Diese Löhne stinken zum Himmel!

Erster bundesweiter Streik der GebäudereinigerInnen


 

Seit dem 1. Oktober organisierte die IG BAU Warnstreiks in der Reinigungsbranche. Gefordert werden 8,7 Prozent mehr Lohn, die Angleichung der Löhne von Ost auf Westniveau und der Einstieg der Unternehmer in die betriebliche Altersvorsorge Am 14.Oktober endete die Urabstimmung mit einem Ergebnis von 96,7 Prozent für Streik. Damit begann der erste bundesweite Streik der GebäudereinigerInnen – beim bundesweiten Streikauftakt in Berlin waren 200 Kolleginnen und Unterstützer dabei.

von Krischan Friesecke, Berlin

Seit dem 20. Oktober laufen die Streiks im gesamten Bundesgebiet, den Auftakt legte Berlin mit einer Streikkundgebung an der Technischen Universität hin. In den Reden von Gewerkschaftern und Unterstützern wurde auf den immer weiter steigenden Arbeitsdruck in der Branche und die, trotz Krise, steigenden Gewinne hingewiesen. Denn allein im Krisenjahr 2008 stiegen die Gewinne um 3,1 Prozent. Allein das Unternehmen Dussmann Service Deutschland kann für 2008 einen Gewinnzuwachs von 15,3 Prozent auf 19,3 Millionen Euro verbuchen. Möglich wird das durch maximales Auspressen der KollegInnen. Seit Jahren geht der Trend zu immer mehr Reinigungsfläche bei immer weniger Zeit. So meinte eine Gebäudereinigerin in Berlin: „Dass man mehr Zeit investieren muss, wie die einen bezahlen ist von Vornherein eingeplant. Die kalkulieren das dann so knapp, die wissen, dass wir mit der Zeit nicht hinkommen.“ Auf diese Art wird der bisher gesetzliche Mindestlohn von 8,15€ unterboten, auf dem Rücken der Beschäftigten. Oftmals sind die KollegInnen gezwungen, ihren Lohn durch Hartz IV aufstocken zu lassen, weil das Geld zum Leben nicht reicht. Was dann bei der Rente rumkommen soll, erklärte Angelika Walle, Gebäudereinigerin wie folgt: „Dann müssen wir wirklich betteln gehen, oder man stirbt vorher.“ Deshalb ist die Forderung der IG BAU nach einer betrieblichen Altersvorsorge, finanziert durch die Unternehmer, ein extrem wichtiger Punkt für die Zukunft der KollegInnen. Denn kaum einE KollegIn kann sich eine private Altersvorsorge leisten, Angelika Walle musste Anfang des Jahres Ihre Vorsorge kündigen, da sie die 30 Euro pro Monat nicht mehr abzweigen konnte.

Und selbst die geforderten 8,7 Prozent Lohnerhöhung sind noch zahm, das sind gerade mal 71 Cent mehr pro Stunde. Die Unternehmerseite bieten 3,4 Prozent bei zwei Jahren Laufzeit, das sind aufs Jahr gerechnet lächerliche 1,8 Prozent West und 2,1 Prozent Ost. Mirko Hawigshorst meint zu den angebotenen 24 Cent: „Das ist gerade mal ein angebissenes Brötchen, was den KollegInnen da angeboten wird.

Reaktion und Solidarität

Natürlich blieben die Streikaktionen nicht ohne Reaktion der Unternehmer. Sofort nach Beginn der Aktionen griff die Berliner Firma AGG das Streikrecht an. So wurde die Kollegin Angelika Walle gekündigt, nachdem Sie sich an einem Warnstreik beteiligt hatte. Zwar wurde die Kündigung vom Gericht per einstweiliger Verfügung wieder kassiert, aber die Angriffe gehen weiter. So wurde ein Kollege, der am Warnstreik teilnahm, strafversetzt. Trotzdem gibt er nicht auf: „Wenn ich ein Zimmer tapeziere, hör ich ja auch nicht bei der Hälfte auf.“

Zudem setzen die Unternehmer massiv auf Streikbrecher. So engagierte Gegenbauer 15 Leiharbeit-er, die allerdings unverrichteter Dinge wieder abzogen. Studierende der TU, die sich solidarisierten, hatten kurzerhand den Putzmittelraum blockiert. Ein anderes Mal machten Streikende und Studenten die Arbeit von Streikbrechern der Firma AGG zunichte. Zweidutzend volle Müllsäcke wurden in ein Objekt zurückgebracht und im Gebäude entleert. Nachdem Streikaktivisten den Beschäftigten der TU den Zusammenhang erklärten zeigten sich diese, trotz Müll auf den Gängen, weiterhin solidarisch. Gerade die Solidarität und Unterstützung von Beschäftigten, Studenten und Schülern ist für diesen Kampf unermesslich wichtig. An den Streikaktivitäten nehmen immer wieder Mitglieder von Linksjugend["solid] und dem SDS teil und unterstützen die Streikenden bei Protesten wie der Flashmobaktion „Aufstand der Unsichtbaren“. Beschäftigte der Berliner Stadtreinigung sammelten über 800 Unterstützerunterschriften für „ihre“ GebäudereinigerInnen.

Die nächste Unverschämtheit, die sich die Untenehmerseite erlaubt, zielt direkt auf die IG BAU. So behauptet der Arbeitgeberverband, die IG BAU hätte mit der Kündigung des Tarifvertrages dem Lohndumping Tür und Tor geöffnet, da jetzt Unternehmen Löhne unter dem bisherigen Mindestlohn vereinbaren würden. Dabei hatte die IG BAU sechs ergebnislose Verhandlungsrunden gewartet, bevor es zur Kündigung des Tarifvertrages kam. Zweitens haben Unternehmer nur darauf gewartet, dass der Mindestlohn weg fällt. So hat das Unternehmen Peter Schneider aus Hannover den Wegfall des Mindestlohns schon vor der Tarifvertragskündigung einkalkuliert. In den Arbeitsverträgen dieses Unternehmens gibt es eine Klausel, die besagt, wenn der Mindestlohn fällt sinkt der Stundenlohn auf 6,50 Euro West und 5 Euro Ost – und das Brutto. Richtig zynisch wird es, wenn der Geschäftsführer Maik Peter Schneider selbst zu gibt, das man von den von Ihm angebotenen Löhnen nicht leben kann (Frontal 21 Bericht).

Mittlerweile ziehen einige Firmen nach und bieten neu eingestellten KollegInnen Löhne deutlich unter 8,15 Euro, teils bis zur Grenze der Sittenwidrigkeit.

Trotz der Angriffe sind die KollegInnen weiter zuversichtlich und halten durch. Bestärkt wurden sie abermals am Freitag auf dem Flughafen Berlin-Schönefeld. Dort streikten 15 KollegInnen der Terminalreinigung und bekamen Unterstützung von 60 Streikenden aus Berlin. Von Angestellten des Flughafens, dem Sicherheitspersonal und natürlich den Fluggästen kamen nur positive Äußerungen, jede/r hatte Verständnis für die KollegInnen. Zudem verteilten die KollegInnen noch eine „Flughafeninformation“ darin heißt es: „Dies ist ein Warnhinweis! Flughafen-Information , Bitte bringen Sie zu Ihrem Flug unbedingt Folgendes mit:

Handfeger und Kehrschaufel

Eimer mit Wischlappen

geeignetes Reinigungs- und Desinfektionsmittel.

Wenn Sie einen sauberen Flughafen haben wollen, müssen Sie selbst dafür sorgen. Sollten Sie dazu nicht in der Lage sein, könnten natürlich auch Familienangehörige oder Freunde die Reinigung übernehmen… oder Sie schrauben Ihre hygienischen Ansprüche herunter. Wir bitten um Ihr Verständnis!“

Der Kampf geht weiter

Um den Arbeitskampf zu gewinnen muss die IG BAU den Druck auf die Unternehmerseite weiter verstärken. Die Streiks müssen ausgeweitet, und die öffentlichkeitswirksamen Aktionen bunt und kreativ weitergeführt werden, da gibt es noch sehr viel Potenzial. Vor allem aber muss der Kreis der Unterstützer weiter ausgebaut werden und verschiedene Kämpfe miteinander verbunden werden. In Berlin läuft zeitgleich die Tarifrunde im Öffentlichen Dienst und die KollegInnen des Rundfunk Berlin-Brandenburg haben mit Warnstreiks begonnen – es darf nicht jedeR für sich kämpfen, sondern gemeinsame Aktionen sind nötig um den Druck auf das ganze Arbeitgeberlager zu steigern.