Was tun mit Nord Stream 2?

Biden macht keinen Vorschlag, sondern erteilt einen Befehl: Wenn Russland Truppen in die Ukraine schickt, wird die Ostsee-Gaspipeline Nord Stream 2 nicht in Betrieb gehen. Kanzler Scholz steht daneben und sagt erst mal … nichts. Welche Haltung sollte die Linke in Deutschland zu der Pipeline einnehmen?

Von Claus Ludwig, Köln

Die Diskussion um Nord Stream 2 spielt sich auf mehreren Ebenen ab. Es geht nicht nur um mögliche Sanktionen gegen Russland, sondern auch um Konkurrenz, Geschäfte und Klimaschutz. Die Klima-Ebene ist vergleichsweise einfach: Gas sollte keine „Übergangstechnologie“ sein. Die Pipeline hätte nicht gebaut werden dürfen. Stattdessen hätte der Ausbau der erneuerbaren Energien mit diesen 10 Milliarden Euro beschleunigt werden müssen.

Zweierlei Maß

Doch Biden geht es nicht um den Klimaschutz. Die US-Regierung will Nord Stream 2 stoppen, um Druck auf Russland zu machen und die US-Linie in NATO und EU durchzusetzen. Zudem wollen US-Konzerne Fracking-Gas nach Europa verkaufen und hoffen, dass nach einer Absage an die Pipeline die Angst vor Engpässen bei der Energieversorgung die europäischen Staaten dazu treibt, dieses extrem umweltschädliche Gas aus den USA zu kaufen.

Unter anderem die Grünen, welche behaupten, Russland wäre in der Ukraine der alleinige Aggressor, verschweigen, dass sie keine ähnlichen Forderungen aufgestellt haben, als die USA den Irak überfallen haben. Die etablierten Parteien in Deutschland wollten keine Sanktionen verhängen, als Erdogans Truppen in Nordsyrien einfielen oder saudi-arabische Flugzeuge die Zivilbevölkerung im Jemen bombardierten. Offensichtlich wird mit zweierlei Maß gemessen. Es geht nicht um „die Demokratie“, sondern um geopolitische und geschäftliche Interessen.

Energieversorgung unter demokratische Kontrolle

Teile des deutschen Kapitals nehmen eine andere Position ein als die USA. Gerade in Mecklenburg-Vorpommern hoffen viele Unternehmen auf zusätzliche Profite. Ex-Kanzler Schröder ist der halbseidene Vertreter dieser Kapitalfraktionen, Ministerpräsidentin Schwesig ist ihr seriöses Gesicht. Zudem gibt es unter deutschen Kapitalist*innen einen Streit, ob der harte Kurs der USA gegen Putin für die deutschen Konzerne sinnvoll ist. Die Arbeiter*innenbewegung und die Linke dürfen sich in diesem Streit nicht auf Seiten einer der Kapitalfraktionen positionieren, weder auf Seiten der „atlantischen“ Treiber*innen der Eskalation noch auf Seiten derjenigen, die weiter Profite mit fossilen Energien machen wollen.

Die Linke und die Gewerkschaften in Deutschland sollten Bidens „Befehl“ zurückweisen. Über die Inbetriebnahme der Pipeline wird nicht in Washington entschieden. Allerdings heißt das nicht, zu akzeptieren, dass der Gazprom-Konzern mit einem klimaschädlichen Projekt Profite macht, Lobbyist*innen wie Schröder sich bereichern und der Ausbau der erneuerbaren Energien verschoben wird.

Die Pipeline, die damit verbundenen Gesellschaften in Deutschland wie die deutsche Betreibergesellschaft Gas for Europe GmbH und international, sollten in öffentliches Eigentum überführt und demokratisch kontrolliert werden, von Vertreter*innen der Bevölkerung, der politischen Ebenen, Umweltverbänden und Wissenschaftler*innen. Auf dieser Grundlage können sich die betroffenen Regionen und Staaten darüber verständigen, ob und für wie lange die Pipeline in Betrieb gehen soll.

Die Entscheidungen über unsere Energieversorgung dürfen wir weder Biden noch Putin, weder US-Fracking-Konzernen noch Gazprom oder RWE überlassen, die müssen wir selbst in die Hand nehmen.