Deutschland 2009 – kein Sommermärchen

Agenda 2020 und Massenentlassungen drohen


 

Mit schöner Regelmäßigkeit behaupten die Bürgerlichen, dass der Anfang vom Ende der Krise begonnen habe. So verkündete der US-Großinvestor George Soros Ende Juni, dass „mit Sicherheit das Schlimmste schon hinter uns“ liege. Auch kurz vor der Lehman-Brothers-Pleite, die die internationale Bankenwelt ins Wanken brachte, wurde behauptet, das Schlimmste sei vorüber.

von Lucy Redler, Berlin

Dabei hat die Krise gerade erst begonnen: Mit einem Rückgang von über sechs Prozent des Bruttoinlandsproduktes wird Deutschland in diesem Jahr hart getroffen werden. Dazu kommt, dass die Bankenkrise hier längst nicht ausgestanden ist, wie Nobelpreisträger Paul Krugman gegenüber dem Observer zu Recht betont. Der IWF erwartet noch „Wertberichtigungen“ von bis zu 500 Milliarden Dollar! Aufgrund der Exportabhängigkeit wird die Bundesrepublik einen steileren Fall des Wachstums verzeichnen als irgendein anderes führendes Industrieland.

Schuldenbremse = Sozialkahlschlag

Langsam lässt sich erahnen, was der ökonomische Einbruch für Lohnabhängige und Erwerbslose bedeuten wird. Soeben hat der Bundestag eine „Schuldenbremse“ beschlossen. Dabei geht es jedoch weniger darum, Schulden oder Ausgaben zu bremsen. Sonst hätte die Bundesregierung im Juni wohl keine weiteren Milliardenentlastungen für Großkonzerne beim Kurzarbeitergeld beschlossen. Bei der sogenannten Schuldenbremse geht es vielmehr darum, die Konjunkturpakete im Interesse der Unternehmen und Reichen durch massiven Sozialabbau gegenzufinanzieren. So plant Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) bereits jetzt Ausgabenkürzungen von 36 Milliarden Euro im Jahr 2010 ein. Und die werden bestimmt nicht im Verteidigungsetat gespart… Im Zuge der Krise wird es vielmehr eine Zunahme militärischer Konflikte und Kriegseinsätze geben. Und darauf bereitet sich die Bundesregierung vor.

Egal ob Schwarz-Gelb oder Große Koalition: Nach der Bundestagswahl wird eine Agenda 2020 anstehen und – wenn nicht schon früher – eine regelrechte Entlassungswelle stattfinden. Die Merkel-Regierung versucht, bis dahin über Kurzarbeitergeld und andere Maßnahmen das Schlimmste hinauszuzögern. Keiner kann genau vorhersehen, wie drastisch die Angriffe werden. Aber eins ist klar: Es wird in jedem Fall hammerhart.

Widerstand hat begonnen

Proteste gegen Arbeitsplatzabbau haben jedoch angefangen. Beispielsweise bei den Beschäftigten des IT-Unternehmens EDS, die seit Wochen gegen Massenentlassungen streiken. Oder bei den KollegInnen von Arcandor.

Doch auch wenn die Sorge um den Job bei den anstehenden Kämpfen im Mittelpunkt stehen wird, gibt es wichtige Streiks für mehr Lohn und bessere Arbeitsbedingungen. Solche Kämpfe sind ein Zeichen dafür, dass die Krise nicht zu Lähmung führen muss, sondern Kampfbereitschaft selbst für offensive Ziele wie mehr Lohn vorhanden ist.

Herausragend ist der Streik der ErzieherInnen, der nun seit Wochen mit sehr guter Beteiligung geführt wird. Zu Redaktionsschluss bestand die Möglichkeit, dass der Streik in den Wochen vor der Bundestagswahl forciert wird, was den politischen Druck stark erhöhen würde.

Der Bildungsstreik mit einer Viertelmillion SchülerInnen und Studierenden hat gezeigt, welche Wut auch unter Jugendlichen auf das Establishment, auf „die da oben“ vorhanden ist, bei denen das Geld für die Banken locker sitzt.

Gerade jetzt ist es nötig, die verschiedenen Kämpfe zusammen zu bringen, um eine Protest- und Streikbewegung gegen die Krise aufzubauen und damit den Druck auf die Gewerkschaftsführung für französische Verhältnisse zu intensivieren. DGB-Spitze und Betriebsratsfürsten werden nur Proteste organisieren, wenn sie von unten dazu gezwungen werden.

DIE LINKE kann eine wichtige Rolle dabei spielen, betriebliche Kämpfe politisch zu stärken und den Bruch der Gewerkschaftsführung mit der SPD zu beschleunigen. Der letzte Parteitag der LINKEN war jedoch kein Schritt in diese Richtung (siehe Seite 4). Wenn der Kurs der LINKEN-Führung, auf weitere Regierungsbeteiligungen mit SPD und Grünen zu orientieren, nicht herausgefordert wird, wird die Partei das Potenzial für neue Mitglieder und Stimmenzuwächse bei der Bundestagswahl nicht ausschöpfen können.