British Airways bestreikt

Kraftprobe in London


 

Seit Montag um Mitternacht stehen am Flughafen London-Heathrow alle Flieger still. Die 11000 British-Airways- (BA)-Flugbegleiter starteten eine 20 Tage dauernde Streikkampagne. Sie legen für jeweils fünf Tage die Arbeit nieder, mit einem Tag Pause zwischen den Streikblöcken. Zahlreiche Streikende forderten gestern in Sprechchören die Absetzung von BA-Chef Willie Walsh. Den Streikenden geht es insbesondere um eine Gehaltserhöhung. Die BA-Führung verweigert bislang jeden Kompromiß. Der Ausstand gilt als Test für zu erwartende zukünftige Auseinandersetzungen angesichts der Kürzungsorgien, die von der neuen britischen Regierung aus Konservativen und Liberalen vorbereitet werden.

von Christian Bunke, Manchester

BA rechtfertigt die Verweigerung von Zugeständnissen seit einem Jahr mit der katastrophalen Lage der 1987 von der Thatcher-Regierung privatisierten Firma. Im zweiten Jahr in Folge wurden 2009 Rekordverluste eingefahren: 425 Millionen Pfund nach Steuern. Die Gewerkschaft UNITE wirft BA vor, ihre Probleme auf den Rücken der Beschäftigten abzuwälzen. Dabei schrecke die Fluggesellschaft auch nicht vor einer geplanten Zerschlagung der Gewerkschaft im Konzern zurück. Der BA-Chef versuche, »eine Regimeveränderung durchzusetzen«, so ­UNITE-Generalsekretär Tony Woodley. In den vergangenen Wochen verschärften sich die Auseinandersetzungen, nicht zuletzt wegen einer Reihe von Provokationen Walshs. Um die Flugbegleiter für ihren Streik im März zu bestrafen, setzte die Unternehmensleitung auf repressive Maßnahmen. So wurden Reisevergünstigungen gestrichen, so daß sich die Anreise zum Arbeitsplatz für viele Beschäftigte verteuert. Außerdem wurden 50 Flugbegleiter seit Ende März gefeuert, darunter auch Duncan Holley, ein gewerkschaftlicher Vertrauensmann bei BA.

BA spannte auch die Gerichte ein und versuchte, die britischen Antigewerkschaftsgesetze auszunutzen, mit denen Kampfmaßnahmen erheblich behindert werden können. Der Konzern erreichte am Montag vergangener Woche eine gerichtliche Verfügung gegen den Streik, weil die Gewerkschaft sich nicht genug Mühe gegeben habe, ihre Mitglieder über den Ausgang der brieflichen Streikabstimmung zu unterrichten. Daraufhin schrillten in der britischen Gewerkschaftsbewegung die Alarmglocken, und in den bürgerlichen Medien breitete sich die Furcht vor spontanen Streiks aus. Angesichts der latent explosiven sozialen Lage im Land herrscht dort ohnehin besondere Nervosität. Am vergangenen Mittwoch entschied eine Richterin am High Court, daß die Kabinencrews nun doch streiken dürfen.

Unmittelbar nach Beginn des Streiks verkündete Finanzminister George Osborne am Montag das erste Kürzungspaket. Mit Streichungen in Höhe von mehr als 6,24 Milliarden Pfund (umgerechnet 7,17 Milliarden Euro) will die Regierung das ausufernde Haushaltsdefizit eindämmen. Das soll mit einem weitgehenden Einstellungsstopp im öffentlichen Dienst, Kürzungen bei den Ausgaben für IT-Programme und Reisen von Regierungsmitgliedern erreicht werden. an. Zugleich stimmte Osborne die Bevölkerung auf weitere Einschnitte ein. »Dies ist das erste Mal, daß diese Regierung schwierige Entscheidungen über Ausgaben bekanntgibt«, erklärte der seit eineinhalb Wochen amtierende Minister auf einer Pressekonferenz. »Es wird nicht das letzte Mal sein.« Die Neuverschuldung Großbritanniens belief sich im zurückliegenden Haushaltsjahr auf 145 Milliarden Pfund, nach Angaben der EU-Kommission entsprach dies 11,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.

Dieser Artikel erschien zuerst in der Tageszeitung junge Welt.