Die Revolution in Ägypten muss weitergehen

Foto: http://www.flickr.com/photos/drumzo/ CC BY-NC-SA 2.0
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Für eine Regierung der ArbeiterInnen und Armen

Während der turbulenten Ereignisse Ende Juni, Anfang Juli diskutierte Aysha Zaki vom CWI mit sozialistischen OppositionsaktivistInnen in Kairo. Der folgende Bericht fußt auf diesen Gesprächen.

In diesem Sommer waren in Ägypten binnen drei Tagen 20 bis 25 Millionen Menschen auf den Beinen, „Revolutionäre Volkskomitees“ wurden wiederbelebt, Hunderte von unabhängigen Gewerkschaften traten für einen Generalstreik ein.

Genau aus diesem Grund schaltete sich dann die Armee ein und setzte Präsident Mohammed Mursi von der Muslimbruderschaft ab. Zum einen sollte damit einer rivalisierenden Gruppe ein Schlag versetzt werden, zum anderen wollte sie damit jedoch auch verhindern, dass der politische Kampf in die Betriebe getragen wird. Die Stärke der Bewegung trägt indes dazu bei, dass das Militär – zumindest im Augenblick – nicht den Anschein erwecken möchte, die Macht gänzlich an sich zu reißen.

Reaktion rechter Islamisten

Verschiedene AktivistInnen berichteten von der Beteiligung der zur weit rechts stehenden Nour-Partei gehörenden Salafisten an den Protesten für Mursi – während sich ihre Führer gleichzeitig mit dem Militär in Beratungen über die nächsten Schritte befanden. Die Nour-Partei ist jedenfalls darauf aus, sich als Alternative zu den bei vielen diskreditierten Muslimbrüdern zu präsentieren.

Als Hunderttausende Mursi-Anhänger auf die Straße gingen, kam es zu gewaltsamen Konfrontationen mit ihren Gegner-Innen. Laut etlicher Aktiver schritt die Armee in diesen Fällen erst ein, nachdem die Auseinandersetzung vorbei war.

Die aufgepeitschten reaktionären Stimmungen widerspiegelten sich auch in der großen Zahl von Gruppenvergewaltigungen und sexueller Gewalt gegen Aktivistinnen.

„Putsch“ oder „Revolution“?

Während die Zuversicht unter ArbeiterInnen und Jugendlichen durch die jüngsten Geschehnisse zunahm, muss die Linke eine deutlich Warnung aussprechen: Das Militär intervenierte ausschließlich zur Wahrung der eigenen Interessen. Den Generälen gehören nicht nur ganze Industriezweige, sondern insgesamt 40 Prozent der Wirtschaft. Abgesehen von der israelischen Armee gibt es kein Militär in der gesamten Region, das in diesem Ausmaß vom US-Imperialismus gestützt wird.

Wenn SozialistInnen vor den Folgen des militärischen Eingreifens warnen, dann hat das allerdings nichts gemein mit der Behauptung der Muslimbrüder, „der Putsch hätte eine durch Wahlen legitimierte Regierung gestürzt“. Schließlich ignorieren sie, dass die Armee erst als Reaktion auf über 20 Millionen Protestierende auf den Plan getreten war.

Unabhängige Gewerkschaften

Wenn ihnen Streiks zu bedrohlich werden sollten, dann wird das Militär auch wieder – wie auf dem Höhepunkt der Streikbewegung im Februar 2011 – direkt gegen Beschäftigte vorgehen.

Seitdem haben sich immer wieder Arbeitskämpfe überall im Land Bahn gebrochen. Verlangt wurde regelmäßig die Absetzung von Managern, Sicherheitskräften und korrupten Gewerkschaftsführern. Hauptsächlich wurden Lohnerhöhungen und bessere Arbeitsbedingungen gefordert, außerdem spielt die Frage der Sicherheit des Arbeitsplatzes eine große Rolle.

Hunderte unabhängige Gewerkschaften sind mittlerweile in den verschiedenen Teilen des Landes entstanden.

Weiterhin lebt die Hälfte der Bevölkerung in Armut. Während des Ramadan werden 30 Prozent höhere Fleischpreise als im Vorjahr erwartet. Ständig mangelt es an Strom und Wasser.

Die meisten Streiks fanden nach der Wahl von Mursi statt. Impulse kamen auch durch die voranschreitende Vernetzung der unabhängigen Gewerkschaften. Dieses Jahr wurde zudem der erste nationale Streik aller Strom-Beschäftigten organisiert.

Eine Partei von und für die Beschäftigten?

Dass sich Hamdin Sabahi von der „Partei der Würde“, ein „Nasserist“, mit den Militärs während der Putsch-Tage an einen Tisch setzte, enttäuschte viele seiner AnhängerInnen. Um so wichtiger ist es, auf die Gründung einer Arbeiterpartei mit sozialistischem Programm und demokratischen Strukturen hinzuwirken. Schließlich werden wie Mursi auch andere pro-kapitalistische Politiker und Parteien vor dem Internationalen Währungsfonds (IWF) einknicken und an der wirtschaftspolitischen Agenda von Husni Mubarak festhalten wollen.

Nunmehr existieren zwei offizielle Netzwerke beziehungsweise Föderationen von unabhängigen Gewerkschaften. Leider zeigen beide bislang keine Bereitschaft, zum Aufbau einer neuen Arbeiterartei aufzurufen. Demgegenüber will eine neue Formation, die in 35 Industrien vertreten ist, bei den nächsten Wahlen eigene Kandidat-Innen aufstellen. Es bleibt abzuwarten, wie sich dieser Ansatz weiterentwickelt, offensichtlich birgt er aber große Chancen.

  • Kein Vertrauen in die Generäle
  • Kein Vertrauen in pro-kapitalistische Politiker
  • Für den Aufbau und die Vernetzung von demokratisch organisierten unabhängigen Gewerkschaften und echten Revolutionskomitees von Beschäftigten, Armen und Jugendlichen
  • Für freie Wahlen zu einer revolutionären verfassungsgebenden Versammlung; für eine Mehrheitsregierung von Repräsentant-Innen der ArbeiterInnen, kleinen Bauern und den Armen zur Einführung sozialistischer Politik
  • Arbeit, Wohnraum, Bildung und Gesundheitsvorsorge für alle
  • Für die Überführung der Konzerne und Ressourcen in öffentliches Eigentum, demokratisch kontrolliert und verwaltet durch die arbeitende Bevölkerung
  • Für ein sozialistisches Ägypten und eine sozialistische Föderation in Nahost und Nordafrika auf freier und demokratischer Basis