Venezuela in der Krise

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Die verfassungsgebende Versammlung und die Aufgaben von RevolutionärInnen

Am 1. Mai verkündete Präsident Nicolas Maduro die Einberufung einer verfassungsgebenden Versammlung, „um den Frieden herzustellen, den die Republik braucht […] und um den faschistischen Putsch niederzuschlagen, damit das Volk und seine Souveränität Frieden, Harmonie und nationalen Dialog herstellen kann.“

Erklärung von Izquierda Revolucionaria und Socialismo Revolucionario

Diese Ankündigung kommt vor dem Hintergrund einer schwerwiegenden ökonomischen und sozialen Krise. Die Inflation liegt bei über 700 Prozent (3000 Prozent bei Lebensmittelpreisen) und eine Vielzahl von Reformen und sozialen Errungenschaften werden geschliffen. Zu Tausenden werden Arbeiterinnen und Arbeiter entlassen. Die Armut, die unter Chávez eingedämmt wurde, wächst rasant an. Das führt zu mehr Gewalt in den Städten, Unsicherheit, Ausgrenzung usw.

Die venezolanische Rechte (vereint im MUD) nutzt diese Situation auf opportunistische und heuchlerische Art und Weise und versucht Kapital aus ihr zu schlagen. Die bürgerlichen Schmarotzer können den ArbeiterInnen und dem Volk keine Alternative anbieten. Ihr Programm bedeutet den gleichen Albtraum,den Temer in Brasilien und Macri in Argentinien zu verantworten haben.

Dennoch ist der Triumph der konterrevolutionären Rechten in Venezuela zurzeit eine sehr reale Möglichkeit. Der wesentliche Grund dafür ist, dass die Maduro-Regierung keine sozialistische Politik betreibt, sondern das ziemliche Gegenteil dessen. Sie macht ein Zugeständnis nach dem anderen an die nationalen sowie internationalen Kapitalisten und führt harte Kürzungen gegen die soziale Basis durch, die den revolutionären Prozess stützte.

Die Arbeiterklasse und die Armen taten alles in ihrer Macht stehende, um eine sozialistische Revolution – basierend auf Arbeiterdemokratie und dem Sieg über die Konterrevolutionäre – durchzuführen. Doch die Regierung, die immer noch von Sozialismus und Revolution spricht, betreibt tatsächlich kapitalistische Politik, welche die Massen nur weiter demoralisiert und demobilisiert.

Die konterrevolutionäre Strategie und die Widersprüche im Staat

Die internationalen Kapitalisten und das MUD haben auf die Ankündigung einer verfassungsgebenden Versammlung mit Zetergeschrei reagiert. Mit dem ihnen eigenen Zynismus sprechen dieselben Personen von „Staatsstreich“ und „Diktatur“, die den Putsch von 2002 organisierten, die Hugo Chávez wegsperrten (der demokratisch vom Volk gewählt wurde), die das Parlament auflösten und die Verfassung außer Kraft setzten (die von 87 Prozent des Volkes in einem Referendum unterstützt wurde). Jetzt vergießen sie Krokodilstränen wegen der in Gefahr geratenen „Freiheiten“ in Venezuela.

Die Verzweiflung, mit der das MUD und die Imperialisten die verfassungsgebende Versammlung verdammen, kommt nicht von ungefähr. Ihr Ziel ist der Sturz Maduros und zwar so schnell wie möglich. Sie wollen in den Präsidentenpalast, um ihre Privatisierungspläne und Angriffe auf die ArbeiterInnen und Armen durchzuführen und so alle fortschrittlichen Maßnahmen von Chávez zurückzunehmen. Das würde den Wünschen ihrer Lehnsherren, des IWF und der imperialistischen Multinationalen, entsprechen.

Das gegenwärtige Parlament (Nationalversammlung), welches im Dezember 2015 gewählt wurde und vom MUD dominiert wird, ist eines der zentralen Instrumente, um diese Pläne in die Tat umzusetzen. Die verfassungsgebende Versammlung zu akzeptieren, würde die Lossagung von diesem Instrument bedeuten. Man würde damit nicht nur der Maduro-Regierung Zeit und Raum für eigene Manöver geben, sondern das könnte auch Auswirkungen auf die eigene soziale Basis haben – wie bereits bei der auf Druck des Weißen Haus angewendete Taktik vom Oktober 2016. Zu dieser Zeit schlussfolgerte der Imperialismus, dass das MUD zu schwach für einen Sturm auf den Präsidentenpalast war. Eine Initiative des MUD für einen 12-Stunden-Streik war vorher schief gegangen. Der Imperialismus zwang die Führer des MUD dazu, ihre Pläne hinten anzustellen und Verhandlungen mit der Regierungen zu versuchen. Das Ergebnis war die Demoralisierung eines Teils der MUD-UnterstützerInnen für einige Monate.

Die Entscheidung des Obersten Gerichts vom 30. März, die Funktionen der Nationalversammlung wiederherzustellen, provozierte eine neue Wende. Diese Maßnahme eröffnete Gräben innerhalb der Regierung und an der Spitze des Staates, was Maduro zu Gegenmaßnahmen bewog. Die Rechten – ermutigt durch diese Auseinandersetzungen – gingen wieder auf die Straße und organisierten, vor allem anfangs, bedeutende Demonstrationen. Jedoch haben sie im Moment immer noch das gleiche Problem wie vor acht Monaten. Trotz des wirtschaftlichen Abschwungs und der wachsenden Unzufriedenheit mit vielen der ökonomischen und politischen Maßnahmen der Regierung im letzten Jahr schaffen es die MUD-Führer weiterhin nicht, eine wirkliche Verbindung zu den Massen aufzubauen – insbesondere zu den ärmsten Schichten. Die Ursprünge des MUD, seine Klasseninteressen und engen Verbindungen zu den Kapitalisten und Imperialisten, machen es für sie bis jetzt schwierig, den Druck auf den Straßen soweit aufzubauen, als dass er den kompletten Bruch innerhalb der Führung von Staat und Armee auslösen könnte.

Die Arbeitsniederlegungen, zu denen das MUD in den letzten Tagen aufgerufen hatte, fanden überhaupt keine Unterstützung in irgendeinem bedeutenden Teil der Arbeiterklasse. Doch auch die Bosse waren nicht enthusiastisch. Viele von ihnen sind skeptisch, ob solche Arbeitsniederlegungen wirklich einen Regierungswechsel herbeiführen können. Sie fürchten außerdem, dass die Teilnahme an solchen Aktionen ihre finanzielle Unterstützung durch die Regierung gefährden würde – insbesondere da diee im Moment noch keine Maßnahmen gegen sie ergreifen.

Viele der gegen die Bosse gerichteten Maßnahmen von Chávez, wie beispielsweise Enteignungen, Aufrufe zur Arbeiterkontrolle und Mobilisierungen, wurden von der Regierung fallen gelassen. Ein bedeutender Teil der von den Bossen seit Jahren geforderten Maßnahmen hingegen werden allmählich von Maduro umgesetzt. Sie beinhalten Preissteigerungen, Flexibilisierung der Kontrollen, die Einschränkung der Partizipation von ArbeiterInnen und die Versuche von Teilen der Linken zu bremsen, revolutionäre Gewerkschaften zu bilden und den Kampf für Arbeiterkontrolle zu führen. Die öffentlichen Schulden werden bezahlt und Bündnisse zwischen nationalen und ausländischen Bossen gewährt, welche „gemischte Unternehmen“ und „Sonderwirtschaftszonen“ gründen.

Die eingeschränkten Möglichkeiten, die Straßenmobilisierungen zu verstärken oder „erfolgreiche“ Arbeitsniederlegungen herbeizuführen, führten zu einer Änderung der Taktik der Mehrheit der MUD-Führung und eines Teils des Imperialismus. Faschistische Gangs wurden gezielt gestärkt, welche in der internationalen Presse als empörte Jugendliche, die die Demokratie verteidigen, dargestellt wurden. Diese Gangs organisieren Angriffe auf öffentliche Gebäude und Zusammenstöße mit der Nationalgarde, welche bis zum jetzigen Zeitpunkt bereits 45 Tote forderten. Sie wollen in der öffentlichen Meinung den Vorwand verbreiten, die Situation würde den Charakter eines Bürgerkriegs in Venezuela annehmen und dass dieser eine starke Intervention der imperialistischen Institutionen (wie die UN) erfordert. Sie hoffen, dass diplomatischer Druck und Sanktionen das Kräfteverhältnis in der Militärführung kippen können, was sie bisher nicht erreichen konnten.

Bis jetzt scheint die Unterstützung der Militärführung für die verfassungsgebende Versammlung einheitlich zu sein – zumindest den öffentlichen Erklärungen nach. Eine der ersten und eindrücklichsten Unterstützungserklärungen kam vom Verteidigungsminister und obersten Befehlshaber Wladimir Padrino. Trotzdem ist die Situation sehr unbeständig und kann sich in die eine oder andere Richtung schnell ändern, wie es bereits die Handlungen des Obersten Gerichts und der Nationalversammlung zeigten. Es ist offensichtlich, dass es im Staatsapparat Spaltungen und unterschiedliche Flügel gibt. Die Staatsanwältin Luisa Ortega Diaz, die der Entscheidung des Obersten Gerichts widersprach und meinte, „die Verfassung von 1999 wäre nicht zu verbessern“, kritisierte die Einberufung einer verfassungsgebenden Versammlung, rechtfertigte sogar einige der Aktionen der Opposition und gab der Regierung für manche Gewaltfälle die Schuld.

Bisher haben diese Spaltungen im Staatsapparat die Unterzeichnung und Veröffentlichung des Dekrets für die Einberufung einer verfassungsgebenden Versammlung nicht verhindert. Doch es ist unmöglich auszuschließen, dass der Druck des MUD und der Imperialisten eines Tages neue Spaltungen und eine neue Regierungs- und Staatskrise provozieren kann.

Würde die Regierung wirklich sozialistische Politik umsetzen und der Arbeiterklasse und den Armen die Initiative und die Macht überlassen, um die Korruption und die Sabotage durch die Kapitalisten und die Staatsbürokratie zu beenden, dann wäre es ein Leichtes, die konterrevolutionären Pläne zu durchkreuzen und die bolivarische Revolution vor der Niederlage und der bürokratischen Entartung zu retten. Leider weist die aktuelle Politik in die andere Richtung.

Mit sozialistischer statt kapitalistischer Politik gegen die Konterrevolution

Nach der Wahlniederlage im Dezember 2015 forderten Tausende Chávista-AktivistInnen aus der Arbeiterklasse in spontanen Versammlungen einen Linksschwenk und die Entwicklung hin zu Arbeiter- und Volksmacht. Nicht nur, um gegen die MUD-geführte Nationalversammlung zu kämpfen, sondern ebenso, um die Macht der bürokratischen Fünften Kolonne zu beenden, die zwar von Chávismus, Sozialismus und Revolution spricht, aber eigentlich die Errungenschaften der Revolution rückgängig macht.

Die Regierung hatte bereits in der Vergangenheit ein „Kommunalparlament“ und einen „Kongress des Vaterlandes“ geschaffen. Beide wurden als Initiativen präsentiert, die die Macht des Volkes und die Einbringung der Basis stärken sollten. Tatsächlich passierte das Gegenteil. Dem Kommunalparlament wurde widersprochen und es selbst nie genutzt, um die Rechten ernsthaft zu gefährden. Der „Kongress des Vaterlandes“ wurde zu einer großen Kundgebung, bei welcher viel über die Macht des Volkes und „die Führung der Revolution durch die Arbeiterklasse“ geredet wurde. Jedoch wurde keine einzelne Maßnahme zur Durchsetzung einer der beiden genannten Dinge durchgeführt.

Als kritische Teile der Basis versuchten, ihre Stimme zu erheben und Vorschläge zu machen, wurden sie als „Radikale“, „Ultralinke“, „Steineschmeißer“ oder sogar noch schlimmer als „Verwahrloste“ beleidigt. Während die offizielle Rhetorik von der „Führung der Unternehmen durch die Arbeiterklasse“ sprach, werden tausende revolutionärer RABSA-ArbeiterInnen entlassen, andere Belegschaften verkleinert und die Wahlen in der Gewerkschaft SUTISS (vertritt SIDOR, das zweitgrößte Unternehmen des Landes) aus Angst vor dem Erfolg von linken, der Regierungspolitik kritisch gegenüberstehenden Teilen behindert. Dasselbe passierte bei den Wahlen in der FUTPV, des Dachverbandes der ÖlarbeiterInnen.

Diese Maßnahmen finden vor dem Hintergrund einer Wirtschaftspolitik der Preissteigerungen und Lohnkürzungen statt, welche sogar mit von Chávez etablierten Lohnnormen brechen. Die Regierung ist außerdem tolerant mit Unternehmen umgegangen, die sich weigerten Gewerkschaften anzuerkennen.

Dieser Rechtsschwenk drückte sich ebenfalls in der Teilzahlung der öffentlichen Schulden an die Banker aus, während Zuschüsse, die den Lebensmittelimport für die Armen finanzieren, gekürzt wurden. Die Orinoco-Ölregion wurde für gemischte Unternehmen geöffnet und ein Konsortium gegründet, welches unter der Kontrolle des Armeechefs Abkommen mit privaten Unternehmen zur Ausbeutung der Mineralressourcen abschließen kann. Die regionale „Bergbaubogen“-Politik erlaubt es Multinationalen, wie Gold Reserve, zudem zwölf Prozent des venezolanischen Bodens mit Mineralvorkommen auszubeuten. Unter Chávez wurde Gold Reserve aus Venezuela verbannt. In jüngerer Zeit wurden mit der „Expo Potencia“-Politik Millionen von Dollars an die Bosse gegeben und viele ihrer Forderungen erfüllt.

Diese Bestrebungen, mit der Bourgeoisie Abkommen einzugehen, gehen zuweilen so weit, dass man die Anerkennung durch den US-Imperialismus sucht – oder zumindest eines Teils davon. Kürzlich veröffentlichte die Website von Aporrea Beweise, dass die Tankstellenkette CITGO (gehört dem staatlichen Ölunternehmen PDVSA) 500.000 US-Dollar an die Wahlkampagne von Donald Trump gespendet hat, angeblich um eine bessere Behandlung von Venezuela durch den neuen US-Präsidenten zu erreichen. Bis jetzt wurden diese Information nicht von den Regierenden infrage gestellt.

All diese politischen Entscheidungen, welche den Hoffnungen der revolutionären Basis konträr zuwiderlaufen, sind keine versehentlichen Abweichungen. Praktisch wurde das Ziel, den Sozialismus unter der Führung der ArbeiterInnen und der Bevölkerung aufzubauen, vollkommen fallen gelassen. Er wurde durch den Versuch ersetzt, ein staatskapitalistisches Model aufzubauen – in Zusammenarbeit mit dem russischen und chinesischen Imperialismus (die als Freunde des venezolanischen Volkes dargestellt werden) und Teilen der lateinamerikanischen herrschenden Klasse.

Spiegelt die verfassungsgebende Versammlung eine Wende nach links wider?

Wird die Einberufung der verfassungsgebenden Versammlung an dieser Politik etwas ändern? Unter einigen Teilen der Basis der PSUV und der bolivarischen Bewegung und selbst unter einigen, die in den letzten Monaten Kritik an der Regierung äußerten, gibt es gewisse Hoffnungen, dass das der Fall sein könnte. Eine andere Schicht von AktivistInnen und kämpferischen RevolutionärInnen bleiben dagegen sehr kritisch und trauen dieser Entwicklung nicht über den Weg.

Maduro und andere Führer der PSUV sprachen von einer verfassungsgebenden Versammlung der ArbeiterInnen und des Volkes. „Ich berufe eine Bürgerversammlung ein – nicht einer der Parteien oder Eliten, sondern eine Versammlung der ArbeiterInnen, Kommunen, BäuerInnen, FeministInnen, Jugendlichen, StudentInnen, Indigenen. Doch vor allem soll es eine Versammlung sein, die geprägt durch die Arbeiterklasse ist und in den Kommunen wurzelt…“, so Maduro.

Nachfolgenden Äußerungen zufolge sollen mindestens 250 VertreterInnen dieser Versammlung durch Sektoren und Berufsverbänden gewählt werden. Sie sprechen von VertreterInnen der sozialen Projekte, der ArbeiterInnen, RenterInnen, Kommunalräte usw. obwohl noch unklar ist, welche Sektoren wie viele Delegierten jeweils haben werden. Paradoxerweise verglichen sowohl einige der extrem rechten Kritiker der Revolution als auch die unkritischsten Cheerleader der Regierung von links die verfassungsgebende Versammlung mit direkter Rätedemokratie. Doch hat das alles wirklich Ähnlichkeiten mit den Sowjets, also Organen die der jederzeit möglichen Wiederwahl unterworfen sind, welche der Arbeiterklasse und der Bauernschaft vor hundert Jahren in Russland erlaubten, die Macht zu übernehmen und einen revolutionären, sozialistischen Staat aufzubauen?

Wenn das der Fall wäre, wäre es in jeder Hinsicht ein riesiger Schritt vorwärts. Die Antwort ist jedoch leider negativ. Die vorgeschlagene verfassungsgebende Versammlung hat nichts mit sich entwickelnden Organen der Arbeitermacht zu tun. Arbeiterdemokratie in Form von Räten, sprich Arbeiter-, Bauern- und Soldatenräte, welche als revolutionäre Machtorgane im Übergang zum Sozialismus und als Rückgrat des Arbeiterstaats auftreten, können nur das Ergebnis einer starken unabhängigen Bewegung von unten durch die ArbeiterInnen selbst sein. Niemals kann das durch Maßnahmen von oben errungen werden – insbesondere nicht durch eine Regierung, die gleichzeitig Deals mit der herrschenden Klasse aushandelt.

Die Entstehung der Macht der ArbeiterInnen und Armen beinhaltet die notwendige Zerschlagung des bürgerlichen Staates mit seinen Privilegien, Gesetzen und Repressionsinstrumenten (Ministerien, Bürgermeistern, vom Volk getrennte Armee und Polizei, usw.) und seine Ersetzung durch die Arbeitermacht, welche demokratisch den sozialistischen Übergangsstaat kontrolliert. Das passiert durch demokratisch gewählte und jederzeit wieder abwählbare Delegiertenräte, die der ständigen Kontrolle ihrer WählerInnen unterworfen sind. Keiner der gewählten VertreterInnen oder der öffentlichen FunktionärInnen würde mehr als einen Facharbeiterlohn erhalten. Das würde mit der Enteignung der Hauptquellen des Reichtums (Fabriken, Boden und Banken) Hand in Hand gehen. Diese Quellen können dann demokratisch in einer geplanten Wirtschaft verwaltet werden, die die Bedürfnisse der Menschen befriedigt.

Die Einberufung der verfassungsgebenden Versammlung durch die Regierung ist kein revolutionärer Akt. Sie hat keine der genannten Ziele im Blick. Sie wird nicht mit einem Plan verbunden, die Fabriken, das Land oder die Banken unter direkte, demokratische Verwaltung durch die ArbeiterInnen und Armen zu stellen. Ganz im Gegenteil. Das Ziel der neuen verfassungsgebenden Versammlung und der anderen Maßnahmen der Regierung ist die Stärkung des Staatsapparats – welcher immer noch bürgerlich ist – und die bereits genannten Abkommen mit verschiedenen Teilen der herrschenden Klasse auf nationaler und internationaler Ebene. Das muss von all jenen zurückgewiesen werden, die für ein Ende des Kapitalismus und für eine sozialistische Gesellschaft kämpfen.

Bei den neun von Maduro aufgestellten Zielen für die Versammlung wird Sozialismus nicht einmal genannt, sondern durch das Versprechen eines sogenannten „Post-Öl-Wirtschaftsmodell“ ersetzt. Das gleiche gilt für Volksmacht, Arbeiterkontrolle und Forderungen zu Mobilisierung gegen die Bürokratie. Was dagegen genannt wird, ist die Forderung nach einer Allianz mit den Bossen, um ein „Venezuela für Alle“ aufzubauen. Tatsächlich hatte die Regierung bis jetzt mehr Treffen mit Vertretern der Bosse, um über den neuen Vorschlag zu sprechen, als mit irgendeinem anderen Sektor.

Organisiert die ArbeiterInnen und Armen für eine Revolution in der Revolution! Raus mit den Kapitalisten und Bürokraten!

Eines der Argumente der Verteidiger der verfassungsgebenden Versammlung ist, dass man unter den Umständen der konterrevolutionären Offensive und des internationalen Druck „nichts anderes machen könne.“ Doch stimmt das? Nein! Wir können und müssen anderes tun. Wir können und müssen das tun, was die Basis seit einiger Zeit schon verlangt und was sogar Chávez vor seinem Tod befürwortet hat: nach links gehen und eine Revolution in der Revolution durchführen, welche die Macht derer, die sie heute ausüben und die Wirtschaft in den Untergang schicken – die Kapitalisten und Bürokraten – in die Hände der Arbeiterklasse und Armen legen. Das können jedoch nur die ArbeiterInnen und Unterdrückten selbst erledigen. Wie? Indem eine revolutionäre Versammlung von gewählten und abwählbaren VertreterInnen einberufen wird – in den Fabriken, auf dem Land und in den Kasernen. Mit einem sozialistischen Programm könnten die Kapitalisten und die „bolivarische“ Bürokratie bekämpft werden. Jene behaupten Sozialisten zu sein, aber haben selbst gemeinsame Geschäftsinteressen von mehreren Millionen Dollar zusammen mit den Kapitalisten. Sie verschwören sich und gefährden die revolutionären Errungenschaften und kontrollieren einen bedeutenden Teil des Staatsapparats.

Im Moment sieht es so aus als ob Wahlen zur verfassungsgebenden Versammlung stattfinden werden. Wenn jedoch Führer, die gegen die Arbeiterklasse agiert haben, als „Vertreter des Volkes“ auftreten, wird keines der Probleme, wie die heutige Situation der Demoralisierung unter den Massen und das Fortschreiten der Konterrevolution gelöst werden. Jene, die die sozialistische Rhetorik und das Image von Chávez missbrauchen, um selbst an Macht und Privilegien zu kommen während die Bevölkerung unter Inflation und Engpässen leidet, können nicht die Führung behalten.

Die bürgerliche Konterrevolution wird sowohl durch das MUD und den Imperialismus als auch durch die bürokratische Entartung in der Regierung vertreten, die die revolutionären Errungenschaften liquidiert und die Macht des Kapitalismus letztlich stärkt. Es gibt nur einen Weg ihren Sieg zu verhindern: Die ArbeiterInnen und Armen, welche die Revolution in der Vergangenheit vorwärts getragen und sie gegen die Angriffe des Imperialismus und der Konterrevolution verteidigt haben, müssen mobilisieren und sich unabhängig organisieren, um für unsere Rechte, Forderungen und die Verteidigung der revolutionären Errungenschaften kämpfen, welche heute bedroht werden.

Am 1. Mai haben viele kritische Chávista-Basisorganisationen die Bildung einer Einheitsfront diskutiert und die kritischen Teile der PSUV, welche Abkommen mit der Bourgeoisie ablehnen, zum Kampf für revolutionäre Politik aufgerufen. Das ist der Weg vorwärts. Nur das Volk kann das Volk retten. Nur die Einheit der Jugend, BäuerInnen, ArbeiterInnen und revolutionären SoldatInnen im Kampf für ein antikapitalistisches, sozialistisches, internationalistisches, anti-bürokratisches Programm, welches alle politische und ökonomische Macht in die Hände der Arbeiterklasse legt, kann die tragische Niederlage der venezolanischen Revolution verhindern.
Socialismo Revolucionario ist die venezolanische Sektion des Komitees für eine Arbeiterinternationale (englische Abkürzung CWI). Die Izquierda Revolucionaria ist Teil einer gleichnamigen internationalen Strömung, die sich im Sommer mit dem CWI vereinigen wird.. Ausführliche Artikel zur Fusion finden sich ebenfalls auf www.sozialistischealternative.info

Dieser Artikel wurde in englischer Übersetzung zuerst am 02.06.2017 veröffentlicht.