Aachen: Protest gegen Merkel und Macron

Protest in Solidarität mit den Gelbwesten

Am 22.1. tragen sich Merkel und Macron in Aachen, um in einem neuen deutsch-französischen Freundschaftsvertrag zu unterzeichnen. Bei diesem als „Aachener Vertrag“ bekannten Abkommen, soll es um eine Intensivierung der Zusammenarbeit beider Mächte innerhalb der EU gehen. Explizit wird dabei eine Rüstungspartnerschaft mit gemeinsamer Hochrüstung festgelegt und die neoliberale Politik festgeschrieben. Dazu trafen sich die beiden in Aachen, wo alljährlich mit der Karlspreisverleihung eine solche Politik gefeiert wird.

Marcus Hesse, SAV Aachen

Auch dieses Mal wurde die Zeremonie mit enormem Pomp begangen. Kritische Stimmen sollten wie auch bei den Karlspreisverleihungen aus der Sichtweite der TV-Kameras verbannt werden. Die Innenstadt verwandelte sich in eine Polizeifestung. In vielen Straßenzügen blieben die Geschäfte geschlossen. Anwohner*innen durften sich nur nach Vorzeigen der Ausweise unter Polizeibegleitung zu ihren Wohnhäusern bewegen. Rund um den Platz waren Scharfschützen ausgestellt, die auf den Marktplatz zielten. Auch wenn es mitten in der Woche war, hatten sich Proteste angekündigt, die etwa 300 Menschen umfassten. Dabei wurde sich auf die Bewegung der „Gelbwesten“ in Frankreich bezogen, die seit vielen Wochen schon gegen Macrons neoliberale Politik auf die Straße geht. So prägten Menschen in gelben Westen das Bild. Doch dieses Mal war die Lage besonders kompliziert: Denn neben einem Gelbwestenprotest von Linken war am selben Platz eine Demonstration, von Rechten, teilweise faschistischen Kräften und einem Konglomerat aus Verschwörungsideolog*innen und Reichsbürger*innen in Gelbwesten, genehmigt worden. Das schuf enorme Verwirrung.

Gegen Neoliberalismus, Militarisierung und „Festung Europa“!

Linksjugend [‘solid] hatte am Platz eine Versammlung organisiert und dazu einen eigenen Aufruf erstellt. In diesem wurde die Solidarität mit der Protestbewegung herausgestellt, was viele Teilnehmer*innen durch das Tragen einer gelben Weste unterstrichen. Es wurde auf Schildern und Transparenten deutlich gemacht, dass es nicht gegen ein vereintes Europa gehe, sondern um ein Europa von unten – das im Gegensatz zum Europa der Banken und Konzerne steht. Der Mär vom „Friedensbündnis“ EU stellte die linke Kundgebung die zunehmende Aufrüstung und Militarisierung gegenüber, für die Merkel und Macron stehen und die durch den „Aachener Vertrag“ verstärkt werden sollen. Außerdem wurde die EU-Grenzpolitik (Stichwort Frontex) und die Ausplünderung und Erpressung Griechenlands und anderer Länder angeprangert. Im Laufe der Stunden kamen gut 100 Menschen zusammen, um mit diesen Inhalten gegen Macron, Merkel und ihre Politik zu protestieren. Mitglieder von Linksjugend [‘solid], der SAV, der Partei DIE LINKE, vom Anti-Kriegs-Bündnis und aus der Anti-Atom-Bewegung, einige Mitglieder der Partei „DIE PARTEI“, Antifa-Aktivist*innen, Autonome und Aktivist*innen aus dem Hambacher Forst sowie angereiste Mitglieder von #aufstehen aus dem Ruhrgebiet und Köln waren dabei (Letztere sehr deutlich sichtbar mit vielen Fahnen). Wie alle Protestierenden wurde die Kundgebung an den Rand gedrängt und außerhalb der Reichweite der TV-Kameras gestellt, sodass der Platz vom etwa 100 Menschen starken mit blauen Fahnen und Luftballons ausgestatteten Jubelblock von „Pulse of Europe“ dominiert wurde. Wer näher an den Platz wollte und vor die Absperrungen gelangen wollte, wurde von der Polizei zum Ausziehen seiner gelben Weste gezwungen. Nichts sollte die gewollten Bilder einer ungestörten Jubelfeier stören.

Rechte Hetzer getarnt in gelben Westen

Leider gab es einige Meter weiter eine zweite, zunächst größere Kundgebung von „Gelbwesten“, die von rechten Kräften organisiert war. Circa 100-150 Menschen nahmen daran teil. Leider war der Charakter dieser Demo für viele nicht sofort sichtbar und gerade zum Anfang standen auch viele Linke dabei, besonders solche die aus anderen Orten angereist war. Das galt auch für die Gruppe von #aufstehen aus dem Ruhrgebiet, die aber schließlich – als sie bemerkten, wo sie da gelandet sind – zur linken Demo wechselten und über ihr Megafon antifaschistische Lieder abspielten. Auch hatte sich eine Gruppe von Gelbwesten aus dem niederländischen Maastricht zunächst dort aufgehalten, zogen dann aber schließlich von den Rechten ab. Am Ende blieb ein harter Kern von circa 50 Leuten mit eindeutiger Gesinnung übrig. Dass es am Anfang zu einer tatsächlichen Vermischung von Linken, Rechten und Menschen mit Gelbwesten-Sympathisant*innen ohne politische Richtungszugehörigkeit kam, war nicht zuletzt auch Schuld der Polizei, die viele Menschen die auf den Markt wollten, durch die Großkölnstraße zu dieser Kundgebung lotsten. Das berichteten viele, die hinterher an der linken Kundgebung teilnahmen. Manch andere haben über Facebook von der Veranstaltung erfahren, ohne etwas über die rechte Ausrichtung gewusst zu haben.

Der politische Kern dieser Demo entpuppte sich dann aber schnell als unappetitliche Sammlung von Rechten, rechtsoffenen Wirrköpfen und offenen Faschist*innen.

Mit von der Partie waren u.a. Mitglieder der AfD, die mit einer Parteifahne auftraten und viele Leute aus dem Pegida- und Hogesa-Umfeld. Viele dort, gerade auch viele Ordner*innen hatten auf ihren Gelbwesten Aufdrucke von „Mönchengladbach steht auf e.V.“, einem rechtsradikalen Verein mit Nähe zu Pro NRW und NPD. Slogans waren „Wir sind das Volk!“ und „Merkel muss weg!“. Auf Schildern wurde ein „Europa der Vaterländer“ gefordert. Durchgehend wehten dort Deutschlandfahnen. Nur eine vorübergehend ausgerollte schwarz-weiß-rote Fahnen wurde schnell wieder eingeholt. Die Anmelderin und Rednerin ist bekannt als Reichsbürgerin und rechte Verschwörungsideologin und tritt gerne bei der AfD auf.

Dass sich in Frankreich die Bewegung der „Gilets Jaunes“ (= Gelbwesten) inzwischen klar von Rassismus distanziert, multiethnisch zusammengesetzt ist, dass Faschist*innen und Rechtspopulist*innen dort von den Demos verjagt werden und dass sich Le Pen und Konsorten inzwischen von der Bewegung abgewandt haben, interessiert diese Rechten nicht. Sie instrumentalisieren die Sache für sich, versuchen sie regelrecht zu kapern und deuten sie damit politisch um. Leider haben wir das Phänomen auch in Belgien und den Niederlanden und in vielen anderen Städten Deutschlands beobachten können.

In den bürgerlichen Medien und leider auch in vielen Berichten aus linken Kreisen, insbesondere aus dem sogenannten „antideutschen“ Spektrum, wird so getan, als seien die beiden „Gelbwestendemos“ nicht voneinander zu unterscheiden gewesen. Das beruht zum größten Teil auf Unwissenheit, zum Teil auf politischer Absicht. So wurden sehr viele Teilnehmer*innen der rechten Kundgebung interviewt und ihre nationalistischen und fremdenfeindlichen Ansichten kommentarlos als Stimmen „der Gelbwesten“ und „der Protestierenden“ verkauft, längst nicht nur von RT Deutsch.

Fazit

Der Protest war am Ende doch, trotz des Datums mitten in der Woche vormittags und aller Versuche, ihn medial klein zu halten und durch Polizeischikanen zu behindern, laut und sichtbar. Auch war es ein richtiger Schritt, durch das Tragen von gelben Westen einen Bezug zur Massenbewegung in Frankreich gegen Macron herzustellen und mit ihr Solidarität zu zeigen. Zugleich aber ist es ein beachtliches Problem, wenn sich in gelbe Westen gekleidete Rassist*innen und Faschist*innen in die Proteste einmischen und sie damit diskreditieren. Für die Propaganda der bürgerlichen Medien und Parteien ist das eine Steilvorlage. Sie können so leichter jeden Protest gegen die EU als nationalistisch oder offen für rechte Inhalte diskreditieren. Viele Menschen, die sich gerade diffus politisieren und empört sind über soziale Ungerechtigkeit, Korruption und die Arroganz der Herrschenden, wollen sich keinem politischen Lager zuordnen, bezeichnen sich bisweilen sogar als „unpolitisch“. Die Propaganda, dass „ideologische Gräben zwischen links und rechts überwunden werden“ sollten und „uns nur spalten“ zieht da. Diese Entpolitisierung und Beliebigkeit macht es den Rechten leicht, sich unter der Maske des „Unpolitischen“ oder der „Neutralität“ zu verstecken. Oder eben unter einer gelben Weste. So trug die rechte Demo nicht umsonst das schwammige und harmlos klingende Motto „Für Menschlichkeit“. Letztlich wird sich die Gelbwestenbewegung international – wie in Frankreich – politisch entscheiden müssen. Rechte Hetzer die sich mit gelben Westen verkleiden, haben in der Bewegung nichts verloren und gehören herausgejagt. Wer für eine gerechtere Welt kämpfen will und das System für das Merkel, Macron und ihre EU stehen, zum Teufel jagen will, muss ein antikapitalistisches und internationalistisches Programm entwickeln und sich klar gegen rassistische und nationalistische Spaltung stellen.