Filmtip: „Der große Ausverkauf“

Eine Anklage gegen Privatisierungen und gegen kapitalistische Globalisierung. Über den Film, eine Vorführung in Anwesenheit des Regisseurs und wie man den Film im Telekom-Streik nutzen kann.
 

von Claus Ludwig, Köln

Mit „Der große Ausverkauf“ hat das Team um Regisseur Florian Opitz eine gelungene und teilweise bewegende Dokumentation über die Folgen der Privatisierung vorgelegt. Anhand von Fallbeispielen aus vier Kontinenten wird gezeigt, dass der Verkauf öffentlichen Eigentums an private Konzerne und Investoren keineswegs den Service verbessert, sondern die öffentlichen Dienste teurer und schlechter macht und letztendlich Menschen tötet. Der Besuch des Films lohnt sich sowohl für Leute, die sich schon mit der Globalisierung beschäftigt haben, als auch für solche, die noch nicht viel wissen.

Die Phillipinin Minda kämpft täglich um das Leben ihres Sohnes Jinky. Er braucht wöchentlich eine Dialyse, weil seine Nieren nicht richtig funktionieren. Für eine Transplantation hat Minda kein Geld. Woche für Woche kämpft sie darum, das Geld für die Blutwäsche zusammen zu kratzen. Ist sie erfolgreich, bedeutet das nur, dass der Kampf von Neuem beginnt. Minda war nicht immer arm, besaß ein Haus. Doch alle Ersparnisse sind weg, im Mittelpunkt des Lebens der ausgezehrten und abgekämpften Frau steht nur noch ihr Sohn. Das ehemals staatliche Gesundheitswesen der Phillipinen wurde in den 80ern privatisiert, auch lebensrettende Maßnahmen gibt es nur noch gegen Bares.

Während Minda und ihr Sohn „Opfer“ sind, ist Bongani aus Soweto, Südafrika, ein Aktivist. Zusammen mit seinen Mitstreitern vom Soweto Electricity Crisis Commitee (SECC), hilft er Menschen, denen von der privatisierten Stromgesellschaft der Saft abgedreht wurde. Sie knacken die „Prepaid“-Stromzähler und schließen gekappte Kabel wieder an. Bongani kämpft auch gegen die ANC-Regierung. Der ANC war einst die schwarze Befreiungsbewegung gegen die Apartheid, hatte gerade in Soweto die Massen hinter sich. Heute bereichern sich die ANC-Funktionäre an der Privatisierung. Bei einem Protest rufen die Menschen mit Bongani nicht nur die alten Parolen der Befreiungsbewegung wie „Amandla!“ (Macht!), sondern auch „nieder mit dem ANC, nieder mit dem Kapitalismus, es lebe die Arbeiterklasse“!

Auch die Schilderung der Eisenbahn-Privatisierung in Großbritannien und des erfolgreichen Widerstandes gegen die Wasser-Privatisierung im bolivianischen Cochabamba stecken voller interessanter Fakten. Das Beispiel Cochabamba zeigt, dass Widerstand erfolgreich sein kann. Filmisch sind diese Teile allerdings weniger gut umgesetzt, sie bleiben zu sehr reine Fakten-Beschreibung, ohne dass die mörderische Mechanik der Privatisierung wirklich erfahrbar wird. Vor allem der Bericht aus Großbritannien wirkt mit zahlreichen Bildeinstellungen von Zügen, Gleisen, Bahnhöfen aus allen möglichen Kamera-Perspektiven doch etwas wie eine in die Länge gezogene WDR-Reportage.

Den hineingeschnittenen Äußerungen von Joseph E. Stiglitz, Wirtschafts-Nobelpreisträger, fehlt jede Tiefe. Das Hereinnehmen von Stiglitz soll wohl zeigen, dass auch bürgerliche, „respektable“ Ökonomen gegen die ungehemmte Privatisierung sind. Die in den Fallbeispielen vorgelegten Beweise reichen jedoch, Stiglitz" Äußerungen verlängern den Film unnötig.

Das kurze Interview mit einem Weltbank-Sprecher und ein Werbevideo des IWF (Internationaler Währungsfonds) sind hingegen Gold wert. Opitz wollte „die andere Seite“, die Befürworter der Privatisierung zu Wort kommen lassen. Der Regisseur berichtete im Anschluss an eine Vorführung in Köln, dass die schwerste Aufgabe der Dreharbeiten war, ein Gespräch mit IWF und Weltbank zu organisieren. Als die Filmcrew bereits in Washington gelandet war, ließ der IWF ausrichten, man werde kein Interview geben, weil man den Regisseur als „gefährlich“ einstufen würde. Auf Nachfrage wurde gesagt, man hätte gegoogelt und die Ankündigung einer TV-Doku von Opitz auf der WDR-Website gefunden, bei der die Worte „Seattle“ und „Genua“ vorkämen. Die Weltbank erlaubte in vier Jahren Drehzeit ein kurzes Interview von weniger als einer Stunde.

Opitz schilderte das Dilemma des Dokumentarfilmers: wie weit geht man auf Distanz, wie weit ist man neutral? Lässt man Menschen wie Minda leiden und greift gar nicht ein? Er gab die einzig mögliche Antwort auf diese Fragestellung und machte deutlich, dass er den Film als Beitrag des Kampfes gegen die Zustände sieht und damit auch eingreift. Das Team ruft sowohl zu Spenden für die politischen Akteure wie das SECC als auch für humanitäre Spenden für Minda auf.

Georg Kümmel von der Kölner SAV schlug vor, den Film auch bei einer Vormittags-Vorstellung den streikenden Kolleginnen und Kollegen der Telekom zu zeigen. Der Regisseur fand das gut und ein Vertreter des Kinos sagte zu, das zu organisieren, wenn Interesse bei den Streikenden bestünde.

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