Polizei gegen Impfgegner*innen – trifft es endlich die Richtigen?

Nachdem der Staat die Querdenker*innen und Impfgegner*innen samt starker faschistischer Kontingente trotz Verstößen gegen sämtliche Auflagen über Monate laufen ließ, ist die Polizei jetzt teilweise gewaltsam gegen die nicht genehmigten Proteste vorgegangen. Dabei wurden mehrere Menschen verletzt, darunter auch ein vierjähriges Kind, Beteiligte wurden in sogenannten „Schnellverfahren“ zu Bewährungsstrafen verurteilt. Eine grüne Politikerin forderte „Schlagstöcke“ gegen die Demonstrierenden und auch manche Linke jubeln über staatliche Repression, weil es dieses Mal „die Richtigen“ trifft. Aber so einfach ist es nicht.

In Telegram-Gruppen von Impfgegner*innen wurde dazu aufgerufen, Kinder mit zu den Demos zu nehmen, um Bilder von polizeilicher Gewalt gegen Kinder zu provozieren. Das ist widerwärtig und passt zur zynischen Haltung dieser Leute. Sie nehmen Verletzung und Tod unbeteiligter Menschen in Kauf. Allerdings wissen wir nicht sicher, dass der in Schweinfurt verletzte Vierjährige bewusst als „Schutzschild“ eingesetzt wurde. Wir kennen auch die Polizei: Wenn die Beamt*innen überfordert sind oder frei drehen, dann gibt es schon mal auf die Fresse, auch für Unbeteiligte.

Die klare Mehrheit ist von den Impfgegner*innen genervt, viele freuen sich, wenn diese Ärger bekommen. Aber wenn der Staat an ihnen repressive Methoden ausprobiert und per öffentlichen Diskurs legitimieren lässt, wird sich dieses staatliche Handeln nicht nur auf die „Richtigen“ beschränken, sondern auch und gerade Linke werden es in der kommenden Zeit zu spüren bekommen. Gerichtliche „Schnellverfahren“ sind immer ein Angriff auf die demokratischen Rechte, sie sollen einschüchtern, über die eigentliche Tat hinaus.

Es ist richtig, auf die doppelten Standards der Polizei hinzuweisen, welche die „Querdenker*innen“ lange hat laufen lassen, aber massiv gegen Proteste von links vorgegangen ist. Das darf aber nicht dazu führen, die jetzigen Polizeiaktionen unkritisch zu bejubeln.

Faschistische Aufmärsche?

Linke verteidigen nicht das Demonstrationsrecht von Faschist*innen, sondern versuchen, deren Aufmärsche zu verhindern. Nazi-Aufmärsche haben den Zweck, neue Anhänger*innen zu rekrutieren und symbolisch Terrain zu erobern. Aus ihnen heraus kommt es häufig zu Angriffen auf Linke oder Migrant*innen, sie tragen dazu bei, faschistische Gewalt vorzubereiten.

Unzweifelhaft spielen Faschist*innen eine große Rolle bei den Demonstrationen der Querdenker*innen. In manchen Städten Sachsens dominieren sie, im Westen sind sie nicht so stark. Alle, die bei diesen Demos mitlaufen, Esoteriker*innen, Globuli-Fans, Wundermittel-Geschäftemacher*innen, durch die Corona-Maßnahmen frustrierte oder finanziell geschädigte Menschen, muss vorgeworfen werden, mit den Nazis zu marschieren. Aber das macht die Mehrheit dieser Demonstrationen noch nicht zu Nazi-Demos.

Es ist nicht die Aufgabe der Linken und der Arbeiter*innenbewegung, Polizeieinsätze gegen das Propagieren von falschen, verwirrten Ideen zu verlangen. Diese Ideen müssen mit inhaltlichen Alternativen von links gekontert werden, nicht mit passivem Jubel für die Polizei.

Sowohl seitens des Staates als auch im öffentlichen Diskurs wird häufig erwähnt, wie gefährlich es sei, wenn Hunderte ohne Maske und Abstand auf die Straße gingen. Aber in einem Land, in dem jeden Tag Dutzende Millionen arbeiten, den ÖPNV nutzen, in der Schule sitzen, sind diese Demos kein statistisch wichtiger Infektionstreiber. Dieses Argument ist drittrangig.

Kein Vertrauen in den Staat

Bisher nicht-faschistische Impfgegner*innen und Nazis nähern sich in dieser Situation an. Aber gerade wenn die „Querdenker*innen“ ihren Umsturz-Plänen so nahe wären wie in ihren Träumen, wäre es absurd, den Kampf dagegen dem bürgerlichen Staat zu überlassen. Nach Schätzungen des Landes Sachsen sind dort nur 60% der Polizist*innen geimpft. Die schlagen heute auf die Impfgegner*innen und morgen gegen links, mit doppelter Kraft. Gerade wenn die Lage so dramatisch wäre, wie es sich einige „Querdenker*innen“ herbeifantasieren, dann müsste die Arbeiter*innenbewegung sofort auf die Straße und die „Querdenker*innen“ mit Massenmobilisierung stoppen.

Die Lage ist dynamisch, aber noch handelt es sich nicht um eine faschistische Massenbewegung. Daher ist es die zentrale Aufgabe der Arbeiter*innenbewegung, mit klaren Alternativen – Gesundheitswesen ausbauen, Patente auf Impfstoffe abschaffen, kostenlose Tests flächendeckend, stabile Hilfen für alle durch die Pandemie wirtschaftlich betroffenen Lohnabhängigen und kleinen Selbstständigen – auf die Straße zu gehen, inhaltlich dagegen zu halten und die bisher stille Mehrheit der Beschäftigten zu mobilisieren, die für Solidarität, Impfen und verantwortliches Handeln eintritt.