Island: Studierende in Reykjavík verschaffen sich Gehör

CWI-Mitglied spricht vor linken Studierenden in einem von der kapitalistischen Krise erschütterten Land


 

von Kristofer Lundberg, Rättvisepartiet Socialisterna (Schwesterorganisation von SAV und SLP und Sektion des CWI in Schweden), 30. Januar 2009

Island ist von einer Protestwelle ins Wanken gebracht worden, die als Reaktion auf die Verheerungen der hiesigen Volkswirtschaft durch die Weltwirtschaftskrise die Regierung zu Fall brachte (mehr dazu auf diesr Homepage und www.socialistworld.net). Kristofer Lundberg von der Rättvisepartiet Socialisterna (CWI in Schweden) und der SST (schwedische Sektion des Jugend- und Studierendenbündnisses International Socialist Resistance) besuchte Island und sprach zu linken Studierenden, die eine wichtige Rolle bei der Entwicklung der Bewegung gespielt haben.

Am 29. Januar zog Róskva (Rote Studierende) von der Universität von Island zum Parlament, um jeder nachfolgenden Regierung zu zeigen, dass die Studierenden darauf vorbereitet sind, für ihre Rechte zu kämpfen. Sie brachten eine Petition mit denselben Forderungen ein, wie die, die die jüngst gestürzte Regierung im Dezember noch erhalten hatte, als die Studierenden gegen Kürzungen protestierten.

Die Gespräche, die seit den frühen Morgenstunden im Parlamentsgebäude stattgefunden hatten, zielten auf die Gründung einer Interimsregierung bestehend aus Linksgrünen und dem Sozialdemokratischen Bündnis ab, die das Land bis zu den Neuwahlen im Frühjahr führen soll. Die Sozialdemokraten erklärten, dass nun keine grundlegenden Fragen offen geblieben sind und dass das Treffen ohne Komplikationen über die Bühne gegangen ist. Das bot die ideale Gelegenheit für die Studierenden, um deren Forderungen vorzubringen.

Unter einem roten Banner mit der Aufschrift „Bildung zuerst“ und mit roten Fahnen, Trommeln und Pappschildern zogen sie voller Überzeugung vor das Parlament. Auf einem Transparent war zu lesen: „Mit Bildung können wir das Land aufbauen“. Damit sollte Kritik an der Regierung wie auch an der Polizei geübt werden, da auf den Polizeischildern in Island der Spruch steht: „Mit dem Gesetz bauen wir das Land auf“! Es geht hierbei um Polizeikräfte, die von der Massenbewegung heftig kritisiert wurden, da diese die Frage nach einer neuen Polizeiführung aufgeworfen hat. Das Treffen der Politiker wurde von Sprechchören unterbrochen, die „Bildung ist macht!“ skandierten.

Bergpora Snabjorndottir erzählte mir: „Wir sind hier, um sicherzustellen, dass die Politiker uns nicht vergessen. Damit sie, wenn sie dort verhandeln, wissen, dass wir unsere Forderungen haben. Wir wollen, dass die Bildung auf die Tagesordnung kommt. Bildung ist für die ganze Gesellschaft wichtig. Wir brauchen Bildung, die Gesellschaft braucht gut ausgebildete Menschen. Wir sind es, die jungen Leute, die diese kaputte Gesellschaft wieder aufbauen werden.“

„Wir wollen die Regierung daran erinnern, dass die Zukunft des Landes in ihren Händen liegt. Wir wollen die Bildung, die uns zusteht“, sagte Anna Finnborgadottir.

„Wir wollen eine Bildung erster Klasse, wir sind die Generation, die die Gesellschaft prägen wird. Wir sind hier, vergesst das nicht“, fügte Bergpora Benediktsdottir hinzu.

Interview mit einem Aktivisten der Studierendenbewegung

Bei Róskva (Rote Studierende) handelt es sich um eine linke Studierendenorganisation, die an der Landesuniversität sozialistische Studierende unter einem Dach zusammenfasst. Róskva ist eine Organisation, die eine große Bandbreite an Sichtweisen – von reformistischen bis hin zu radikal linken – repräsentiert. Sich selbst beschreiben sie als ein Bündnis sozial Denkender, und es gibt sie schon seit rund 20 Jahren. Heutzutage unterstützen die gut einhundert aktiven Mitglieder an der Universität keine politische Partei. Kristofer Lundberg von den SST (der schwedischen Sektion von International Socialist Resistance) sprach mit Sigurdur Karirnason, einem der KandidatInnen von Róskva für die Wahlen zur Studierendengewerkschaft.

„Im Herbst machten die isländischen Studierenden wegen der Wirtschaftskrise, die das Land schwer getroffen hat, eine schwierige Zeit durch. Die, die Darlehen in anderen Währungen haben, sind in einer noch schlimmeren Lage.“

„Die Roten Studierenden meinen, dass der Kampf um Studentenrechte außerhalb der Uni genauso wichtig ist wie innerhalb der Hochschule. Politische Entscheidungen treffen auch die Zukunft der Studierenden, und daher müssen auch sie am politischen Kampf teilnehmen.“

„Wir wollen die Stimme der Studierenden sein. Als die Krise im Dezember durchschlug, wollte die Regierung Kürzungen in Höhe von zwei Milliarden isländischen Kronen durchsetzen. Doch nach Protesten und einer Petition von Róskva und der Studierendengewerkschaft, in der wir seit zwei Jahren die Führung haben, machte die Regierung einen Teil-Rückzug. Ich denke, dass wir irgendwie hätten mehr tun können. Allerdings wurden die Kürzungen um eine Milliarde Kronen reduziert.“

„Jetzt, da wahrscheinlich eine neue Regierung aus Linksgrünen, dem Sozialdemokratischen Bündnis und der Fortschrittspartei, einer Partei der Mitte, gebildet wird, müssen wir den Kampf fortsetzen. Wir werden am Tag, an dem eine neue Regierung ins Amt eingeführt wird, eine Liste mit studentischen Forderungen überreichen, die die Forderung nach dem Ende der Kürzungen und weiterer Mittel für Bildung beinhaltet. Wir wollen eine Bildung erster Klasse und das ist jetzt noch viel wichtiger, weil es in der Krise keine Arbeit mehr gibt.“

„Es ist für uns jetzt an der Zeit, Farbe zu bekennen. Die Sozialdemokraten sind nicht unschuldig: Sie waren Teil der vorigen Regierung. Bei Róskva sind wir SozialistInnen. Für uns zählt nicht, wer in der Regierung sitzt: Wenn sie uns keine Verbesserungen bieten, dann müssen wir gegen sie kämpfen. Wir hoffen aber, dass sie sich unsere Forderungen anhören. Sie werden unter starkem Druck stehen. Bei den nächsten Wahlen, die im Frühjahr anstehen, wollen sie unsere Stimmen, und wenn sie das wollen, dann muss es auch Verbesserungen geben.“.

„Wir leben in historischen Zeiten. Normalerweise gehen Isländer nicht auf die Straße, aber die Menschen kamen Tag für Tag – bis die Regierung zurücktrat. Die rechts-konservative Regierung trat letztlich und zum ersten Mal seit 1991 ab, aber der Kampf muss weitergehen, und wir hoffen, dass die Studierenden eine noch aktivere Rolle bei den weitergehenden Demonstrationen einnehmen werden.“

Sigurdur hofft, dass es in Zukunft eine intensivere Zusammenarbeit zwischen den studentischen Organisationen und der Arbeiterklasse gibt, vor allem mit den Gewerkschaften. „Eine Forderung, die kommen muss, ist diese: »Menschen vor Profite«”, so seine Schlussfolgerung.