Grüne Zukunft?

Zum Aufschwung der Partei „Die Grünen“


 

Nach Fukushima scheint sich der Höhenflug der Grünen ebenso ungebremst fortzusetzen wie der Absturz der FDP. Sie waren der einzige Gewinner der Landtagswahlen in Rheinland-Pfalz und in Baden-Württemberg, wo Winfried Kretschmann der erste „grüne“ Ministerpräsident eines Bundeslandes wird. Was sind die Ursachen dieser Entwicklung, was ist von neuen rot-grünen (oder grün-roten) Regierungen zu erwarten und welche Rolle spielt DIE LINKE dabei?

von Heino Berg, Göttingen

Der Neuaufschwung der sogenannten „Öko-Partei“ spiegelt zunächst vor allem die Wut der Bevölkerung auf die Regierungsparteien, die das Land den Kapitalbesitzern als Selbstbedienungsladen andienen.

Ursachen

Mit Ausnahme von Bremen waren die Grünen in der Opposition und konnten von dieser Unzufriedenheit profitieren, während die Milliardengeschenke der SPD an die Banken in der Großen Koalition noch frischer in Erinnerung sind. Die Grünen haben diese Politik jedoch ebenso mitgetragen wie die Hartz-Gesetze oder die Kriegseinsätze der Bundeswehr, sparten jedoch nicht mit Einzelkritik daran.

Das gilt vor allem für das historische Markenzeichen der Grünen, ihre Forderung nach einem Ausstieg aus der Atomenergie, die heute auch von Teilen anderer bürgerlicher Parteien unterstützt wird. Dabei haben die Grünen in der Bundesregierung durch ihren Deal mit den Atomkonzernen das Abschalten der Meiler verhindert und damit ihre „Unschuld“ sogar in der Atomfrage verloren. Erst die nachträgliche Verlängerung der Laufzeiten durch Schwarz-Gelb erlaubte es ihnen, sich mit der Forderung nach Rückkehr zum Atomk(n)onsens als Scheinopposition aufzuspielen. Diese Erfahrungen sind durch die Ereignisse in Japan vielleicht in den Hintergrund gedrängt, aber keineswegs vergessen.

Daher konnte auch der Aufschwung der Grünen die „Verdrossenheit“ gegenüber den etablierten Parteien nicht umkehren. Nur wenn – wie in Baden-Württemberg – der Sturz einer besonders verhassten schwarz-gelben Landesregierung möglich erschien, stieg die Wahlbeteiligung. Im Gegensatz zu ihrer Gründungsphase genießen die Grünen auch in der Anti-AKW-Bewegung weniger Vertrauen. Ihre soziale Basis besteht unter anderem aus den „besserverdienenden“ Mittelschichten, die früher durch die „sozialliberale“ FDP gebunden wurden – und ist damit ebenso instabil.

Regierungsperspektiven

Besonders gefährdet ist der Rückhalt der Grünen dort, wo ihre Politik in Regierungskoalitionen erneut einem Praxistest unterzogen wird. Sollte unter einem grünen Ministerpräsidenten in Baden-Württemberg das Spekulationprojekt Stuttgart 21 durchgezogen werden, stehen Kretschmann und die Grünen als Wortbrüchige da. Daran können auch Regierungskompromisse über Stresstests und Volksentscheide nichts ändern. Hinzu kommen die sozialen Fragen, denen die Grünen in der Opposition noch ausweichen konnten. Die Wertverluste des EnBW-Aktienpakets bei einer Abschaltung von Atommeilern und die Folgen der sogenannten „Schuldenbremse“, der die Grünen ja zugestimmt haben, wird die grün-rote Landesregierung mit Sozialkürzungen und Stellenstreichungen auf die Bevölkerung abwälzen.

Wer die Reichen und Kapitalbesitzer nicht für die Krise zur Kasse bitten will, muss der Mehrheit der Bevölkerung die Rechnung präsentieren. In Bremen hat sich unter der grünen Finanzsenatorin Caroline Linnert die öffentliche Armut katastrophal gesteigert. Nun will sie sogar die Übernahme des kläglichen bundesweiten Abschlusses der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) verweigern. Rot-grüne Landesregierungen setzen den Sozial- und Stellenabbau ähnlich brutal um wie die „rot-roten“ Koalitionsregierungen in Berlin und in Brandenburg.

Die Rolle der LINKEN

Die Wahlergebnisse der Grünen sind weniger ein Vertrauensbeweis für deren Politik als ein „Armutszeugnis für DIE LINKE“, wie es in der Erklärung der „Antikapitalistischen Linken“ in NRW heißt. Die Linkspartei wurde nicht als grundsätzliche Alternative zum bürgerlichen Parteienkartell wahrgenommen, sondern als der parlamentarisch schwächste Teil desselben.

In der Mobilisierung gegen Stuttgart 21 war sie ebenso wenig mit eigenen Perspektiven und Initiativen sichtbar wie in der Massenbewegung für die sofortige Abschaltung aller Kernkraftwerke. Obwohl sich nach Fukushima Hunderttausende gegen die Atommafia engagiert haben, verzichtete die Führung der LINKEN in ihren ersten Reaktionen fast vollständig auf die Forderung, die AKW-Betreiber endlich zu entmachten und zu enteignen. Erst jetzt mehren sich Stimmen und Ratsanträge aus der LINKEN, die eine Rekommunalisierung der Energiekonzerne auf die Tagesordnung setzen. In den Landtagswahlkämpfen hat sich DIE LINKE eher als Mehrheitsbeschafferin für SPD und Grüne angedient – und damit tendenziell überflüssig gemacht.

Die Konsequenz aus ihren ernüchternden Wahlergebnissen kann deshalb nur in einem antikapitalistischen Kurswechsel bestehen, anstatt weiterhin Regierungsbündnisse mit Parteien zu befürworten, die – wie die Grünen – zum Bruch mit dem Kapital nicht bereit sind.