Großbritannien: Auf dem Weg zum Generalstreik?

Gegen Sparpakete hilft nur kämpfen!

 „Wie oft muss es noch gesagt werden: Kämpfen funktioniert und Aktionen bringen Ergebnisse!“ Das rief John McInally, der stellvertretende Präsident der britischen Gewerkschaft für Staatsangestellte PCS am 11. September den Delegierten des Kongresses des britischen Gewerkschaftsbundes TUC in Brighton zu. John McInally ist außerdem Mitglied der SAV-Schwesterorganisation in England und Wales – der Socialist Party.

von Christian Bunke

 Mit seiner Rede unterstützte er einen Antrag der Gefängniswärtergewerkschaft POA. Diese fordert den TUC auf, gemeinsame Streiks verschiedener Gewerkschaften zu koordinieren und die Möglichkeit eines Generalstreiks zu prüfen.

Der TUC-Kongress und das NSSN

Für einen 24-stündigen Generalstreik hatten bereits am 9. September über 900 GewerkschafterInnen in Brighton lautstark demonstriert. Dazu aufgerufen hatte das „National Shop Stewards Network“ (NSSN), ein landesweites Netzwerk von kämpferischen Vertrauensleuten, in dem die Socialist Party eine wichtige Rolle spielt.

Nach der Demonstration gab es eine prall gefüllte Saalkundgebung. Jubel brandete auf, als die Versammlungsleiterin Linda Taaffe die Unterstützung der großen Gewerkschaft UNISON für den POA-Antrag bekannt geben konnte.

Noch am Abend des 8. September war der TUC-Vorstand in dieser Frage 16 zu 16 gespalten gewesen. Am 9. September wurde klar: Der TUC-Vorstand wird den Antrag mehrheitlich unterstützen. Das zeigt, dass organisierter Druck auch auf konservative Gewerkschaftsspitzen erfolgreich wirken kann.

Verhasste Regierung

Nun ist frischer Wind in den Kampf gegen die brutalen Einsparungen in Großbritannien gekommen. Der ist dringend nötig, denn die Lage ist ernst. Jede Woche öffnet in Großbritannien eine neue Suppenküche. 270.000 Beschäftigte des Öffentlichen Dienstes haben im vergangenen Jahr ihren Job verloren. 700.000 weitere Stellenstreichungen drohen. Dabei sind erst 20 Prozent aller Einsparungen umgesetzt.

Die britische Regierung ist schwach und unbeliebt. 80.000 Menschen schrien den Finanzminister George Osborne nieder, als dieser bei den Paralympischen Spielen Medaillen verteilen wollte. Das selbe passierte Premierminister David Cameron. Beide sind Millionäre in einem Regierungskabinett der Millionäre. Diese Regierungskoalition von Tories und Liberaldemokraten ist für eine Politik verantwortlich, die Hunderttausenden arbeitsunfähig geschriebenen Menschen ihre Beihilfen wegnimmt und sie in die Lohnarbeit abdrängen will.

2011 markierte die Wende

Doch bis jetzt konnte diese verhasste Regierung sich über Wasser halten. Daran ist nicht zuletzt der TUC mit schuld. Denn die Gewerkschaftsführer haben Ende 2011 eine machtvolle Bewegung gegen die Einsparungen abgewürgt.

2011 kam es nach der Großdemo vom 26. März und dem Streiktag vom 30. Juni am 30. November zu dem größten Streik, den das Land seit Generationen gesehen hatte. Alle Gewerkschaften im öffentlichen Sektor beteiligten sich daran. Zwei Millionen gingen nicht zur Arbeit, Hunderttausende demonstrierten gegen die Regierung. Viele Städte erlebten die größten Gewerkschaftsdemonstrationen seit Jahrzehnten.

Das zusammenführende Thema des Streiks war die Frage der Renten im öffentlichen Sektor. Die Regierung wollte die Beschäftigten länger arbeiten lassen, sie zu höheren Beitragszahlungen verpflichten und am Ende des Berufslebens eine verringerte Rente auszahlen. Trotz des erfolgreichen Streiks stimmten einige Gewerkschaften genau diesen Verschlechterungen zu. Die einheitliche Front gegen die Rentenkürzungen wurde so gespalten. Jubelnde Politiker der Regierungskoalition konnten im Parlament ihren „Sieg“ über die Gewerkschaften verkünden.

Mehrere Punktsiege

Trotzdem kam es immer wieder zu Kämpfen. Die PCS konnte durch Streiks Tausende Jobs bei verschiedenen Behörden sichern und sogar neue hinzugewinnen. In London gewannen die BusfahrerInnen Bonuszahlungen für geleistete Überstunden am Vorabend der Olympischen Spiele. Und nicht zuletzt verhinderten britische Strom-Beschäftigte mit einer kämpferischen Kampagne die Zerschlagung ihres Tarifvertrages. Klassenkämpfe gehören wieder zur britischen Lebensrealität.

Der TUC-Kongress nahm den Antrag zur Prüfung eines Generalstreiks mit großer Mehrheit an. Nun gilt es dafür zu sorgen, dass er nicht in den Papierkörben der Gewerkschaftsbürokratie landet. Deshalb organisieren Socialist Party und NSSN eine große Kampagne mit der Forderung: Name the Date – Legt einen konkreten Termin für den Generalstreik fest!