Am 11. September gingen in Barcelona Millionen von Menschen auf die Straße

Foto: flickr.com/dgperis CC BY-ND 2.0

Weiterer Tiefschlag für die Regierung der konservativen „Partido Popular“ (PP)

Eine erstaunliche Masse von zwei Millionen Menschen überschwemmte am Samstag, dem 11. September, die Straßen von Barcelona. Damit handelte es sich um die größte Demonstration für katalanische Unabhängigkeit, die es bis dato am „Diada“, dem katalanischen Nationalfeiertag, gegeben hatte. Diese Demonstration und eine derart massive Zunahme an nationalistischen und gegen Madrid gerichteten Gefühlen, die sich darin ausdrücken, sind ein weiterer schwerer Schlag für die Regierung Rajoy. Für seine Versuche, eine brutale Kürzungspolitik durchzuziehen und somit die Aasgeier des Marktes zu befriedigen, ist das wie ein zusätzlicher Sargnagel. Nur einen Tag vor dieser Massendemonstration hatte Rajoy noch ablässig zu den zunehmenden nationalen Bestrebungen in Katalonien Stellung bezogen, was dann überall zu lesen war und natürlich dazu beitrug, dass die Menge an DemonstrantInnen noch viel entschlossener als vorher schon auftrat.

Bericht von „Socialismo Revolucionario“ (Schwesterorganisation der SAV und Sektion des CWI in Spanien), Barcelona, der Bericht erschien am 13. September 2012

Die diesjährige Demonstration wurde in hohem Maße von der konservativ-nationalen Regierung unter der CIU gefördert. Sie haben die regional-nationalistische Karte ausgespielt, um die Verhandlungen mit der Zentralregierung der konservativen PP in Madrid zu beeinflussen, obgleich sie selbst schwerwiegende Kürzungsmaßnahmen in Katalonien selbst umsetzen, die sogar noch über das hinausgehen, was Madrid bisher tut. Dennoch wäre es falsch die Schlussfolgerung zu ziehen, dass diese Demonstration eine Manifestation für die CIU gewesen ist. Das war absolut nicht der Fall. In Wirklichkeit unterstützen so viele „einfache“ KatalanInnen die Idee von der Unabhängigkeit, weil sie sowohl gegen die Wirtschaftspolitik der spanischen PP aber auch gegen die der katalanischen CIU sind. Und abgesehen davon will die CIU-Führung nicht wirklich die katalanische Unabhängigkeit sondern nutzt dies nur als Drohkulisse, sollten ihre Forderungen, ein größeres Stück vom Kuchen für die katalanische herrschende Klasse abzubekommen, nicht in Erfüllung gehen.

Die Demonstration hatte einen sehr breit gefächerten Charakter, und alle gesellschaftlichen Schichten waren vertreten. In einigen Gegenden kam es auch zur Aufstellung anderes zusammengesetzter Demonstrationen, darunter auch einige Züge, die von linken Gruppen organisiert worden waren, die sich selbst von der Haupt-Demo und deren Verbindung zur Regionalregierung abgrenzen wollten. Auch muss insgesamt der widersprüchliche Geist der Demonstration betont werden. Und dennoch bekam man einen Geschmack davon, welche Prozesse sich derzeit in der katalanischen Gesellschaft abspielen.

Bei dem Argument der CIU, dass „der spanische Staat uns Geld raubt“, handelt es sich nur um eine spalterische Taktik, die darauf ausgerichtet ist, die eigene gesellschaftliche Basis zu verbeitern zu wollen. Außerdem will man so auf zynische Art und Weise aus den real vorhandenen nationalen Bestrebungen vieler KatalanInnen Kapital schlagen. Doch das richtet sich nun gegen die CIU selbst, weil die nationalen Bestrebungen – mit einer Demo, die auf Grundlage der ausdrücklichen Forderung nach Unabhängigkeit zustande kam – weiter gehen, als es ihnen lieb sein kann.

Innerhalb der katalanisch-nationalen Bewegung findet die riesige Bewegung gegen die Kürzungen ihren Ausdruck. Was das angeht bietet das Zutagetreten national-katalanischer Empfindungen großen Möglichkeiten, um die Arbeiterbewegung weiter zu entwickeln. Das alles zeigt, wie groß das Unbehagen in Katalonien gegenüber Strukturen des spanischen Staates – aber auch des Kapitalismus ist. Und doch birgt dies auch Gefahren. So ist es möglich, dass der Kampf sich gerade wegen der nationalen Bestrebungen zerfasert und Illusionen aufgebaut werden, die Unabhängigkeit an sich schon könne ein Weg sein, um die fundamentalen Probleme der katalanischen ArbeiterInnen und Jugendlichen zu beheben. Auf der Grundlage eines unabhängigen aber kapitalistischen katalanischen Staates gibt es keine Lösung für die Krise. Die Lösung der Krise liegt in der Einheit der katalanischen Arbeiterklasse mit den Arbeiterbewegungen aus anderen Regionen und Nationen innerhalb des spanischen Staates und darüber hinaus in Europa. In dieser Hinsicht liegt der Schlüssel darin, den Kampf um Selbstbestimmung mit dem Kampf gegen Kürzungen und Kapitalismus zu verbinden. Und das ist unter der Fuchtel von CIU oder den katalanischen Kapitalisten eindeutig nicht möglich.

Es kann nicht bestritten werden, dass der Wunsch nach Unabhängigkeit zunimmt und dass das auf historische Probleme zurückzuführen ist, die weiterhin ungelöst sind. Diese historischen Probleme sind im Zuge der stürmischen Entwicklungen um die Krise des Weltkapitalismus aber wieder zurück an die Oberfläche gekommen. Wir verteidigen die demokratischen Rechte Kataloniens, wozu auch das Recht auf Selbstbestimmung und Unabhängigkeit zählen muss. Wichtig ist, dass auch die nationalen Minderheiten ihre demokratischen Rechte gewahrt sehen. Doch der Weg nach vorn liegt einzig im vereinten Kampf der katalanischen, spanischen und aller ArbeiterInnen im gesamten Staatsgebiet. Ziel muss es sein, zu einem sozialistischen Katalonien als Teil einer Föderation demokratisch-sozialistischer Staaten ganz Spaniens und Europas zu kommen.