Wessen Freiheit ist die Pressefreiheit?

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Alternativen zu den Medienkonzernen sind nötig

Während in der Türkei missliebige JournalistInnen neben AktivistInnen der Opposition in den Knast gesperrt werden, hat der amerikanische Präsident Trump einen „Krieg gegen die Medien“ ausgerufen.

von Christian Bunke, freier Journalist und aktiv im CWI

Die Medien reagieren mit so genannten „Faktenchecks“, mit denen sie Trump auf die Finger schauen möchten. Spannend dabei ist, dass sie es bei den vorangegangenen Präsidenten nicht für nötig gehalten haben, Regierungsaussagen auf ihren Wahrheitsgehalt hin zu überprüfen.

So bezeichnet zum Beispiel die New York Times Trump als den „verlogensten Präsidenten, den es jemals gegeben hat.“ Die großen Medienkonzerne befinden sich damit auf dünnem Eis. Denn gerade die New York Times hat bei der medialen Vorbereitung der Invasion des Irak durch die Vereinigten Staaten im Jahr 2003 eine wichtige Rolle gespielt. Sie veröffentlichte ihr von der CIA zugespielte Dokumente, wonach der Irak im Besitz von Massenvernichtungswaffen sei.

Heute weiß man, es handelte sich dabei um „Fake News“. Diese Fake News wurden aber seinerzeit von fast allen westlichen Medien aufgegriffen und verbreitet. Die allermeisten Medien betrieben somit Propaganda für die USA. Dem stand eine weltweite Massenbewegung gegen den Irakkrieg gegenüber. Das Vertrauen großer Teile der Bevölkerung in die etablierten Medien ist auch deshalb erschüttert worden. Bereits 2014 vertrauten laut einer Umfrage des Meinungsvorschungsinstitutes Gallup nur noch vierzig Prozent aller US-EinwohnerInnen den Medien.

Wenn in westlichen Ländern über Pressefreiheit geredet wird, geht es meistens um die Freiheit großer, teils multinationaler Medienkonzerne. Nachrichtensender wie CNN sind Teil vielschichtiger Unternehmen, deren Bestandteile in den Rüstungs- oder Bankensektor hineinreichen. Auch die private deutsche Medienlandschaft wird von riesigen Konglomeraten beherrscht, allen voran Bertelsmann und Axel Springer.

Medienkonzerne und Geheimdienste

Medien sind keine neutralen Akteure. Genau die New York Times, die jetzt gegen Trump Faktenchecks einfordert, arbeitet seit den 1950er Jahren eng mit dem amerikanischen CIA-Geheimdienst zusammen. Sie hat Cover-Identitäten für im Ausland tätige AgentInnen beschafft und immer wieder von Geheimdiensten lancierte Geschichten veröffentlicht – wie eben die frei erfundene Geschichte über Massenvernichtungswaffen.

Zwischen Medienkonzernen und staatlichen Stellen herrscht auch im „freien“ Westen oft eine enge Zusammenarbeit, die teilweise in freiwilliger Selbstzensur mündet. So gibt es in Großbritannien seit 1912 ein gemeinsames Komitee staatlicher Behörden und aller großen Medieneigentümer. In diesem werden „sicherheitsrelevante“ Themen festgelegt, über die dann nicht berichtet werden darf.

Freiwillige Selbstzensur

Ein solches Thema waren die Enthüllungen von Edward Snowden über die Abhöraktionen der NSA. Das Thema wurde mit einer „defence notice“, also der „Empfehlung“ nicht darüber zu berichten belegt. Als die Tageszeitung „The Guardian“ es dennoch tat, stand schnell die Polizei in der Redaktion, die den Chefredakteur zur Vernichtung der redaktionseigenen Server zwang.

Die Solidarität in der bürgerlichen Medienwelt mit dem Guardian hielt sich in Grenzen. Sowohl in den USA als auch Großbritannien und Deutschland beeilten sich zahlreiche Unternehmen, eher die Konsequenzen „illegalen“ Whistleblowings zu kritisieren, als sich gegen die offensichtliche staatliche Zensur gegenüber dem Guardian zu stellen.

Wenn sich heute Konzerne wie CNN oder New York Times über Zensur aufregen, dann liegt das am eskalierenden Konflikt rivalisierender Kapitalgruppen. Liberale bürgerliche Medienkonzerne gehen in den USA heute soweit, ein Eingreifen des „tiefen Staates“ gegen Trump zu fordern.

„Die Freiheit 200 reicher Leute”

Bei dem Begriff „Pressefreiheit“ muss immer gefragt werden um wessen Freiheit es geht. Paul Sethe, Mitbegründer der bürgerlichen deutschen Tageszeitung FAZ, sagte vor rund fünfzig Jahren: „Pressefreiheit ist in Deutschland die Freiheit von 200 reichen Leuten, ihre Meinung zu verbreiten.“

Zu diesen reichen Leuten gehören nicht die zehntausenden Menschen, die im deutschsprachigen Raum in der Medienindustrie arbeiten. Bei privaten Medienkonzernen sind Betriebsratsrechte durch den so genannten „Tendenzschutz“ eingeschränkt. Dieser Rechtsbegriff erlaubt es VerlegerInnen, die inhaltliche Richtung ihres Mediums festzulegen. JournalistInnen werden dadurch verpflichtet, ihre Beiträge entsprechend der politischen Überzeugungen der EigentümerInnen zu produzieren. Mit dem Tendenzschutz werden Mitbestimmungsrechte unter dem Vorwand der Meinungsfreiheit ausgehebelt.

Meinungsfreiheit als Klassenfrage

Meinungsfreiheit ist somit eine Klassenfrage. Viele JournalistInnen fordern schon lange die „innere Pressefreiheit“, also die Freiheit, ohne Druck durch die MedieneigentümerInnen arbeiten zu können. In Großbritannien gab es vor einigen Jahren eine „Eigentumsdebatte“ innerhalb der Journalistengewerkschaft NUJ. Viele LokaljournalistInnen kritisierten ein profitorientiertes Eigentumsmodell, welches zu Stellenabbau und der Schließung ganzer Zeitungen, nicht aber zu einem die Politik zur Verantwortung ziehenden Lokaljournalismus führte.

Medienkonzerne fürchten solche Debatten. Viele sind deshalb extrem betriebsratsfeindlich. Servus-TV, ein Fernsehsender des Salzburger Getränkeherstellers Red Bull, drohte im Sommer 2016 mit der Kündigung der gesamten Belegschaft, weil in ihren Reihen über eine Betriebsratsgründung nachgedacht wurde. Die Meinungsfreiheit der Belegschaften zählt in Medienkonzernen wenig bis nichts.

Arbeiterbewegung gefordert

Viele Menschen suchen derzeit nach Alternativen um ihren Informationsbedarf zu decken. Hier muss die internationale Arbeiterbewegung einhaken. Schon zu Beginn ihrer Geschichte hat sie sich um den Aufbau eigener Medien bemüht. Dahinter steckte die Erkenntnis, dass die Medien der Bosse niemals die Sichtweise der ArbeiterInnen wiedergeben werden. Auch zur Berichterstattung über Arbeiterkämpfe oder zur Verbreitung politischer Programme braucht es eigene Medien. Deshalb sind Zeitungen wie die „Solidarität“ unverzichtbar. Kauft, lest und schreibt für diese Zeitung!