„Kasten-System in Indien legitimiert barbarische Ausbeutung von ArbeiterInnen“

Europaparlamentsabgeordneter Paul Murphy von der Socialist Party in Irland

Über die Diskriminierung der Dalit und die Auswirkungen neoliberaler Reformen für arbeitende Menschen in Indien

von Paul Murphy, Mitglied des Europäischen Parlaments, „Socialist Party“ ( Schwesterorganisation der SAV und Sektion des CWI in Irland)

Das folgende Video (siehe Link weiter unten) zeigt den Beitrag des Europaparlamentsabgeordneten Paul Murphy von der „Socialist Party“ (Schwesterorganisation der SAV und Sektion des CWI in Irland) zum Thema der Diskriminierung der Dalit (Kaste der sogenannten „Unberührbaren“) und die Auswirkungen neoliberaler Reformen für arbeitende Menschen in Indien. Im Zusammenhang dazu steht auch der Umstand, dass sich in den vergangenen 15 Jahren in der Landwirtschaft 250.000 Menschen das Leben genommen haben. Paul Murphy nahm auch auf die Folgen ausländischer Direktinvestitionen etlicher bekannter Marken Bezug, die die Lebensgrundlagen der KleinhändlerInnen zerstören und 40 Millionen Arbeitsplätze in dieser Branche bedrohen. Schließlich verlieh Paul noch seiner Unterstützung für den 48-stündigen Generalstreik im Februar 2013 in Indien Ausdruck.

„Mr. President, beim Kasten-System handelt es sich um ein Überbleibsel aus der reaktionären Zeit des Mittelalters, das als Mittel der Teile-und-Herrsche-Strategie von verschiedenen herrschenden Klassen in Indien über die Jahrhunderte hindurch benutzt wurde. Es wurde vom britischen Imperialismus ausgenutzt, und seit der Unabhängigkeit greift die herrschende indische kapitalistische Klasse darauf zurück. Offiziell verbietet die indische Verfassung Diskriminierung aufgrund von Kasten-Zugehörigkeit. Gesetze sind allerdings das eine, die Realität sieht anders aus.

Immer wieder wird gegen Gesetze verstoßen, die eigentlich die Kasten-Diskriminierung und die Latrinenreinigung per Hand verbieten sollen. Hunderttausende weiblicher Dalit sind mit der Latrinenreinigung per Hand beschäftigt und nur 24 Prozent der weiblichen Dalit sowie Adivasi (Selbstbezeichnung der indischen indigenen Bevölkerung) können lesen und schreiben. Dass Ende November in Dalit-Wohnvierteln fast 300 Häuser niedergebrannt wurden und die Polizei nicht dagegen vorgegangen ist, zeigt, welchen Angriffen und Schikanen die sogenannten „Unberührbaren“ ausgesetzt sind.

Das Kasten-System ermöglicht und legitimiert Bedingungen, die zur wohl abscheulichsten und barbarischsten Form der Ausbeutung von ArbeiterInnen führen. Viele multinationale Konzerne, die ihren Hauptsitz in der EU haben, profitieren von diesem System durch die Ausbeutung der Billigstlohn-ArbeiterInnen. In den vergangenen 15 Jahren mussten wir erleben, wie 250.000 Bäuerinnen und Bauern in Folge der Zerstörung ihrer Lebensgrundlage Selbstmord begangen haben. In Indien ist eine radikale Landreform dringendst nötig, wozu auch die Zuteilung von Grundbesitz an Kleinbäuerinnen und -bauern gehören muss.

Vom Wachstum und der Entwicklung der indischen Volkswirtschaft in den zurückliegenden Jahren profitiert nur eine Minderheit der indischen Bevölkerung. In den vergangenen 20 Jahren, seit der erstmaligen Umsetzung aggressiver neoliberaler Reformen, wurden Millionen von Menschen weiter in die Armut und ins Elend abgedrängt. Die Idee von den ausländischen Direktinvestitionen durch sehr bekannte Markenfirmen wird für die weltgrößten Einzelhandelsketten zu einer wahren Goldgrube werden. Doch die daraus resultierenden Profite kommen nur auf Kosten der Masse an KleinhändlerInnen zu Stande. Diese Branche beschäftigt heute noch 40 Millionen ArbeiterInnen. Am meisten betroffen sein werden marginalisierte und ausgegrenzte Gruppen wie die „Unberührbaren“ bzw. Dalit.

Deshalb unterstützte ich ohne Vorbehalt den 48-stündigen Generalstreik in Indien, der kommenden Februar stattfinden soll. Ich möchte außerdem die indischen ArbeiterInnen und die dortige Gewerkschaftsbewegung ermutigen, für die vollständige Rücknahme des Mittels der ausländischen Direktinvestitionen in allen Wirtschaftszweigen einzutreten und den Widerstand gegen weitere neoliberale Reformen zu organisieren.“