Höhere Spritpreise retten nicht das Klima

Die CO2-Steuer- und Benzinpreiserhöhung im Wahlprogramm der Grünen ist ein gefundenes Fressen für die anderen bürgerlichen Parteien. Wortreich prangerten Scholz und Scheuer die möglichen sozialen Auswirkungen an. In den Umfragen sackten die Grünen von der Spitzenreiterposition auf derzeit 20% ab.

Von Conny Dahmen, Köln

Diese Aufregung ist reine Heuchelei, die GroKo-Parteien selbst hatten die CO2-Steuer ab diesem Jahr eingeführt. Die Grünen wollen sie lediglich bis 2023 (statt 2025) auf 60 Euro/Tonne CO2 (statt 35 Euro) erhöhen. Seit das Bundesverfassungsgericht das Klimaschutzgesetz wegen Zahnlosigkeit gekippt hat, fordern aber auch CDU/CSU-Politiker wie Dobrindt oder Laschet einen schnelleren CO2-Preisanstieg. Fridays for Future fordern 180 Euro/Tonne, um den realen Kosten der Emissionen näher zu kommen und die Ziele des Pariser Klimaabkommens bis 2030 erreichen zu können.

Doch egal wie hoch: Solche Massensteuern und Spritpreiserhöhungen sind keine effektiven Maßnahmen im Kampf gegen den Klimawandel, sondern eine Ablenkung vom Kernproblem Kapitalismus. 100 Konzerne sind für 70% der Co2-Emissionen weltweit verantwortlich (Carbon Majors Report 2017). Deren Profite werden durch die CO2-Steuer nicht angekratzt, sondern ihr System wird weiter zementiert. Bereits die vor zwanzig Jahren von einer rot-grünen Bundesregierung eingeführte Ökosteuer hat, trotz hoher Einnahmen und Belastungen für die Verbraucher*innen, nicht zu sinkenden Emissionen geführt. Im Gegenteil.

Immer noch pendeln knapp zehn Millionen Menschen täglich zur Arbeit, und zwar vor allem mit dem Auto. Trotz (oder wegen) Corona und Homeoffice hat der PKW-Bestand in den meisten Städten 2020 weiter zugenommen. Fast eine Million und damit ein Drittel der neu zugelassenen Fahrzeuge sind schwere und spritfressende SUV und Geländewagen.

Bahntickets immer teurer

Öl- und damit Benzinpreise schwanken und können auch mit CO2-Steuer wieder sinken. Was aber verlässlich jedes Jahr seit 2003 steigt, sind die Fahrpreise der Deutschen Bahn. Seither hat sich der Preis für eine einfache Fahrt über zehn Kilometer verdoppelt (von 1,60 auf 3,20 Euro), über 101 km zahlt man nun zehn Euro mehr. Im städtischen ÖPNV sieht es ähnlich aus. Gleichzeitig sind seit der Bahn“reform“ 1994 bis 2018 in Deutschland mehr als 5000 km Schienennetz stillgelegt worden, fast die Hälfte davon in Ostdeutschland (auch unter Rot-Grün!).

Wenn die Autofahrer*innen auf Bus und Bahn umsteigen sollen, müssen vor allem die Ticketpreise sinken, bis zum Nulltarif, und die Netze ausgebaut werden. Wohnortnahe Arbeitsplätze, mehr Infrastruktur in ländlichen Regionen und niedrigere Mieten in den Großstädten würden die Berufspendelei erheblich einschränken. Dafür stehen die Grünen aber erwiesenermaßen nicht. Sie machen Politik im Interesse der – „grünen“ (und weniger „grünen“) – Konzerne und wollen beim Wettlauf um eine „klimafreundliche Wirtschaft“ Standortvorteile für deutsche Unternehmen sichern. Zwar treten sie vage für Ausbau der Bahn ein, konkreter werden sie aber nur bei der Förderung von E-Autos, die das Emissionsproblem vom Auspuff auf den Kraftwerksschornstein verlagern.

Am Ende wird die CO2-Steuer einfach auf die Verbraucher*innen umgelegt. Das trifft gerade die Menschen am härtesten, die am wenigsten CO2-Emissionen zu verantworten haben. Weltweit waren von 1990-2015 die reichsten 10% der Weltbevölkerung für über die Hälfte der Emissionen verantwortlich. In Deutschland gehen 26% der CO2-Emissionen auf die reichsten 10% der Einwohner*innen zurück, die ärmere Hälfte der deutschen Bevölkerung hat mit 29% des CO₂-Ausstoßes kaum mehr verbraucht. Diesen Menschen soll laut Grünen-Wahlprogramm eine Pro-Kopf-Umlage aus den CO2-Steuereinnahmen (als „Energiegeld“) ausgezahlt werden – wie auch immer das aussehen soll. Richtig viel Geld sollen aber die Unternehmen der CO2-intensiven Branchen bekommen, in Form von „Klimaschutzverträgen“ mit 15 bis 20 Jahren Laufzeit. Damit sollen sie Förderungen und Sicherheiten für die Umstellung auf klimaneutrale Produktion erhalten. Industrie und Dienstleistungen mit hohen Kohlendioxid-Emissionen werden weiterhin geduldet.

Statt sie noch zu beschenken müssen die Hauptverursacher*innen des Klimawandels, die großen Industrie- und Energiekonzerne, zur Kasse gebeten werden. Energieversorgung, Verkehrswesen und alle Schlüsselindustrien gehören in öffentliche Hand; die Produktion und Verteilung kann nur nachhaltig sein, wenn sie von den Beschäftigten selbst demokratisch und nach den Bedürfnissen von Mensch und Natur organisiert wird.