Radfabrik besetzt

Mit einer Betriebsbesetzung wehrt sich die 135köpfige Belegschaft des zur Lone-Star-Gruppe gehörenden Fahrradherstellers Bike-Systems im thüringischen Nordhausen gegen die Schließung.


 

von Daniel Behruzi, zuerst erschienen in der jungen Welt, 13.7.07

Bereits zum 30. Juni war die Produktion nach kurzfristiger Ankündigung eingestellt worden. Kündigungen wurden wegen anstehender Verhandlungen mit dem Betriebsrat über einen sogenannten Interessenausgleich und Sozialplan allerdings bislang nicht ausgesprochen.

»Nachdem die Belegschaft auf einer Betriebsversammlung am Dienstag über die Situation informiert wurde, hat sie sich spontan entschlossen, das Werksgelände nicht mehr zu verlassen und den Betrieb besetzt zu halten«, berichtete der Rechtsanwalt des Betriebsrats, Jürgen Metz, am Donnerstag auf jW-Nachfrage. Seither seien die Beschäftigten rund um die Uhr vor Ort. Astrid Schwarz-Zaplinski, Erste Bevollmächtigte der örtlichen IG Metall, sagte gegenüber jW: »Ich bin davon überzeugt, daß die Kolleginnen und Kollegen so lange ausharren werden, bis eine perspektivgebende Lösung gefunden ist.«

Das Unternehmen werde auf Betreiben des US-Finanzinvestors Lone Star »ausgeschlachtet«, erklärte die Gewerkschafterin. Der sonst auf den Kauf und das Eintreiben »fauler Kredite« spezialisierte Investmentfonds hatte die Biria AG, zu der neben dem Standort in Nordhausen auch ein Werk im sächsischen Neukirch gehörte, 2005 übernommen. In Sachsen wurde die Produktion bereits Ende 2006 eingestellt. Mehr als 200 Arbeiter verloren ihren Job und sind für ein Jahr in einer »Beschäftigungsgesellschaft« angestellt. »In Neukirch ist genau dasselbe gelaufen wie jetzt in Nordhausen«, kommentierte Andre Koglien von der IG Metall Bautzen im jW-Gespräch. »Lone Star hat sich beim direkten Konkurrenten MIFA im sachsen-anhaltinischen Sangerhausen eingekauft und macht jetzt die Biria-Betriebe platt«, so der Gewerkschafter weiter. Die Patente und Hauptkunden des Werks in Neukirch seien an MIFA verkauft worden.

Das gleiche Bild in Nordhausen: »Die angeblichen wirtschaftlichen Gründe für die Schließung wurden über ein Jahr lang selbst organisiert – alle Aufträge wurden an MIFA gegeben, so daß hier nur noch Lohnfertigung stattfand«, erklärte Rechtsanwalt Metz. In Nordhausen sei nur noch im Auftrag von MIFA gefertigt worden, die auch die Einzelteile lieferte. »Nachdem das Unternehmen jetzt entwertet ist, wird der lästige Konkurrent der MIFA auf Kosten der Arbeitnehmer platt gemacht«, so die IG Metall. Dabei hatten die Beschäftigten seit 2004 auf fünf Prozent ihrer Einkommen verzichtet, »immer unter Maßgabe des Erhalts der Arbeitsplätze«, wie Metz betonte. Betriebsbedingte Kündigungen seien bis Ende 2007 ausgeschlossen. Wenn das Unternehmen insolvent wird, sind die Jobs trotzdem weg.

Doch das wollen sich die Beschäftigten nicht so einfach gefallen lassen. Die Belegschaft werde sich »mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln gegen das Diktat der Heuschrecke zur Wehr setzen«, heißt es in einer Erklärung. Einen ersten Erfolg haben die Beschäftigten bereits eingefahren. Eine vom Unternehmen beantragte einstweilige Verfügung, mit der das Management die Räumung des Betriebsgeländes erzwingen wollte, wurde am Donnerstag vom örtlichen Arbeitsgericht abgewiesen.