Warnstreiks von ver.di in Nordrhein-Westfalen

42.000 Beteiligte bei Auseinandersetzung in der Tarifrunde öffentlicher Dienst


 

Im Rahmen der Tarifauseinandersetzung bei Kommunen und Bund mobilisierten ver.di und der Deutsche Beamtenbund (dbb) in NRW und Baden-Württemberg. In Dortmund trafen Gewerkschaftsmitglieder aus dem Sauerland, Gelsenkirch, Unna und den umliegenden Kommunen zu einer zentralen Kundgebung auf dem Friedensplatz zusammen. Obwohl die Gewerkschaftsführung eher bescheidene Zielen für die Tarifrunde aufgestellt hat, herrschte eine kämpferische Stimmung.

von Sebastian, Dortmund

Die Innenstadt von Dortmund befand sich am 4. Februar 2010 beinahe im Ausnahmezustand. Zum Warnstreik aufgerufen waren GewerkschafterInnen aus unterschiedlichen öffentlichen Einrichtungen: Stadtverwaltung, Sparkasse, Stadtwerken und Verkehrsbetrieben, Energie- und Wasserversorgung, Müllabfuhr, Seniorenheimen, Studentenwerk, Arbeitsagentur, ARGE und verschiedenen Kliniken. Von drei verschiedenen Sammelstellen aus liefen 10.000 Gewerkschaftsmitglieder im Sternmarsch durch die Straßen, um sich in der Nähe des Friedensplatzes auf einer Kreuzung zu treffen. Von dort aus zog die Demonstration zum Kundgebungsort, wo weitere 2000 Beschäftige aus anderen Orten dazukamen.

Nach einer Begrüßung durch den örtlichen Gewerkschaftsfunktionär sprach Ver.di-Chef Frank Bsirske zu den Versammelten.

Zentrale Kundgebung in Dortmund

Bsirske stellte die für viele Mitglieder nebulöse ver.di-Forderung für eine Tariferhöhung mit einem Gesamtvolumen von 5 Prozent dar, in der die Kosten für eine Verlängerung der Altersteilzeitregelung, einer neuen Übernahmeregelung für Auszubildende sowie eine Wiedereinführung der Bewährungsaufstiege enthalten sein sollen. Und eben eine wie auch immer „spürbare soziale Komponente“.

In einer Stadt, die wie Dortmund so krisengeschüttelt ist, strömten aus dem Munde des Gewerkschaftsvorsitzenden aber auch deutlichere Aussagen: Weiterer Sozialkahlschlag sei wegen der noch lange nicht überwundenen Krise vorprogrammiert. Die Verhandlungsführer der Gegenseite, Thomas de Maizère für den Bund und Thomas Böhle für die Kommunen, kündigten laut Frank Bsirske „ein Jahrzehnt der Lohnpause und Lohnkürzungen an“, „ein Jahrzehnt des Streichen von Einrichtungen und Leistungen“. Auch wenn der ver.di-Chef keine konkrete Antwort darauf geben wollte, wie dies von den Beschäftigten zurückgeschlagen werden können, so bekam doch sein Satz „Wir zahlen nicht für eure Krise!“ große Zustimmung bei den TeilnehmerInnen der Kundgebung.

Dass Verzicht generell zu verhindern sei, sagte Bsirske so allerdings nicht. Denn, es „ist noch zu früh auf einen Sparkurs umzuschwenken“, wie er betonte. Zuerst sei es wichtig, der Krise „gegenzusteuern“, indem durch Lohnerhöhungen die Kaufkraft gestärkt würde. In welchem Maße nach Ende der Verhandlung allerdings „spürbare“ Verbesserungen erstritten werden, die auch wirklich bei den Auszubildenden und Beschäftigten ankommen, bleibt offen.

Gewerkschaftschef Frank Bsirske sprach in Dortmund auch die nächste Verhandlungsrunde zwischen den VerhandlungsführerInnen von Gewerkschaft, dem Bund und den Kommunen vom 10. bis 12. Februar an. Wenn hier keine Einigung erzielt werden könne, würde es zu weiteren Warnstreiks von Zehntausenden kommen können, so Bsirske. Auch länger anhaltende Streiks wären dann möglich.

NRW-weit 42.000 an Warnstreiks beteiligt

In Nordrhein-Westfalen waren im öffentlichen Dienst insgesamt 42.000 Beschäftigte an den Warnstreiks beteiligt. In vielen Städten des Ruhrgebiets fuhren keine Busse und Bahnen mehr. In Dortmund, Düsseldorf, Köln kam der U-Bahnverkehr zeitweise zu einem Stillstand. Auch auf den Flughäfen Köln und Düsseldorf streikten Gewerkschaftsmitglieder. Zahlreiche öffentliche Behörden von Bund und Kommune blieben geschlossen. Dort wo viele Beschäftigte aufgerufen waren wurde deutlich, welche Macht sie ausüben können, wenn gemeinsam gestreikt wird. Allerdings wurde nur ein kleiner Teil der Kampfkraft in die Waagschale geworfen. Die Mobilisierung ging meist nicht so weit wie in Dortmund – einer Stadt, die vorzeigbarer Schwerpunkt der Warnstreiks sein sollte. In Essen, einer Stadt mit nahezu der selben Einwohnerzahl waren nur 2500 Gewerkschaftsmitglieder aufgerufen. Einige Belegschaften durften sich nur für eine Stunde in den Streik beteiligen, andere befanden sich hingegen ganze 24 Stunden im Streik, so wie die das Fahrpersonal der Essener Verkehrsbetriebe.

Wären mehr KollegInnen von der Gewerkschaft aufgerufen worden die Arbeit niederzulegen (auch für eine längere Zeit), wäre dem Verhandlungsgegner weitaus besser beizukommen.

Bewegung in den Krankenhäusern

Bereits am Vortag waren bundesweit 22.000 Beschäftige im Warnstreik. Ein Schwerpunkt hierbei war der Krankenhausbereich. In Dortmund kam es mitunter in den Kliniken auch beispielhaften Protesten. So in der LWL-Klinik der Stadt, wo im psychiatrischen Bereich über drei Schichten 11 Stationen bestreikt wurden. Bei dem Streik wurde auch die Nachtschicht mit einbezogen. 23 Beschäftigte traten während der Aktionen der Gewerkschaft bei.

Im Elisabeth-Krankenhaus in Dortmund wurde einem Beschäftigten mit fristloser Kündigung gedroht, falls dieser an den Warnstreiks teilnehmen sollte. Spontan kamen 50-60 KollegInnen anderer Häuser hinzu um hiergegen zu demonstrieren.

Vorschläge der SAV

Notwendig ist es, die Warnstreiks wirklich flächendeckend zu organisieren und die zu Beschäftigten längeren Streiks aufzurufen. Die Forderung der Gewerkschaft von 5 Prozent Gesamtvolumen reicht hinten und vorne nicht.

Fünf Prozent mehr Lohn, mindestens aber 200 Euro Festgeld bei zwölf Monaten Laufzeit wäre eine Forderung, die aufgestellt werden sollte. Ebenso wie die Umwandlung der bisherigen Leistungsbezahlung in feste Tarifbestandteile. Statt einer begrenzten Übernahmeregelung könnte für eine unbefristete Übernahmegarantie für alle Auszubildenden im erlernten Beruf und eine tariflich garantierte Ausbildungsquote von zehn Prozent gestritten werden. Eine verlängerte Altersteilzeit sollte ohne Abschläge von Leistungen erreicht werden.

Und: Die ver.di-Führung hat es wiedermal verpasst auf die steigende Arbeitslosigkeit angemessen zu reagieren. Die Forderung für eine 35 Stunden-Woche bei vollem Lohn- und Personalausgleich gehört auf die Tagesordnung!