Revolution in Nordafrika und dem Nahen Osten

Ist die ägyptische Revolution beendet oder hat sie erst begonnen?


 

Für die bürgerlichen Politiker und Medien ist die Revolution in Ägypten abgeschlossen. Aus ihrer Sicht war die ägyptische Revolution eine klassenübergreifende, politische Revolution zur Verwirklichung bürgerlicher Freiheiten. Sie wurde vor allem von der Jugend getragen, die sich über das Internet und virtuelle soziale Netzwerke organisierte, war also eine „Facebook-Revolution“. Parteivorstand und Fraktion der LINKEN haben sich bisher nicht zum Charakter der Revolution, zu ihren sozialen Triebkräften und Perspektiven geäußert, und lassen somit die bürgerlichen Auffassungen unwidersprochen.

von Claus Ludwig, Köln

Soziale Netzwerke dienten zwar als effektive Vehikel der Kommunikation, tatsächlich ist die Revolution aber nicht von Facebook gemacht worden. Die ägyptische Revolution ist zu großen Teilen das Ergebnis massiver Klassenkämpfe seit 2004, die einen ersten Höhepunkt im Streik der 27.000 ArbeiterInnen der Textilfabrik in Mahalla 2006 hatte. Der britische „Guardian“ schrieb am 10. Februar: „Der wohl am stärksten unterschätzte Faktor beim Sturz der autoritären Regime von Ben Ali in Tunesien und der Schwächung von Husni Mubaraks Kontrolle über die Staatsmacht in Ägypten sind die Gewerkschaften in beiden Ländern. Während die Medien über die sozialen Netzwerke wie Facebook und Twitter als revolutionäre Methoden der Mobilisierung berichtet haben, war es die altmodische Arbeiterklasse, welche das Aufblühen der Pro-Demokratie-Bewegungen ermöglichte.“

Die Arbeiterklasse wurde dadurch befeuert, dass große Schichten der Jugend, die prekär beschäftigt oder prekär selbstständig sind, in den Kampf für die Verbesserung der sozialen Verhältnisse und gegen die staatliche Repression hineingezogen wurden. Paul Amar von der Universität von Kalifornien schreibt auf der Website jaddaliya.com: „Dieser Aufstand entwickelte sich langsam über das Zusammenkommen von zwei parallelen Kräften: Der Bewegung für Arbeiterrechte in den neu belebten Fabrikstädten und Mikro-Sweatshops Ägyptens, vor allem in den letzten zwei Jahren; und der Bewegung gegen Polizeibrutalität und Folter, die jede Gemeinde in den letzten drei Jahren bewegte. Ein wichtiges Element beider Bewegungen ist die massenhafte Teilnahme und die führende Rolle von Frauen jedes Alters und von Jugendlichen beiderlei Geschlechts.“

Die Rolle der Arbeiterklasse war auch auf dem Höhepunkt dieser politischen Revolution zentral und neben der Besetzung des Tahrir-Platzes durch die Massen und dem Übergehen von Soldaten und Offizieren auf die Seite des Aufstandes der entscheidende Faktor, der das Regime zwang, Mubarak zu opfern. In den Tagen vor dessen Rücktritt hatte sich eine massive Streikbewegung entwickelt. Diese Bewegung, so fürchtete die Militärspitze, würde sich zu einem Generalstreik ausweiten, der in seinen Forderungen weit über den Sturz des Diktators hinausgehen und das ganze Regime bedrohen könnte.

Auch nach dem Sturz Mubaraks spielt die Arbeiterklasse eine zentrale Rolle. In vielen Betrieben kommt es zu Streiks. Gefordert werden höhere Löhne, die Entlassung korrupter Manager, die Offenlegung der Bücher, die Festeinstellung von befristet Beschäftigten. In vielen Fällen erfüllt das Management die Forderungen sofort, um eine Ausweitung und Politisierung der Streiks zu verhindern. Bei Coca Cola in Helwan wurden erst Zusagen gemacht, dann wieder gebrochen. Die ArbeiterInnen streikten erneut und setzten ihre Forderungen im zweiten Anlauf durch.

Fortschritte im Kapitalismus?

Es stellt sich die Frage, ob sich die ägyptischen ArbeiterInnen auf längerfristige Erfolge im Rahmen eines sich entwickelnden Kapitalismus einstellen können. Das würde zur Voraussetzung haben, dass sich in Ägypten die Kapitalistenklasse als fähig erweist, die feudalen Elemente des Landes zu überwinden, die Wirtschaft zu entwickeln und Zugeständnisse ähnlich denen der Nachkriegsperiode in Europa zu machen.

Diese Perspektive – erst Überwindung von Feudalismus und der Abhängigkeit vom Imperialismus, Aufbau eines „unabhängigen“, nationalen Kapitalismus, in dem die Arbeiterklasse die Rolle einer oppositionellen, aber mit der bürgerlichen Entwicklung übereinstimmenden Klasse spielt und durch Druck Fortschritte erreicht – entspricht der klassischen Sichtweise der Sozialdemokraten, Reformisten und Stalinisten.

Auch die „Kommunistische Partei Ägyptens“ macht sich diese sogenannte Etappentheorie zu eigen. Sie stellt drei zentrale Forderungen auf: „1. Sturz Mubaraks und Bildung eines Präsidialrates für eine befristete Übergangszeit, 2. Bildung einer Koalitionsregierung, die die Geschäfte des Landes während dieser Frist führt, 3. Aufruf zur Bildung einer gewählten, verfassunggebenden Versammlung, um eine neue Verfassung für das Land zu entwerfen, die auf dem Prinzip der nationalen Souveränität beruht und die den Machtwechsel im Rahmen eines laizistischen demokratischen Rechtsstaates sichert.“

Doch in keinem ehemals kolonial beherrschten Land war die historisch zu spät gekommene bürgerliche Klasse in der Lage, den Feudalismus und die Abhängigkeit vom Imperialismus im Rahmen des Kapitalismus zu überwinden. Die klassische kapitalistische Entwicklung der Abschaffung feudaler Verhältnisse durch eine revolutionäre Bourgeoisie wie in Frankreich und England konnte nicht wiederholt werden. Selbst in den erfolgreichsten „Schwellenländern“, wie Brasilien oder in Indien, sind nicht einmal die grundlegenden Aufgaben der bürgerlichen Revolution gelöst worden. Große Teile der Landbevölkerung leben in bitterster Armut, die Herrschaft der Großgrundbesitzer ist ungebrochen. In vielen Ländern sind zudem kaum demokratische Rechte vorhanden, die nationale Frage bleibt ungelöst. In Ägypten arbeiten noch immer 27 Prozent der Beschäftigten in der Landwirtschaft, die meisten als Kleinstbauern, oft auf dem technischen Stand des Mittelalters.

Militärische Kapitalisten

Die erste Phase der – vermeintlich – bürgerlichen Revolution in Ägypten entwickelte sich im Widerstand gegen die britische Kolonialherrschaft und deren Hinterlassenschaft. Die „Freien Offiziere“ unter Gamal Abdel Nasser übernahmen 1952 die Macht und redeten auch von „Sozialismus“. In Wirklichkeit versuchte die militärische Führungsschicht stellvertretend für die schwache Kapitalistenklasse, die Entwicklung eines modernen Kapitalismus nachzuholen. Trotz anfänglicher Erfolge, unter anderem durch umfassende Verstaatlichungen, blieb diese Modernisierung stecken.

Unter seinen Nachfolgern Anwar el-Sadat und Mubarak wurden staatliche Betriebe privatisiert und Reformen zurückgedreht. Der vom Regime praktizierte Neoliberalismus in enger Anbindung an die USA kam mit der feudalen Unterentwicklung zusammen und verstärkte das Massenelend.

Das Militär selbst wurde zu einem zentralen wirtschaftlichen Faktor, eignete sich Betriebe an, und verschmolz organisch mit den Kapitalisten und Feudalherren. Viele höhere Offiziere sind auch familiär mit dem Mubarak-Regime verbunden, es existiert ein „ökonomisch-militärischer Komplex“, der bis zu 25 Prozent der Wirtschaft umfasst. „Ägyptens Armee betreibt Hunderte Hotels und Krankenhäuser, Autowerkstätten und Konservenfabriken, Kegelbahnen und Bäckereien“ (WELT ONLINE vom 12. Februar).

Die jahrhundertealten Aufgaben der bürgerlichen Revolution in einem Land wie Ägypten können nur gelöst werden, wenn die Revolution einen internationalen Charakter annimmt. Der Panarabismus von Nasser, die Ideologie, dass man Arabien vereinen müsse, spiegelte dies auf verzerrte Weise wider. Doch diese arabische Einigung sollte auf bürgerlicher Basis stattfinden. Die Kapitalistenklassen und Militärcliquen waren nicht bereit, auf ihre eigenen Staatsapparate, die Quellen und Garanten ihrer Profite und Privilegien, zu verzichten. Die arabische Einigung, welche zum staatlichen Zusammenschluss von Ägypten und Syrien zur „Vereinigten Arabischen Republik“ geführt hatte, zerbrach wieder.

Doch die arbeitenden Massen in Arabien haben gemeinsame Interessen. Die Grenzen sind künstlich vom Imperialismus gezogen worden. Um die natürlichen Ressourcen im Interesse der Bevölkerung zu nutzen, um zu verhindern, dass die Ölproduzenten gegeneinander ausgespielt werden, um das knappe Gut Wasser im Interesse aller sinnvoll einzusetzen, wäre ein Staatenbund in Arabien nötig. Die unglaublich schnelle Ausbreitung der revolutionären Stimmung in der Region zeigt, dass die Massen in Arabien ein Verständnis davon haben, dass sie von den gleichen Problemen betroffen sind.

Globale Krise des Kapitalismus

Die Revolution in Ägypten findet vor dem Hintergrund der tiefsten Krise des Weltkapitalismus seit dem Zweiten Weltkrieg statt. Selbst im langfristigen Aufschwung waren die Kapitalistenklassen in den ex-kolonialen Ländern nicht in der Lage, zu den imperialistischen Zentren aufzuschließen. Heute lässt der begrenzte Weltmarkt und die Exportorientierung der mächtigen Industrieländer keinen großen Spielraum für das Aufkommen neuer Konkurrenten.

Die Haupteinnahmequellen Ägyptens sind neben dem Erdölgeschäft der Suez-Kanal-Transport, Tourismus und die Überweisungen von Exil-Ägyptern. Von den 85 Millionen EinwohnerInnen leben 40 Prozent in Armut, 54 Prozent der ArbeiterInnen sind im „informellen Sektor“ beschäftigt.

Zwar ist es möglich, dass in den kommenden Monaten Forderungen der ArbeiterInnen erfüllt und demokratische Rechte zugestanden werden. Schließlich machen die Herrschenden während der Hochphasen von Revolutionen zur Not große Zugeständnisse, die in ruhigen Zeiten nie möglich wären. Der ägyptische Kapitalismus wird jedoch nicht in der Lage sein, diese Konzessionen langfristig zu gewährleisten. Ägypten wird unweigerlich den Zeitpunkt erleben, wo entweder die Revolution über die bürgerliche Demokratie hinausgeht oder die Bürgerlichen selbst demokratische Errungenschaften erneut zerschlagen.

Permanente Revolution

Der aktuelle revolutionäre Prozess resultiert aus der Tatsache, dass die bürgerlich-demokratische Revolution in Ägypten nie bis zum Ende geführt wurde, ihre historischen Aufgaben – Einführung demokratischer Herrschaftsformen, Lösung der Landfrage, Trennung von Staat und Religion und so weiter – ungelöst blieben. Daher nahmen in den letzten Wochen neben der Arbeiterklasse auch bürgerliche und kleinbürgerliche Schichten an der Erhebung teil.

Lenin schrieb nach der Russischen Revolution von 1905: „Die Revolution (…) ist keine bürgerliche, denn die Bourgeoisie gehört nicht zu den treibenden Kräften der heutigen revolutionären Bewegung.“ Das trifft auch auf die aktuelle Lage in Ägypten zu. Die Kapitalisten waren eng mit dem Regime verbunden, nicht nur politisch, auch ökonomisch, sie schwenkten erst um, als die Massen drohten, das ganze Regime hinwegzufegen.

Wir haben weiter oben ausgeführt, dass die reformistisch und stalinistisch geprägten Linken davon ausgehen, dass es sich lediglich um eine bürgerliche Revolution handele und die Arbeiterklasse mit sozialistischen Ansprüchen darauf warten müsse, bis die bürgerliche Klasse einen unabhängigen ägyptischen Kapitalismus aufgebaut habe. Doch diese Auffassung gegenüber spät entwickelten Ländern war und ist die Ursache fataler Fehleinschätzungen seitens der Linken, die in vielen Fällen zu verheerenden Niederlagen geführt haben. Immer wieder deklarierten linke Bewegungen nationale Kapitalistenklassen als „fortschrittlich“ und erklärten sie zu „Bündnispartnern“, um kurz darauf von diesen an die Wand gedrückt oder gar zerschlagen zu werden. Die iranische Tudeh-Partei (Volkspartei) und die Fedayin sahen 1979 in Khomeini den Vertreter einer fortschrittlichen nationalen Bourgeoisie, dafür bezahlten Zehntausende Linke mit ihrem Leben.

Die Etappentheorie ist das Produkt einer leblosen, mechanischen Fehlinterpretation des Marxismus. Eine wirkliche Weiterentwicklung der Marxschen Ideen hingegen leisteten die russischen Revolutionäre Lenin und Trotzki. Letzterer knüpfte an dem von Marx geprägten Begriff „Permanente Revolution“ an und entwickelte diesen schon 1906 zu einer umfassenden Theorie der Revolution in nicht entwickelten Ländern.

Im Russland des frühen 20. Jahrhunderts waren die Kapitalisten längst nicht mehr revolutionär. Als die ArbeiterInnen von Petrograd im Februar 1917 den Zar stürzten, kam eine bürgerliche Regierung an die Macht. Diese erwies sich als unfähig, auch nur die drängenden Aufgaben der bürgerlich-demokratischen Revolution zu lösen. Sie nahm eine Landreform, die Verteilung des Landes an die Bauern, nicht einmal in Angriff, zu eng war sie mit dem Großgrundbesitz verschränkt. Gleichzeitig war sie abhängig von den Banken und Konzernen der entwickelten imperialistischen Staaten. Die Revolution, die als eine bürgerliche begonnen hatte, konnte von der Bourgeoisie nicht zu Ende geführt werden, sondern wäre – ohne die Oktoberrevolution von 1917, die Machtergreifung der Arbeiterklasse unter Führung der Bolschewiki – in einer Konterrevolution geendet, in einem Kompromiss zwischen Kapital und Großgrundbesitz, auf Kosten der ArbeiterInnen und der armen Bauern.

Die Aufgaben der bürgerlichen Revolution mussten von der Arbeiterklasse gelöst werden. Diese konnte aber dabei nicht stehen bleiben, sondern musste zu sozialistischen Aufgaben – Verstaatlichung und Arbeiterverwaltung der Betriebe, Errichtung eines Rätesystems – übergehen. Die bürgerliche Revolution wächst somit in eine proletarisch-sozialistische hinüber und wird daher als ununterbrochene – permanente – Revolution bezeichnet.

Wegen der weltweiten Struktur des Kapitalismus ist es ausgeschlossen, dass sich ein einzelnes Land befreien kann. Der Beginn einer Revolution wie in Ägypten wird demzufolge erst dann zum Erfolg führen, wenn er zum einen über die Grenzen des Kapitalismus hinausgeht und die Arbeiterklasse die führende Rolle einnimmt, und zum anderen, wenn er sich international ausdehnt.

Demokratie und Sozialismus

Die Weiterentwicklung der Revolution zu einer sozialistischen steht in Ägypten und ganz Arabien auf der Tagesordnung. Diese Formulierung wird gewiss einen Aufschrei des Entsetzens bei den Reformisten aller Art hervorrufen. „Es gibt doch gar keine starke sozialistische Arbeiterbewegung in Ägypten“, „Man muss jetzt erst einmal froh sein, wenn es Richtung Demokratie geht“, „Ihr seid doch Träumer“ und Ähnliches werden sie darauf antworten.

Allerdings haben wir mit dieser Feststellung noch nichts über die Zeiträume gesagt, in denen sich der sozialistische Charakter der Revolution entwickelt. Offensichtlich ist der ägyptische Januar nur schwer mit dem russischen Februar von 1917 zu vergleichen, es wird wohl keinen „Oktober“ im September geben. Es fehlt die revolutionäre Partei, es fehlt eine erfahrene sozialistische Arbeiterbewegung. Es gibt erste Ansätze von Arbeiterkomitees, aber keine umfassende Bewegung hin zu Rätestrukturen.

Kein Mensch kann zur Zeit absehen, in welchem Rhythmus sich die Revolution entwickelt. Der Prozess kann in die Länge gezogen werden. Es wäre allerdings dumm, dessen innere Dynamik zu unterschätzen. Die Ereignisse der letzten Wochen sollten jeder und jedem deutlich gemacht haben, dass sich Zeiträume extrem verkürzen, wenn die Massen beschlossen haben, ihr Elend nicht mehr zu erdulden. Wir wollen keine Wetten abschließen über das Timing. Aber wir können aufgrund der weltweiten geschichtlichen Erfahrungen mit Sicherheit vorhersagen, dass es keine stabile kapitalistische Demokratie in Ägypten geben wird.

Die ägyptische Arbeiterklasse verfügt über eine nur schwache politische Formierung. Aber sie hat ihre materielle Kraft schon bewiesen. Die Stärke der Klassenkämpfe ermöglicht in der revolutionären Situation heute, dem Regime und den Kapitalisten Zugeständnisse zu entreißen. Aber diese Kraft führt zu gewaltigen Ängsten bei der herrschenden Klasse. Gerade wegen der potenziellen Stärke der Lohnabhängigen könnte das Regime sich gezwungen sehen, erneut zu repressiven Maßnahmen zu greifen und die errungenen demokratischen Rechte hinwegfegen.

Trotz der relativen politischen Unerfahrenheit haben Teile der ägyptischen Arbeiterklasse instinktiv Forderungen entwickelt und Kampfmethoden angewandt, die über die kapitalistische Gesellschaft hinausgehen. Arbeiteraktivisten und revolutionäre Jugendliche schreiben in einem Flugblatt, welches sie in mehr als einem Dutzend Fabriken verteilten: „Es ist nötig, jede Fabrik zu verstaatlichen, die Arbeiterrechte bricht und die Reichtümer, die dem Volk vom alten Regime geraubt wurden, dem Volk zurückzugeben; es ist dringend, Arbeiterkontrollkomitees aufzubauen, welche diese Betriebe verwalten.“ Die Stahlarbeiter von Helwan gründeten sogar ein „Arbeiterrevolutionskomitee 25. Januar“, um sicherzustellen, dass ihr Betrieb in staatlichem Besitz bleibt.

In einer Erklärung unabhängiger Gewerkschafter vom 19. Februar, die auf einem Treffen in Kairo beschlossen wurde, heißt es, „dass die Revolution denen gestohlen wurde, die ihre Basis darstellen“. Die Forderungen beinhalten die Re-Verstaatlichung privatisierter Betriebe, die Begrenzung der höchsten Gehälter, das Recht aller ArbeiterInnen, Bauern und kleinen Selbstständigen auf soziale Absicherung und den Schutz vor Kündigung sowie die Auflösung der regimetreuen „Gewerkschaft“, der ETUF (Egyptian Trade Union Federation).

Diese Positionen sprengen den bürgerlichen Rahmen und skizzieren die ersten Schritte einer Arbeiterdemokratie, die sich auf Räte stützt und den Anspruch erhebt, Wirtschaft und Gesellschaft im Interesse der Mehrheit zu gestalten.

Aufgaben der Arbeiterbewegung

Eine sowohl von Liberalen, Muslimbrüdern als auch einigen Linken propagierte „Regierung der nationalen Einheit“ wäre kein Schritt vorwärts für die Massen. Damit würden sich Linke und Arbeiterbewegung an den „Minimalkonsens“ mit kapitalistischen Kräften ketten, der unter dem Strich eine Bewahrung des Status quo zur Folge hat.

Die Arbeiterbewegung sollte sich nicht mit der Durchführung von Parlamentswahlen in einigen Monaten begnügen, sondern die Forderung nach Wahlen zu einer verfassunggebenden revolutionären Versammlung aufstellen.

Es geht jetzt aber auch darum, die Ansätze der Gegenmacht zu verstetigen. Dafür sollten die vorhandenen Kontrollkomitees in den Betrieben und die Nachbarschaftskomitees in den Wohnvierteln aufrecht erhalten, ausgebaut und vernetzt werden. Hundert Familien verfügen weiterhin über 90 Prozent des Reichtums. Nötig ist die Verstaatlichung der Banken und großen Unternehmen unter demokratischer Kontrolle und Verwaltung durch Arbeiterräte. Eine Regierung der ArbeiterInnen und einfachen Bauern könnte auf dieser Basis einen demokratischen Plan zum Aufbau der Wirtschaft und zum Ausbau des Sozial- und Bildungswesens entwickeln.

Der Blick sollte auf die Verallgemeinerung und Politisierung der laufenden Klassenkämpfe gerichtet werden. Der Aufbau unabhängiger und demokratischer Gewerkschaften ist eine zentrale Aufgabe. Zudem ist die Schaffung einer politischen Interessenvertretung, einer Arbeiterpartei, die ein Forum für Diskussionen über Programm und Kampfschritte bietet, eine dringende Notwendigkeit.

Der Prozess der Revolution in Ägypten und ganz Arabien hat erst begonnen. Die politische Revolution für demokratische Rechte und die soziale Revolution der ArbeiterInnen sind untrennbar miteinander verbunden. Je schneller es gelingt, einen sozialistischen Pol in der Arbeiterbewegung aufzubauen, der sich darüber im Klaren ist, dass grundlegende Fortschritte nur möglich sind, wenn der Kapitalismus in Ägypten und international überwunden wird, je besser es gelingt, die Ansätze für die Gegenmacht in Form von Komitees zu vernetzen, desto weniger Spielraum haben die konterrevolutionären Kräfte.