„Politischer und kultureller Widerstand waren angesagt”

Interview mit Rolf Becker, Schauspieler und Mitglied des ver.di-Ortsvereinsvorstands des Fachbereichs Medien Hamburg. Das Gespräch führte Fabian Thiel


 

Gemeinsam mit der Autorin Daniela Dahn, dem Komponisten Christof Herzog und anderen hast du einen „Künstleraufruf gegen Dussmanns Geschäftspolitik” verfasst. Wie kam es dazu und warum gerade eine Initiative von Künstlern gegen die CFM-Verantwortlichen?

An ihrem 57. Streiktag hatten die aus der Charité ausgegliederten und dadurch um Tarifvertrag und angemessene Löhne geprellten Kolleginnen und Kollegen der Charité Facility Management GmbH (CFM) – Krankenwagenfahrer, Küchenpersonal, Mechaniker, Wachleute, Gebäudereinigerinnen und Gebäudereiniger – zu einer öffentlichen Streikversammlung in die ver.di-Bundeszentrale eingeladen. Die zahlreichen Redebeiträge und Solidaritätserklärungen im überfüllten Saal wurden aufgelockert durch künstlerische Darbietungen. Das lag nahe, weil zu den Teilhabern der neugegründeten CFM neben dem Land Berlin, dem 51 Prozent gehören, und Konzernen wie VAMED und Hellmann auch die Dussmann-Gruppe gehört, die das sogenannte „Kulturkaufhaus“ in der Friedrichstraße betreibt.

Für Kultur werben, um mit Dumpinglöhnen bessere Geschäfte zu machen, das war die eine Herausforderung. Die andere lieferte der Berliner Senat, ohne den die Ausgliederung und die Dumpinglöhne nicht durchsetzbar gewesen wären. Politischer und kultureller Widerstand waren also angesagt – so kam es in Zusammenarbeit mit dem Streikkomitee zu unserem Aufruf.

Der Streik an der CFM ist vorläufig vorbei, was ist deine persönliche Bilanz?

Der Streik ist ausgesetzt – ob er fortgesetzt werden muss, entscheidet sich in den Verhandlungen über den von den Streikenden geforderten Tarifvertrag und ihre Wiedereingliederung in die Charité; ob er fortgesetzt werden kann, ist nicht zuletzt eine Frage praktischer Solidarität – nicht nur in Form von Erklärungen, auch wenn die gelegentlich ermutigend wirken. Also auch eine Herausforderung für die Gewerkschaften, die politische Auseinandersetzungen scheuen. Es bedarf hier aber der politischen Mobilisierung, weil die Herausforderung eine politische ist. Mit den Mitteln des Lohnkampfes ist einem Senat und Unternehmerkonsortium, die politisch angreifen, auf die Dauer nicht beizukommen.

Immer mehr Lohnabhängige haben es mit Niedriglöhnen wie bei der CFM zu tun. Was sagst du zu dieser Entwicklung?

Die Antwort auf diese Frage haben die Streikenden mit ihrer Resolution vom 7. November, verabschiedet auf der schon erwähnten Versammlung im ver.di-Haus, gegeben: „Der Streik bei CFM hat Bedeutung über die Charité hinaus. Ein Erfolg würde vielen KollegInnen aus anderen Betrieben und Branchen, die unter prekären Verhältnissen und ohne Tarifvertrag arbeiten müssen, Mut machen, auch selbst für ihre Rechte aktiv zu werden. Das wollen die Unternehmer und ihre politischen Fürsprecher verhindern. Deshalb: Unterstützt den Arbeitskampf der CFM-Belegschaft! Wehren wir uns gemeinsam gegen die Praxis der Ausgliederungen zur Zementierung und Ausweitung des Billiglohnsektors!“

Es geht – auch der Gegenseite – nicht mehr nur um die CFM. Es geht um das System der Billig- und Dumpinglöhne, in letzter Konsequenz um das Lohnsystem selbst. Eine Frage des Kräfteverhältnisses, das es zu verändern gilt. Wir müssen unsere Schwäche überwinden. Die CFM-KollegInnen haben mit ihrem mehr als 13-wöchigen Streik ein Beispiel gegeben, das der Verbreitung bedarf.