzen und armen)  Menschen an einem einzigen Tag in den beiden großen FavelasAlemão und Penha in Rio de Janeiro durch Polizeikräfte unter dem Kommando von Gouverneur Claudio Castro ist eine direkte Folge der mörderischen und ineffektiven Logik des „Kriegs gegen die Drogen”. Das Thema Kriminalität und städtische Gewalt wird von der brasilianischen extremen Rechten manipuliert, um sich politisch von den Rückschlägen zu erholen, die sie durch die Verhaftung des ehemaligen Präsidenten Jair Bolsonaro und die negativen Auswirkungen der von Trump gegen Brasilien verhängten Zölle erlitten hat. Senator Flavio Bolsonaro, Sohn von Jair Bolsonaro, argumentierte sogar, dass die USA vor der Küste von Rio de Janeiro Bomben abwerfen sollten, so wie sie es in der südlichen Karibik tun.

In Kolumbien versucht die extreme Rechte, mit denselben Taktiken eine tragfähige Wahlalternative zu dem von Gustavo Petro unterstützten „progressiven“ Kandidaten für die Wahlen 2026 aufzubauen. Die Geschichte Kolumbiens ist geprägt von der Rolle des Drogenhandels und der damit verbundenen Korruption und Unterdrückung, die strukturelle Elemente des abhängigen, peripheren Kapitalismus des Landes sind, der nicht einmal die minimalsten sozialen Reformen verkraften kann.

Der sogenannte „Plan Colombia”, der seit den 2000er Jahren von den USA in Absprache mit den imperialistischen Handlangern der kolumbianischen Regierungen umgesetzt wird, ist ein Paradebeispiel für die Wirkungslosigkeit des „Kriegs gegen die Drogen”. Die Betonung extremer militarisierter Repression, die erzwungene Vernichtung des Koka-Anbaus, die Kleinbauern trifft und Schäden an Umwelt und Gesundheit verursacht, beispielsweise durch den Einsatz der krebserregenden Substanz Glyphosat, hat das Problem bei weitem nicht gelöst.

In einer Rede vor der UNO kurz nach seinem Amtsantritt sagte Gustavo Petro, dass der „Krieg gegen die Drogen” gescheitert sei und letztendlich zu einem regelrechten „Völkermord geführt habe, der eine Million Lateinamerikanern das Leben gekostet hat”. Obwohl es ihm nicht gelungen ist, eine strukturelle Transformation und eine wirksame Alternative zum Kapitalismus in seinem Land voranzutreiben, spiegelt Petros Charakterisierung die Realität wider.

Was Venezuela betrifft, so ist klar, dass Trumps Ziele politischer Natur sind und auf den Sturz von Nicolás Maduro und des derzeitigen politischen Regimes in Venezuela abzielen. Im Gegensatz zu Kolumbien spielt Venezuela keine bedeutende Rolle im Drogenhandel mit den USA. Der Weltdrogenbericht 2025 der UN schätzt, dass nur 5% des in Kolumbien produzierten Kokains über Venezuela aus dem Land geschmuggelt werden, während der Großteil über den Pazifik transportiert wird.

Venezuela als Ziel des US-Imperialismus

Die Anzeichen dafür, dass der US-Imperialismus Venezuela derzeit als vorrangiges Ziel ausgewählt hat, sind offensichtlich, auch wenn Trumps schwankende Haltung in dieser und anderen Fragen zu Verwirrung und Fehlinformationen geführt hat.

Zu Beginn seiner zweiten Amtszeit nahm Trump über seinen Sonderbeauftragten Richard Grennel Verhandlungen mit dem venezolanischen Regime auf. Grennel traf sich mit Maduro im Miraflores-Palast und erklärte mit einer pragmatischen Haltung: „Die Diplomatie ist zurück“.

Infolgedessen begann Venezuela, Flugzeuge mit aus den Vereinigten Staaten abgeschobenen Personen aufzunehmen, und das Regime entließ sechs US-Bürger*innen, die in Venezuela wegen Terrorismusvorwürfen inhaftiert waren. Es wurden auch Verhandlungen darüber geführt, ob die Lizenzen für amerikanische Ölkonzerne wie Chevron für ihre Tätigkeit in Venezuela verlängert werden sollten. Diese Unternehmen haben versucht, die US-Behörden zu einer pragmatischeren Haltung gegenüber dem venezolanischen Regime zu bewegen.

Danach setzte sich jedoch die härtere Haltung von Außenminister Marco Rubio durch, die in den jüngsten Maßnahmen und Drohungen gipfelte. Wenn überhaupt eine Diplomatie zurückgekehrt ist, dann war es die Kanonenbootdiplomatie. Rubios Priorität war schon immer ein Regimewechsel in Venezuela, entweder von innerhalb oder außerhalb der Institutionen, durch extremen Druck von außen, der zu Spaltungen im venezolanischen Staatsapparat (einschließlich der Streitkräfte) führte und die ultrarechte interne Opposition begünstigte.

Diese Linie ähnelt der Putschpolitik, die Trump 2019 während seiner ersten Amtszeit verfolgte. Damals erkannten die USA den damaligen rechten Präsidenten der venezolanischen Nationalversammlung, Juan Guaidó, als selbsternannten Präsidenten des Landes an. Gleichzeitig beschlagnahmten sie alle venezolanischen Vermögenswerte in den USA, verhängten harte Sanktionen und förderten eine politische, wirtschaftliche und diplomatische Belagerung Venezuelas.

Damals sprach Trump sogar von der Möglichkeit einer militärischen Intervention auf venezolanischem Territorium zur Unterstützung eines Staatsstreichs, mit Hilfe rechtsextremer Regierungen in Nachbarländern wie dem Brasilien von Bolsonaro und dem Kolumbien von Ivan Duque. Der Plan scheiterte jedoch.

Trotz der Erosion und Fragilität des Maduro-Regimes gelang es der Regierung, die Kontrolle über die Streitkräfte aufrechtzuerhalten (durch Zugeständnisse und Privilegien, aber auch durch intensive Unterdrückung potenzieller Dissidenten); dasselbe gilt für die Staatsbürokratie und die (instabile) Unterstützung von Teilen der Bourgeoisie, insbesondere der sogenannten “Boliburguesía”, die sich um das Regime herum gebildet und gefestigt hatte. Ein weiterer wichtiger Faktor ist die historische soziale Basis des „Chavismo” unter den Armen und der Arbeiter*innenklasse. Obwohl sie mit Maduro unzufrieden und unglücklich über die soziale und wirtschaftliche Krise ist, ist die extreme Rechte weiterhin keine Alternative für sie.

Angesichts des Scheiterns der Putschpolitik, der sich verschlechternden Lage der venezolanischen Flüchtlinge und auch des Krieges in der Ukraine und dessen Auswirkungen auf den Ölmarkt ging man unter US-Präsident Biden zu einer pragmatischeren Haltung über. Im Rahmen der „Barbados-Vereinbarungen“ wurden einige der Sanktionen ausgesetzt, und der US-Imperialismus dachte, er könne durch die rechtsextreme Opposition bei den Wahlen einen Regierungswechsel ohne institutionellen Bruch herbeiführen. Diese Hoffnung zerplatzte jedoch bald. Der erneute Wahlsieg Maduros bei den Wahlen im Juli 2024 wurde von den USA nicht anerkannt.

Mit Trumps Rückkehr ins Präsidentenamt haben die Vertreter*inneneiner pragmatischeren Linie gegenüber einer aggressiveren und interventionistischen Politik an Boden verloren. Aber selbst unter dem harten Flügel des Imperialismus gibt es Schwankungen und Debatten darüber, wie weit man gehen soll, einschließlich der Frage eines direkten militärischen Angriffs oder einer Intervention in Venezuela.

Wie weit werden die Angriffe auf Venezuela gehen?

Die Angriffe auf Schiffe vor der venezolanischen Küste werden wahrscheinlich fortgesetzt werden. Sie dienen der Propaganda innerhalb der USA und dem Druck auf Maduro. Der Eindruck soll entstehen, dass sein Regime nicht tragfähig ist, was Dissident*innen und die rechtsextreme Opposition begünstigen soll. Sie dienen auch als Machtdemonstration der USA im lateinamerikanischen Kontext, aber auch gegenüber Gegnern im interimperialistischen Streit mit China und seinen Verbündeten.

Trotz der Drohungen und der aggressiven Rhetorik ist eine Bodeninvasion derzeit nicht der einzige mögliche oder wahrscheinliche Weg für den US-Imperialismus.

Das letzte Mal, dass die USA Truppen zur Invasion eines lateinamerikanischen Landes einsetzten, war im Dezember 1989 in Panama in einer Operation unter der Führung von George Bush (senior) mit dem Ziel, seinen ehemaligen Verbündeten und ehemaligen CIA-Mitarbeiter Manuel Noriega zu stürzen. Gerechtfertigtwurde diese  Invasion mit Noriegas Verbindung zum Drogenhandel, aber die Kontrolle über den Panamakanal stand klar im Mittelpunkt. Die USA wollten sicherstellen, dass der Übergangsprozess, im Zuge dessen die formelle Kontrolle über den Kanal an Panama zurückgegeben wurde, kein Risiko für ihre tatsächliche Kontrolle und ihren Einfluss darstellte.

Die Invasion Panamas durch US-Truppen wurde weder von der UNO noch von der OAS (Organisation Amerikanischer Staaten) unterstützt und wurde von US-Militärstützpunkten im Land aus durchgeführt. Militärische und politische Einrichtungen, Flughäfen und andere nicht-militärische Gebäude wurden bombardiert, gefolgt von Bodenangriffen. Schätzungen zufolge starben bei diesen Angriffen und Überfällen von US-Truppen in Arbeiter*innenviertel etwa 3.000 Menschen.

Wenige Stunden nach der Invasion wurde der Kandidat, der die von Noriega im selben Jahr manipulierten Wahlen gewonnen hatte, Guillermo Endara, auf einem US-Militärstützpunkt als neuer Präsident vereidigt. Noriega ergab sich schließlich einige Wochen später, im Januar 1990. Die politische Lage in Panama normalisierte sich daraufhin, jedoch unter der Vormundschaft der USA.

Die Ähnlichkeiten zwischen dem Fall Panama 1989/90 und dem heutigen Venezuela bestehen und beziehen sich eher auf die Vorgehensweise des US-Imperialismus in solchen Situationen (Vorwürfe der Verbindungen zum Drogenhandel, Behauptungen von Wahlbetrug, Beteiligung der CIA usw.). Aber darüber hinaus bestehen auch wesentliche Unterschiede zwischendem heutigen Venezuela und Noriegas Panama.

Die starke militärische, politische, wirtschaftliche usw. Präsenz der USA in Panama erleichterte es ihnen, ihre Ziele schnell und effizient zu erreichen. In Venezuela wäre eine direkte militärische Intervention trotz der überwältigenden militärischen Überlegenheit der USA und der Schwächen des venezolanischen Regimes schwieriger und der Ausgang ungewiss. Die Lehren aus Afghanistan und dem Irak zeigen, wie komplex solche Invasionen sind und wie sie zu einem Sumpf werden können, aus dem sich die angreifende Macht nur schwer wieder befreien kann.

Über die rein militärischen Elemente hinaus gibt es soziale und politische Faktoren, die im Falle einer US-Invasion enorm ins Gewicht fallen würden. So sehr Maduro auch erschöpft ist und auf Repression zurückgreifen muss, um an der Macht zu bleiben, verfügt er dennoch über eine Reserve an Unterstützung. Außerdem gibt es eine enorme Ablehnung unter den Schichten, die Maduro kritisch gegenüberstehen, gegenüber der Idee einer direkten Einmischung durch den US-Imperialismus.

Eine US-Invasion in Venezuela wäre keine Operation, die wie in Panama nur wenige Tage oder Wochen dauern würde. Selbst wenn ein schneller Einmarsch zur Festnahme Maduros und einiger Regierungsmitglieder geplant wäre, könnten die USA das nicht so einfach durchführen und sich von den Folgen einer Intervention distanzieren.

So ein Vorgehen würde wahrscheinlich internen Widerstand und Unruhen in ganz Südamerika hervorrufen, mit weitreichenden Auswirkungen. Ein Bürgerkrieg und bewaffneter Widerstand gegen die ausländische Besatzung hätte direkte Auswirkungen auf Nachbarländer wie Kolumbien. Dies würde Druck auf die Regierungen der Region ausüben und die politische Szenerie weiter polarisieren. Ganz zu schweigen von den humanitären Folgen eines solchen Szenarios, beispielsweise einer neuen Flüchtlingswelle aufgrund der Krise und des Krieges.

Darüber hinaus gibt es derzeit in den USA keine öffentliche Unterstützung für eine weitere Invasion durch US-Truppen, was auf die Misserfolge und hohen Kosten der Operationen im Nahen Osten und in Zentralasien zurückzuführen ist. In der  Regierungspropaganda wird Trumps Rolle als Friedensstifter und seine Ablehnung der laufenden Kriege betont,  auch wenn er eigentlich darauf abzielt, den Fokus auf die Vorbereitung einer Konfrontation mit China zu legen.

Auch wenn die Landung von US-Truppen auf venezolanischem Territorium nicht das wahrscheinlichste Szenario zu sein scheint, sind indirekte Angriffe oder Luftangriffe, ohne direkt Truppen zu entsenden, nicht ausgeschlossen – ganz im Gegenteil. Es sei daran erinnert, dass Trump selbst kürzlich solche Maßnahmen bei den Bombardierungen des Iran im sogenannten 12-Tage-Krieg befürwortet hat.

Der Abschuss von Raketen und Bomben über Drohnen über venezolanischem Gebiet ist je nach Eskalation des Konflikts eine reale Möglichkeit. Das Ziel wäre nicht unbedingt die Vorbereitung einer Bodeninvasion, sondern die Destabilisierung des Regimes, die Verstärkung des Gefühls, dass es für Maduro keine Zukunft gibt, und damit die Förderung von Dissens und die Vorbereitung des Weges für einen Putsch und eine neue Regierung unter Führung der extremen Rechten.

Die erbärmliche Verleihung des Friedensnobelpreises an die rechtsextreme Führerin, Putschistin und Handlangerin des US-Imperialismus, Maria Corina Machado, wird genutzt, um potenziellen Alternativen zur Macht in Venezuela Respektabilität zu verleihen, trotz der Spaltungen innerhalb der venezolanischen Rechten und ihres völlig degenerierten Charakters.

Maduros Politik dient nicht dem Widerstand gegen den Imperialismus

Angesichts der Angriffe und Drohungen der USA präsentiert sich Nicolás Maduro öffentlich als Held des Widerstands gegen den Imperialismus. Er versucht, die symbolischen Elemente zu nutzen, die der Chavismus aufgebaut hat, auch wenn sie heute kaum noch eine reale Grundlage haben.

Symbolisch trat der starke Mann der Regierung, Innenminister Diosdado Cabello, öffentlich im Fernsehen mit einem Buch über Ho Chi Minhs militärisches Denken auf und vermittelte damit den Eindruck, dass mansich effektiv auf den Widerstand vorbereitet. In Wirklichkeit zeichnet sich die Maduro-Regierung dadurch aus, die Errungenschaften des revolutionären Prozesses umzukehren, die hauptsächlich durch den Volksaufstand gegen den Putschversuch gegen Hugo Chávez  2002 ausgelöst wurden.

Maduro hat auf die Sanktionen und Angriffe des Imperialismus und die tiefe wirtschaftliche und soziale Krise nicht mit einer Vertiefung des revolutionären Prozesses in antikapitalistischer und sozialistischer Richtung reagiert, um die Grenzen der Ära Chávez zu überwinden. Im Gegenteil, er förderte Rückschläge, machte Zugeständnisse an ausländisches Kapital, suchte eine Allianz mit dem großen nationalen Kapital und garantierte Privilegien für die hohe zivile und militärische Bürokratie. Dafür opferte er das Volk und die Arbeiter*innenklasse, überzog sie mit Kürzungen, extrem niedrigen Löhnen ohne Lohnerhöhungen und mit Privatisierungen und unterdrückte jede Form von Widerstand und Bewegungen, die sich seiner Kontrolle entzogen.

Im Umgang mit Trump versucht Maduro neben einer Rhetorik des Widerstands in Wirklichkeit, den Imperialismus davon zu überzeugen, dass seine Regierung  Trumps Wünsche erfüllen kann – Öl, Mineralien, Seltene Erden und Öffnung für großes ausländisches Kapital, um auf venezolanischem Boden Profit zu machen.

Laut der internationalen Presse hat Maduro angeboten, alle bestehenden und zukünftigen Öl- und Goldprojekte für US-Unternehmen zu öffnen und ihnen Vorzugsverträge zu gewähren. Darüber hinaus hat er sich verpflichtet, die  venezolanischen Ölexporte von China in die Vereinigten Staaten umzuleiten und die Energie- und Bergbauverträge seines Landes mit chinesischen, iranischen und russischen Unternehmen zu reduzieren.

Zu diesen Absichten des venezolanischen Regimes erklärte Trump, dass „Maduro alles angeboten habe, weil er sich nicht mit den USA anlegen wolle”. In diesem Sinne konkurriert Maduro mit Maria Corina Machado und der rechtsextremen Opposition darum, wer dem US-Kapital mehr Zugeständnisse macht.

Dies ist bereits bei den Zugeständnissen an Chevron und andere US-Unternehmen in Venezuela der Fall. Sunergon Oil hat gerade den Betrieb im Orinoco-Gürtel aufgenommen, einem der größten Erdölgebiete der Welt. Venezuela verfügt mit 18% über den größten Anteil aller weltweit bekannten Ölreserven sowie über die acht größten nachgewiesenen Erdgasreserven. Darüber hinaus ist es reich an Mineralien, Seltenen Erden, Lithium, Nickel usw.

Das jüngste Wiederaufflammen des Konflikts um die Region Essequibo – historisch von Venezuela beansprucht und heute Teil von Guyana – ist noch nicht gelöst, die Spannungen bleiben bestehen. Diese Region ist extrem reich an Öl und strategischen Mineralien. Dieser Ressourcenreichtum und das strategische, geopolitische, und geoökonomische Kalkül im Kontext des Konflikts mit China, ist ein wesentlicher Teil der Motivation des US-Imperialismus bei seinem Agieren in Venezuela.

Angesichts der Drohungen Trumps begann die Regierung mit der Mobilisierung der sogenannten Milizen, die ihrer Aussage nach rund 4,5 Millionen Freiwillige umfassen können. Die militärische Ausbildung ist jedoch noch weit entfernt, diese Zahlen zu erreichen. Ein Großteil der Bemühungen Maduros in der letzten Zeit galt nicht der Vorbereitung auf einen tatsächlichen Widerstand, sondern der Verschärfung der internen Repression, um Kritik, Dissens oder Opposition einzudämmen, auch die linke Opposition gegen seine prokapitalistische Politik.

Maduro neigt dazu, repressive Maßnahmen zu verschärfen und das politische Regime zu straffen. Das neue Dekret, das den Ausnahmezustand im Land ausruft, entspricht einem Notstandsgesetz und verleiht Maduro mehr Befugnisse. Nun kann er im Namen der nationalen Verteidigung und ohne Rücksprache mit der Nationalversammlung politische, wirtschaftliche und militärische Maßnahmen ergreifen, Bürger*innenrechte einschränken usw.

Massenmobilisierung, politische Unabhängigkeit und eine antiimperialistische sozialistische Alternative

Nicht durch Zugeständnisse an das ausländische Kapital und die Unterdrückung der Arbeiter*innenbewegung kann der Widerstand gegen die Angriffe und Drohungen des US-Imperialismus siegreich sein. Das Regime von Nicolás Maduro ist nicht in der Lage, diesen Widerstand bis zum Ende durchzuhalten.

Nur die Arbeiter*innenklasse dies tun, indem sie unabhängig handelt, ihre Kampfmethoden anwendet und ein Programm zur sozialistischen Umgestaltung der Gesellschaft aufstellt, das die arbeitenden und unterdrückten Massen nicht nur in Venezuela, sondern in ganz Lateinamerika und den USA inspirieren kann.

In diesem Prozess kann die venezolanische Arbeiter*innenklasse, mittels ihrer besten und kämpferischsten revolutionären Traditionen, aus den Fehlern und Grenzen der Vergangenheit lernen und so eine sozialistische und revolutionäre Alternative zu dem aufbauen, was das Maduro-Regime und seine Basis in der Bürokratie und Teilen der venezolanischen Bourgeoisie repräsentieren. Es ist das venezolanische Volk, das mit Maduro und der Ultrarechten abrechnen muss, ohne imperialistische Einmischung von beiden Seiten.

Kampfkomitees der Arbeiter*innenklasse, armen und unterdrückten Menschen sind notwendig. Sie müssen unabhängig und in der Lage sein, Widerstand gegen den Imperialismus und die Angriffe der Regierung zu organisieren und die bewaffnete Selbstverteidigung gegen eine imperialistische Invasion vorzubereiten.

Angesichts externer Angriffe müssen ausländische Unternehmen, insbesondere solche mit US-Kapital, und Schlüsselbereiche der Wirtschaft des Landes verstaatlicht und unter die Kontrolle und Verwaltung der Beschäftigten gestellt werden. Die Privatisierungspolitik in Bezug auf die venezolanischen Öl- und Bodenschätze muss beendet werden. Gleichzeitig muss die Zahlung der Auslandsschulden eingestellt werden und diese Mittel müssen für die Interessen der Mehrheit der Bevölkerung in Form von Löhnen, Arbeitsplätzen, Wohnraum, Gesundheit und Bildung verwendet werden. Die Kontrolle der Arbeiter*innen über den gesamten Verteidigungsapparat des Landes ist notwendig.

In diesem Prozess sind Mobilisierungen und Solidarität zwischen den lateinamerikanischen Ländern und innerhalb der Vereinigten Staaten von entscheidender Bedeutung. Die Ablehnung der US-Intervention in Venezuela muss eine Forderung sein, die von der Arbeiter*innenbewegung auf der ganzen Welt hochgehalten wird.

Es ist notwendig, jede Illusion hinsichtlich des Blocks von Ländern um China und Russland – als vermeintlich moderatere imperialistische Alternative und Gegengewicht zu den USA – zurückzuweisen.

Wir dürfen nicht einen Chef gegen einen anderen austauschen, sondern müssen an das enorme Potenzial für Widerstand und Transformation glauben, das die lateinamerikanische Einheit auf sozialistischer und revolutionärer politischer Grundlage hervorbringen kann – etwas, das in einem Bündnis mit einem der imperialistischen Lager undenkbar wäre.

Die Einheit im Kampf gegen imperialistische Aggression muss ohne Verzicht auf eine unabhängige Klassenposition und die Verteidigung einer sozialistischen Alternative erfolgen. Die kommende Zeit in Lateinamerika wird geprägt sein von Widerstand und Mobilisierung gegen neue und alte rechtsextreme Regierungen und vom Kampf gegen imperialistische Aggression. Wir müssen uns auf diese entscheidenden Kämpfe vorbereiten, indem wir eine sozialistische, antiimperialistische und internationalistische Alternative der Arbeiter*innenklasse aufbauen.