Der Arbeitgeber ist unter Druck – Jetzt entschieden weiter machen

Flugblatt der SAV Berlin zum Streik der Charité-KollegInnen


 

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

eure ersten Streiktage waren ein großer Erfolg. Der Arbeitgeber ist schon nach zwei Tagen unter massivem Druck, weil er erhebliche Verluste aufgrund eures Streiks hat. Fast alle OP-Säale dicht, ein knappes Drittel aller Betten bestreikt, geschlossene Rettungsstellen und und und. Allein die ausgefallenen OPs kosten die Charité täglich 500.000 Euro!

Eure Entschlossenheit und Selbstbewusstsein waren auf der Kundgebung am Dienstag unüberhörbar. „Das einzige, was uns rettet, ist unser Widerstand,“ rief Carsten Becker gestern bei der Demo und bekam dafür frenetischen Applaus. Eure Kampfbereitschaft macht KollegInnen in anderen Krankenhäusern Mut, wie gestern auf der Demo Vertreter von Vivantes und anderen Häusern berichteten. Die Bevölkerung ist sehr solidarisch mit eurem Streik, was sich auch in einer bisher durchweg positiven Medienberichterstattung niederschlägt.

Die erste Reaktion des Arbeitgebers, euch eine Angleichung der Gehälter bis 2017 anzubieten ist eine bodenlose Frechheit. Die 300 Euro müssen voll durchgesetzt werden. Eine Angleichung bis 2017 würde bedeuten, euch jedes Jahr ein Sechstel zuzugestehen und euch von der bundesweiten Lohnentwicklung weiter abzukoppeln. Dafür seid ihr nicht in den Streik getreten! Es ist richtig, dass der Streik trotz Gespräche fortgesetzt wird. Der Arbeitgeber hat ein Interesse daran, dass ihr euren Arbeitskampf unterbrecht, weil er hofft damit eure Dynamik bremsen zu können. Es ist richtig, dass Bettina Weitermann von ver.di am Dienstag verkündete, dass die Arbeitskampfmaßnahmen nicht unterbrochen werden und dass die KollegInnen über alles informiert werden und dann demokratisch entschieden werden soll, ob verhandelt wird. Aber auch wenn verhandelt werden sollte: Es ist wichtig, den Druck von unten aufrecht zu erhalten durch eine Fortsetzung des Streiks.

Den Streik weiter stärken

Euer Streik wird noch stärker, wenn sich mehr KollegInnen als bisher in den Diskussionen über die Streikstrategie und Ablauf einbringen. Setzt euch auf den Stationen und Abteilungen zusammen und diskutiert, wie der Streik läuft und wie er ausgeweitet werden kann. Aber auch das gemeinsame tägliche Streikplenum ist wichtig. Dies sollte nicht nur genutzt werden, um alle KollegInnen zu informieren und Transparenz über den Streikablauf herzustellen (was bisher schon sehr gut funktioniert), sondern auch dazu, dass sich KollegInnen einbringen in die Debatte, wie es weitergehen soll und ein wirklicher Austausch stattfindet. Das Streikplenum soll auch der Ort sein, an dem gemeinsam entschieden wird, das gilt besonders für den Fall wenn ein Angebot des Arbeitgebers vorliegt.

Das Streikplenum ist auch geeignet, um zu diskutieren, wie man es erreichen kann, noch mehr KollegInnen der CFM in den Arbeitskampf einzubeziehen und der Drohung des Arbeitgebers etwas entgegen zu setzen. Wenn es nicht gelingt zeitgleich einen Tarifvertrag für die CFM-KollegInnen durchzusetzen, wird das negative Auswirkungen auf alle KollegInnen haben. Dann weiß der Arbeitgeber, dass sie weiter ausgründen können und weiter Tarifflucht und Lohndumping betreiben können. Viel die heute noch unter den Tarifvertrag der Charite stehen, stehen es morgen vielleicht nicht mehr. Damit muss Schluss sein! Die stärkste Waffe die wir haben, ist unsere Solidarität!

Mehr KollegInnen einbeziehen

Um euren Streik noch effektiver und wirkungsvoller zu machen, ist es wichtig ist, dass sich jetzt noch mehr KollegInnen als bisher aktiv in den Streik einbringen. Am Virchow und in Mitte wurden bereits die ersten Transpis und Plakate gemalt. In Mitte gingen am Montag viele Trupps über die Stationen, um das Bestreiken von noch mehr Betten zu erreichen. Es gibt Flugblätter, die sich an Patienten und die Berliner Bevölkerung richten, die von Trupps von KollegInnen in der Innenstadt verteilt werden können. Je mehr ihr in die Öffentlichkeit geht und über die Gründe für euren Streik informiert, desto größer wird die Solidarität mit euch und desto höher wird der Druck auf die Geschäftsleitung und den rot-roten Senat.

Viele wissen nicht, dass an der Charité Löhne gezahlt werden, die weit unter dem Niveau der Löhne bei Vivantes und dem Bundesniveau liegen. Viele wissen auch nicht, dass unter Rot-Rot die CFM ausgegründet wurde und ihnen ein Tarifvertrag verwehrt wird. Das geschieht unter einem Senat, der sich mit einem Vergabegesetz brüstet, demzufolge öffentliche Aufträge nur zu einem Stundenlohn von 7,50 Euro vergeben werden dürfen. Auch bei den Gewinngarantien an die privaten Anteilseigner der Berliner Wasserbetriebe, RWE und Veolia oder bei der Beteiligung Berlins am „Bankenrettungspaket”, hat der Senat offenbar das Motto „es ist kein Geld da“ kurzerhand vergessen.

Es muss endlich Schluss sein mit Tariffflucht und Lohndumping. Das kann man Wowereit und Wolf auch deutlich machen, in dem man vorm Roten Rathaus oder den Parteizentralen demonstriert.

ver.di Berlin sollte eine Kampagne starten, um euren Streik berlinweit bekannt zu machen und Plakate in Solidarität mit eurem Streik zu kleben. Delegationen von Charité-KollegInnen könnten KollegInnen anderer Betriebe besuchen und über den Streik informieren und die KollegInnen zur Solidarität auffordern.

Das ganze System ist krank

Die Politik der Bundesregierung ist nicht darauf ausgerichtet, das Gesundheitssystem zu verbessern. Im Gegenteil: Alle letzten Gesundheitsreformen – egal ob unter Rot-Grün, Große Koalition oder jetzt Schwarz-Gelb machen die Menschen kränker und ziehen uns das Geld aus der Tasche. Wir Versicherte sollen immer mehr draufzahlen, während die Arbeitgeber immer weiter einseitig entlastet werden und die Pharmaindustrie Milliardengewinne einfährt. Die Beschäftigten in den Krankenhäusern schuften immer mehr unter Arbeitsbedingungen, die sie krank machen.

Über 150.000 Arbeitsplätze sind in den letzten zehn Jahren in den Krankenhäusern vernichtet worden, davon 50.000 in der Pflege. Dringend notwendig ist ein Ausbau statt des Abbaus der Personalversorgung. Dazu gehört ein bundesweiter Tarifvertrag zur Personalbemessung und die Stärkung der Finanzierung des Gesundheitswesen bezahlt durch eine einseitige Erhöhung der Arbeitgeberbeiträge. Alle geplanten Privatisierungsschritte und Ausgründungen gehören gestoppt. Bereits privatisierte Kliniken müssen wieder in öffentliches Eigentum überführt werden.

Egal wo wir hinschauen: Das Gesundheitssystem ist ein Krankheitssystem. Es geht nicht darum, Kranken und Hilfsbedürftigen zu helfen. Es geht um Wettbewerb, Profit und Macht. Es ist doch Wahnsinn, dass sogar öffentliche Krankenhäuser sich im Wettbewerb behaupten müssen!

Der Patient wird zum Kunden. Nicht seine Gesundheit interessiert, sondern die Ausbeutung seiner Krankheit für den Profit. Absurderweise wird es „profitabel“, wenn ein Mensch krank wird.

Mit den Fallpauschalen wird der Preis der Gesundheit eines Menschen genau wie jede andere Ware kalkuliert und berechnet. Der damit verbundene Wettbewerb führt zu Überversorgung bei Behandlungen, die sich „lohnen“ und Unterversorgung bei Behandlungen, die sich nicht „lohnen“.

Ursache Kapitalismus

Der Grund für diese Mängel liegt nicht daran, dass sie noch niemand erkannt hat, sondern darin, dass der Kapitalismus nicht darauf abzielt, die Bedürfnisse der Menschen und der Natur zu befriedigen, sondern Profite zu generieren.

Das ist nicht nur im Gesundheitswesen der Fall, sondern auch in anderen Bereichen: Auch nach Fukushima sind weitere 130 Atomkraftwerke in Planung oder werden gerade gebaut. Unser Klima wird weiter zerstört. Für Öl werden immer noch Kriege geführt. Trotz immensem Reichtum wächst die Schere zwischen Arm und Reich weiter an. Was für ein Irrsinn!

Uns wird immer erzählt, es sei kein Geld da für bessere Bildung oder Gesundheitsversorgung. Gleichzeitig wurden den banken Milliarden in den Rachen geworfen und den Hoteliers Steuergeschenke gemacht. Wir leben in einem System, in dem fünf Euro mehr für ALG-II-Empfänger nicht drin sind und gleichzeitig die Unternehmenssteuern gesenkt und auf eine Vermögenssteuer verzichtet wird.

Aber: Wenn dieses System unseren Interessen nach guter Versorgung, einem sicheren Arbeitsplatz, umweltschonender Produktion und einer Zukunft für unsere Kinder entgegenläuft, müssen wir uns nach Alternativen umsehen. Wenn nach den Bedürfnissen von Mensch und Umwelt produziert werden soll, muss die Macht der Banken und Konzerne gebrochen und Großunternehmen in öffentliches Eigentum überführt werden, die demokratisch kontrolliert und verwaltet werden. Nötig ist eine sozialistische Veränderung der Gesellschaft. Erst dann können Bedingungen entstehen, die Krankheiten vermeiden und optimal heilen.

Damit ist klar, die Frage einer Alternative zum kranken Kapitalismus ist eine politische Frage. Aber die Profituere des Kapitalismus werden nicht einfach ihre Meinung ändern, dazu müssen wir uns organisiseren und sie zwingen. Eine kämpferische sozialistische Partei von ArbeitnehmerInnen, Arbeitslosen und Jugendlichen ist nötig. SAV-Mitglieder setzen sich in der Partei Die LINKE für solche Positionen ein.