Mietendeckel aufgehoben – wie weiter?

Das Bundesverfassungsgericht hat den Berliner Mietendeckel mit der Begründung aufgehoben, die Länder dürften keine die Mieten begrenzenden Gesetze erlassen – das dürfe allein der Bundestag. Union und FDP, deren Abgeordnete geklagt hatten, und die Immobilienkonzerne, die davon profitieren, jubeln. Was bedeutet dieses Urteil für Mieter*innen und die Linke?

Unter Mieter*innen in Berlin hat das Urteil große Wut ausgelöst: am Abend nach der Veröffentlichung am 15.4. demonstrierten in Berlin über 10000 Menschen gegen die Aufhebung des Mietendeckels. Die Organisator*innen des Volksbegehrens „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“ berichteten über starkes Interesse an der Mitarbeit in ihren Kiezteams und viele neue Unterschriften. In der Enteignung sehen viele Mieter*innen jetzt die letzte Chance, den Anstieg der Mieten noch zu stoppen und dem Wucher der Konzerne ein Ende zu machen. Ein Erfolg des Volksentscheids wäre ein starkes Signal, dass die Arbeiter*innenklasse nicht alles mit sich machen lässt. Ob es im Falle eines Erfolgs wirklich zu einer Enteignung käme, ist aber unklar – der Mietendeckel hat gezeigt, dass im bürgerlichen Staat Justiz, Gesetze und Verfassung im Zweifel dem Kapital nützen. Nur unter dem massiven Druck einer auch nach einem erfolgreichen Volksentscheid weiter bestehenden Bewegung könnten Enteignungen tatsächlich durchgesetzt werden.

Ausweg bundesweiter Mietendeckel?

DIE LINKE fordert als Reaktion auf das Urteil einen Mietendeckel auf Bundesebene. Natürlich wäre es gut, wenn bundesweit statt der wirkungslosen Mietpreisbremse eine feste Begrenzung gelten würde, und für Partei- und Wahlprogramm der LINKEN ist die Forderung als erster Schritt zu einer wirklichen Kostenmiete, welche die Miete auf Basis von Kosten für Instandhaltung und Bau festlegt, richtig. Aber um sie umzusetzen, wäre eine große Mieter*innenbewegung notwendig, die anderen Städten aber bisher nicht so stark ist wie in Berlin. Ohne eine solche Bewegung ist kaum vorstellbar, dass eine Bundesregierung den Mietendeckel einführen würde. Bei einer Regierung unter Beteiligung der CDU oder FDP wäre es von vornherein ausgeschlossen, aber auch SPD und Grüne wären im Fall von Grün-Rot-Rot im Bund wohl kaum dazu bereit. Im Berliner Senat haben sie dem Mietendeckel hauptsächlich in der Hoffnung zugestimmt, damit der schon laufenden Enteignungskampagne den Wind aus den Segeln zu nehmen. Der Druck von unten war hier entscheidend.

Was tun?

Der Berliner Senat muss die städtischen Wohnungsbaugesellschaften anweisen, den Mietendeckel beizubehalten. Gäbe es in Berlin wirklich eine linke Regierung, könnte diese unmittelbar gemeinsam mit Mieter*inneninitiativen und Gewerkschaften stadtweite Online-Konferenzen einberufen, um über weitere Aktionen zu beraten. Dazu könnte ein Aufruf an alle Mieter*innen gehören, die Nachzahlung der zu wenig bezahlten Mieten zu verweigern. Der Senat könnte ihnen die Finanzierung von Nachzahlungen und Prozesskosten aus öffentlichen Geldern zusichern. Um den Nachzahlboykott zu unterstützen und den Druck auf die Konzerne zu erhöhen, könnte es gemeinsame Großdemonstrationen geben. Durch so eine auf der Straße sichtbare Massenbewegung könnte auch die Durchsetzung von Enteignungen nach einem erfolgreichen Volksentscheid vorbereitet werden.

Solch ein Agieren klingt angesichts von Rot-Rot-Grün in Berlin unrealistisch? Stimmt! Allein die Zulassung der zweiten Stufe des Volksentscheids Deutsche Wohnen &Co enteignen durch den SPD-geführten Innensenat dauerte ein ganzes Jahr. Die LINKE geht immer wieder enthusiastisch Koalitionen auf Landesebene ein, um „endlich zu gestalten, statt nur zu kritisieren“, und stellt dann fest, dass die reale Gestaltungsmacht an der Seite von SPD und Grünen sehr gering ist. Letztlich beschränkt sich die Rolle solcher  Landesregierungen darauf, den Alltag im Kapitalismus mehr oder weniger effektiv zu verwalten. Daran teilzunehmen, kann die Glaubwürdigkeit linker Parteien beschädigen und verwandelt ihre führenden Mitglieder von Aktivist*innen in Minister*innen und Staatssekretär*innen, die über die Verwaltung herausgehende Ziele schnell aus dem Blick verlieren. 

Den Kampf für bezahlbaren Wohnraum kann die LINKE also am Besten vorantreiben, indem sie aus der Opposition heraus Forderungen wie die nach dem bundesweiten Mietendeckel und nach Enteignung von Immobilienkonzernen aufstellt und den Aufbau einer Bewegung für deren Umsetzung unterstützt und mit organisiert.