Geheimdienste: Die Supernasen

Welche Rolle spielen Verfassungsschutz und BND?


 

Braucht eine Gesellschaft nicht Geheimdienste, die gefährliche Gruppierungen ausspähen, infiltrieren, unschädlich machen können? Diese Frage wird von Politikern und Journalisten gern mit wolkigen Erklärungen über „wehrhafte Demokratie“ beantwortet, die gründlich am Kern der Frage vorbeigehen.

von Carlotta Continua, Köln

Denn ihre Antworten übergehen stets eine einfache Tatsache. Volksverhetzung, Körperverletzung, Mordaufrufe oder das Zünden von Bomben haben eines gemeinsam: Sie gelten nach bundesdeutschem Recht als illegal. – Sie sind ein Fall für Polizei und Staatsanwaltschaft. Die Polizei besitzt sowohl die gesetzlichen als auch die technischen Möglichkeiten zum Abhören und zum Einsatz von verdeckten Ermittlern. Diese Mittel darf sie nicht nur zur Verfolgung von Straftaten einsetzen, sondern auch vorbeugend.

Doch die Polizei hat aus der Sicht der Regierenden einen gravierenden Nachteil: Sie muss sich (zumindest in der Theorie) an die Gesetze halten und braucht für ihre Operationen richterliche Genehmigungen. Kurz: Ein Staat, der vor hat, sich an seine eigenen Gesetze zu halten, braucht keinen Geheimdienst – er kommt mit der Polizei aus. Doch gerade die eigenen Gesetze bereiten den Verfassungsfeinden in der Bundesregierung immer häufiger Kopfschmerzen.

Im Gegensatz zur Polizei werden die Geheimdienste nur von der Parlamentarischen Kontrollgruppe (PKG) „kontrolliert“, einer kleinen Gruppe von Abgeordneten, die der Schweigepflicht unterliegen. Wenn diese Abgeordneten von den Machenschaften eines Geheimdienstes erfahren, dann dürfen sie weder die Öffentlichkeit informieren, noch dürfen sie die Verantwortlichen anzeigen, denn beides verstieße gegen die Schweigepflicht. So werden die Mitglieder der „Kontrollgruppe“ durch ihre Arbeit nicht zu Aufklärern, sondern zu Mitwissern.

Die falschen Freunde des Grundgesetzes

Daher wird bei den Geheimdiensten kräftig investiert. Der Bundesnachrichtendienst (BND) baut in Berlin gerade eine neue Zentrale für geplante 730 Millionen Euro. In Köln-Riehl soll eine Abhörzentrale errichtet werden, bei der die Lauschaktivitäten von BND, Bundeskriminalamt, Bundespolizei und Bundesverfassungsschutz gebündelt werden sollen. Zusätzlich soll ein Competence Center entstehen, in dem das Wissen von Polizei und Verfassungsschutz zusammenfließen soll.

Die Absicht ist deutlich: Die Grenzen von polizeilicher und geheimdienstlicher Tätigkeit sollen verwischt werden. Nicht die Verfassung wird dadurch vor ihren Feinden geschützt, sondern der Staat wird vor der Verfassung geschützt. Denn der bürgerliche Staat, der vorgibt, das Grundgesetz gegen seine finsteren Feinde zu verteidigen, gerät selber oft mit der Verfassung in Konflikt.

Die Machthaber haben die Verfassung, die sie angeblich schützen wollen, über fünfzig Mal nach ihren Wünschen geändert, um Wiederbewaffnung, Notstandsgesetze und Grundrechteabbau durchzusetzen. Wenn alles biegen nicht half, haben sie die Verfassung schlicht gebrochen – zuletzt mit dem verfassungswidrigen Einsatz der AWACS-Flugzeuge im Irak-Krieg.

Umso scheinheiliger ist nun die Empörung von Politikern aller etablierten Parteien über die peinliche Abhöraktion des BND gegen einen afghanischen Minister und eine SPIEGEL-Redakteurin. Denn sie selbst haben dafür gesorgt, dass Deutschland einen Spitzenplatz beim (ganz legalen) Abhören der eigenen Bürger einnimmt. Dass ein Nachrichtendienst Leute abhört, ist keine Panne, sondern seine ureigene Aufgabe. Der Wirbel um die neueste Affäre des BND zeigt jedoch, dass die Geheimdienste – egal wie trottelig – alleine durch ihre Existenz etwas bewirken: Es gilt als normal, dass es sie gibt und es gilt als normal, dass der Staat jenseits von deutschem (und afghanischem) Recht agiert. Zum Skandal wird nicht die Existenz der Geheimdienste, sondern ihre Unfähigkeit gemacht.

Der Morgen stirbt nie…

Aber Geheimdienste sind keine heimlichen Herrscher, die alles kontrollieren könnten, wenn sie sich nur weniger blöd anstellten. Selbst der gewaltige Stasi-Apparat, der die Angst der Regierenden vor der eigenen Bevölkerung ausdrückte, konnte eine Revolution nicht verhindern. Heute können die Stasi-Unterlagen von den Betroffenen eingesehen werden. – Die Unterlagen von BND und Verfassungsschutz noch nicht. Aber wir arbeiten daran. Machen sie mit!

Forderungen der SAV

Auflösung von Verfassungsschutz und BND

Akteneinsicht für alle Betroffenen

Den Abbau demokratischer Rechte bekämpfen