Kahlschlag im Handel

Die Bekleidungs-Kette H&M will in Deutschland 800 Jobs abbauen. Das Management will gezielt alle loswerden, die nicht jeden Abend und jeden Samstag arbeiten können, etwa weil sie Kinder betreuen oder aus gesundheitlichen Gründen.

Von Thies Wilkening, Hamburg

Dafür wurde den Betriebsräten im Dezember ein „Freiwilligenprogramm“ vorgestellt, mit dem alleinerziehenden Müttern, Langzeitkranken und Menschen mit Schwerbehinderungen Abfindungen angeboten werden sollten – und die betriebsbedingte Kündigung angedroht, falls sie nicht bis Februar freiwillig gehen. Zur Begründung beruft sich H&M auf den Umsatzrückgang durch Corona und Digitalisierung bzw. vermehrtes Online-Shopping.

Ein Blick auf die Entwicklung der letzten Jahre legt aber nahe, dass es hier nicht um „unvermeidbare“ Sparmaßnahmen geht, sondern um eine dauerhafte Flexibilisierung und Prekarisierung der Arbeitsverhältnisse im Unternehmen. Die meisten neueren Arbeitsverträge bei H&M garantieren nur zehn Stunden in der Woche, die längere tatsächliche Arbeitszeit wird in Form von Überstunden erledigt – auf Abruf, je nach Umsatz bzw. Kund*innen-Andrang im Geschäft, so dass die Beschäftigten, meistens Schüler*innen und Studierende, weder zeitlich noch finanziell planen können und H&M in Zeiten mit wenig Kundschaft kräftig Löhne spart.

Otto: Jobabbau trotz schwarzen Zahlen

Der Versandhandel profitiert enorm von Corona, trotzdem werden auch dort Stellen abgebaut. Bei Otto in Hamburg wird die Retourenverarbeitung im August geschlossen, über 800 Kolleg*innen verlieren ihre Jobs. Ihre Arbeit soll in Zukunft zu niedrigeren Löhnen in Polen und Tschechien erledigt werden. Zu Arbeitsplatzabbau kommt es unabhängig von Krisen, wenn das Management meint, durch Abbau von Überkapazitäten, Verlagerung von Produktionsstandorten oder Prekarisierung den Profit weiter erhöhen zu können.

Die Profitsteigerung ist das Ziel jeder wirtschaftlichen Tätigkeit im Kapitalismus, daher kann nur massiver Widerstand die Unternehmen davon abhalten. Eine entscheidende Rolle könnte dabei die Solidarität der Beschäftigten eines ganzen Konzerns spielen. Wenn Kolleg*innen in den Logistikzentren von Otto die von Entlassung bedrohten Arbeiter*innen unterstützen, indem sie die Arbeit einstellen bis das Management seine Pläne aufgibt, könnten sie Arbeitsplatzabbau unprofitabel machen. Doch bisher kommen die Konzerne meistens mit einer Salami-Taktik durch, sich einen Bereich nach dem anderen vorzunehmen. Betriebsräte und Gewerkschaften haben keine entsprechende Strategie der Ausweitung des Kampfes und beschränken sich darauf, die Folgen der akuten Maßnahmen über Verhandlungen und Öffentlichkeitsarbeit abzumildern. Letztere kann im Fall des Einzelhandels grundsätzlich sinnvoll sein, weil die Kund*innen dieser Unternehmen selbst Lohnabhängige sind und das Management Schäden für das Image der eigenen Marke fürchtet.ver.di hat eine Onlinepetition gegen den Personalabbau bei H&M gestartet, um darauf aufmerksam zu machen, und recht erfolgreich Pressearbeit betrieben. Aber Petitionen und Presseberichte verschwinden oft schnell wieder aus dem Bewusstsein. Sobald der Einzelhandel wieder geöffnet wird, sollte es daher öffentliche Aktionen von Beschäftigten und Unterstützer*innen vor den Filialen von H&M geben – und auch bei anderen Unternehmen, die Corona als Entschuldigung für Personalabbau und Prekarisierung nutzen.

Bild: ver.di Hamburg, FB Handel