Die LINKE und die Klimafrage: Tatsächlich deren Ernst

Kapital und bürgerliche Parteien haben ein Interesse daran, einen Gegensatz zwischen Klimaschutz auf der einen und Jobs und Lebensstandard auf der anderen Seite zu konstruieren. Einige Linke fallen darauf rein. Wenn es der LINKEN nicht gelingt, sich klar zur Klimafrage zu positionieren, wird sich ihr Niedergang beschleunigen. 

Von Claus Ludwig, Köln

Trotz einer Unterschriften-Aktion mehrerer Tausend Aktiver aus Partei und Klimabewegung hat die Fraktion der LINKEN im Bundestag im Dezember Klaus Ernst zum Vorsitzenden des Klima-Ausschusses des Bundestages gewählt. Ernst ist überzeugter Porsche-Fahrer, hat in den letzten Jahren vor einer zu großen Nähe der Partei zur Klimabewegung gewarnt und hatte den Gas-Lobbyisten und Ex-Kanzler Schröder als Experten eingeladen. Ernst gehört zu denjenigen, die nicht verstanden haben, dass der Kampf gegen die Klimakatastrophe nur von der Arbeiter*innenklasse geführt werden kann, dass Jobs und Klimaschutz kein Widerspruch  sind. Dass die Fraktion ihn gewählt hat, ist ein Ausdruck von ihrer Abgehobenheit von und einer Scheißegal-Haltung gegenüber den Mitgliedern der Partei.

Anders als Ernst oder gescheiterte Strateg*innen der „Nur die soziale Frage“-Haltung wie Bartsch und Wagenknecht haben die meisten Aktiven der LINKEN sehr wohl verstanden, dass Klimagerechtigkeit eine soziale Frage ist. Sie sind gleichzeitig für radikale Maßnahmen für Klimaschutz und gegen die grüne Mehrbelastung der Arbeitenden und Armen durch höhere Energiepreise. Als Reaktion auf die Wahl von Klaus Ernst hat sich die Initiative „#Systemchange – für eine Erneuerung der Linken“ gegründet. Der Aufruf ist aktionsorientiert und kämpferisch, die LINKE soll zu einem zu vorwärts treibenden Element in der Klimabewegung werden und für einen „ökologischen Sozialismus“ eintreten. Das sind zunächst gute Ansätze. 

Papier der Vorsitzenden

Die Vorsitzenden Janine Wissler und Susanne Hennig-Wellsow haben einen Text „Für eine linke Transformation. Sozial und klimagerecht“ vorgelegt, in dem sie die SPD-Grüne-FDP-Regierung kritisieren: „Die Ampel setzt auf Anreize für Unternehmen. Sie setzt darauf, dass der Markt es richten wird, wenn man ihn nur richtig füttert. Private Investitionen sollen gefördert werden … Öffentliche Zukunftsinvestitionen können ohne weiteres gerecht finanziert werden, wenn endlich Multi-Millionäre und Konzerne angemessen besteuert werden.“

Ihre Schlussfolgerung Linke Politik auf der Höhe der Zeit bedeutet, soziale und ökologische Kämpfe zusammen zu denken, der sozialen und der ökologischen Frage eine gemeinsame Antwort zu geben. ist besser als die Ignoranz von Ernst oder Bartsch und zumindest eine Grundlage, um Diskussionen zu führen und die LINKE stärker in die Klimabewegung einzubringen. Inhaltlich ist das Papier allerdings begrenzt. 

Wissler und Henning-Wellsow sagen, die Klimawende könne gelingen „durch klare Regeln und Vorgaben (Ordnungsrecht)“, „Investitionen in Alternativen und soziale Sicherheit“ und „durch demokratische Teilhabe.“ Die „Transformation der Automobilindustrie“ sei nötig, „um die Arbeitsplätze in der Industrie zu erhalten und auf die Verkehrswende auszurichten“. Völlig richtig, aber … sie beschreiben nicht die notwendigen Maßnahmen, um diese Umgestaltung durchsetzen zu können.

Sie fordern zwar mehr Mitbestimmung ein, aber das reicht nicht. Die Ressourcen und das noch verfügbare CO2-Kontingent müssen planvoll eingesetzt werden, um die Umstellung von Industrie, Landwirtschaft, Verkehr und Wohnen zu erreichen. Die privatwirtschaftlichen, auf den Profit ausgerichteten Konzerne sind strukturell nicht in der Lage, diese Transformation zu leisten. Daran würden auch mehr Mitbestimmung, die vorgeschlagene (bescheidene) staatliche Investitionslenkung und schärfere Umweltgesetze nichts ändern. Die Transformation der Autoindustrie erfordert die Vergesellschaftung der Konzerne unter demokratischer Kontrolle der Beschäftigten und der Gesellschaft insgesamt (politische Ebene, Umweltverbände). Eine integrierte Verkehrsplanung für alle Verkehrsträger – Fahrrad, Autos, Busse, Bahnen – ist nötig, um ein grundlegend öffentlich basiertes System der Mobilität zu schaffen.

Die Vorsitzenden wollen die Wirtschaft lenken, aber belassen die Steuerung in der Hand der Kapitalbesitzer*innen. Rosa Luxemburg kritisierte einst die Vorstellung der Reformist*innen, den Kapitalismus Stück für Stück verbessern zu wollen, ohne ihn zu stürzen, und nannte dies einen Versuch, „das Meer der kapitalistischen Bitternis durch flaschenweises Hinzufügen der sozialreformerischen Limonade in ein Meer sozialistischer Süßigkeit zu verwandeln“. Wissler und Hennig-Wellsow schlagen vor, den außer Kontrolle geratenen Waldbrand des Klimawandels mit der Verteilung von Feuerlöschern zu bekämpfen.

Bittere Wahrheiten

Die LINKE muss den Mut haben zu sagen, dass die Kapitalist*innen und ihre Parteien unfähig sind, den Klimawandel zu stoppen und das wir dieses System überwinden müssen. Dies beinhaltet auch der Bericht einer Arbeitsgruppe des IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change, das internationale Gremium von Wissenschaftler*innen, dessen Berichte die Grundlage für Klimakonferenzen sind). Dort heißt es, das Wachstumsmodell des Kapitalismus müsse beendet werden, um die Klimakatastrophe zu verhindern.

Nun würde es nicht ausreichen, wenn die LINKE landauf landab diese Erkenntnis als allgemeine Mahnung verbreiten würde. Wir brauchen eine Konkretisierung: Welche Konzerne sollten zuerst vergesellschaftet werden? Fangen wir mit RWE an? Wie gehen wir Schritte zur Revolutionierung des Verkehrs? In den Gewerkschaften und betrieblichen Gremien sollten Pläne zur Umstellung der Produktion erarbeitet werden. Aber bei aller Konkretisierung: Um überhaupt vorwärts zu kommen, wäre es es entscheidend, dass die LINKE sich nicht um diese Frage herum drückt und nicht nur eine soziale, linkere Variante der Illusionen der Grünen vom „Green New Deal“ formuliert, sondern die vielleicht bittere, aber unumstößliche Wahrheit ausspricht: Klima oder Kapitalismus. Das wäre der Anfang.

Mal positiv gedacht: Susanne Hennig-Wellsow ist meilenweit vom antikapitalistischen Flügel der Partei und der Klimabewegung entfernt. Sie ist eine der Architekt*innen des geräuschlosen Regierens der LINKEN in Thüringen. Wenn selbst sie, zumindest ganz zaghaft, die Verfügungsgewalt der Kapitalbesitzer*innen in Frage stellt, ist das vielleicht auch Ausdruck des Prozesses der politischen Klärung, der in der Klimabewegung begonnen hat und die Partei DIE LINKE erreicht hat.

Foto: Olaf Kosinsky, CC BY-SA 3.0-de