Krankenhaus Dresden-Neustadt: GmbH-Gründung verhindern!

Grundlegend andere ver.di-Herangehensweise nötig
Interview mit einer Kollegin*, aktiv bei der ver.di-Betriebsgruppe im Krankenhaus Dresden-Neustadt


 

Seit wann existiert die Betriebsgruppe?

Seit etwa einem halben Jahr. Das Besondere an unserer ver.di-Betriebsgruppe ist, dass sie nicht von Hauptamtlichen ver.di-Funktionären oder von Personalratsmitgliedern gegründet wurde, sondern aus der Initiative von Beschäftigten heraus entstanden ist. Mittlerweile ist mir klar geworden, dass wir damit wohl eine ziemliche Ausnahme sind.

Kannst Du kurz die Situation im Krankenhaus schildern?

Das Krankenhaus Dresden-Neustadt ist eines der zwei letzten kommunalen Krankenhäuser in ganz Sachsen, die noch als Eigenbetrieb geführt werden und ihre Beschäftigten nach TVöD bezahlen.

Trotzdem wurden auch hier in den letzten Jahren schon drastische Sparmaßnahmen durchgeführt, zum Beispiel sind Küche / Cafeteria und Reinigung bereits seit 15 Jahren an private Firmen vergeben (die ihre Beschäftigten natürlich nicht nach TVöD bezahlen) und unser Stellenschlüssel ist seit Jahren bei unter 90 Prozent eingefroren, so dass ständig Mehrarbeit geleistet werden muss. Auch die neuen Arbeitszeitrichtlinien für ÄrztInnen sind jetzt ohne Einstellung neuer ÄrztInnen durchgesetzt worden, was faktisch bedeutet, dass sie die gleiche Arbeit in weniger Zeit zu schaffen haben – oder eben mehr arbeiten ohne dieses abzurechnen.

Die Diskussion um die Privatisierung der Krankenhäuser wird im Stadtrat schon seit Jahren geführt. Unser zuständiger Ordnungsbürgermeister Sittel hat kommunal geführte Krankenhäuser schlicht als „Auslaufmodell“ bezeichnet. Solange die Krankenhäuser schwarze Zahlen geschrieben haben und beispielsweise durch den Verkauf der städtischen Wohnungsgesellschaft Woba viel Geld und die Stadtkassen floss, verschob man die Privatisierung immer wieder. Mittlerweile hat sich die Situation jedoch durch die Einführung der Fallpauschalen, die Gesundheitsreformgesetze, Mehrwertsteuererhöhung und die höheren Lohnkosten für ÄrztInnen so zugespitzt, dass das Krankenhaus im nächsten Jahr kaum noch schwarze Zahlen schreiben kann. Die Ärztestreiks letztes Jahr sollen nun scheinbar als Begründung für die GmbH-Gründung herhalten.

Damit kann die Stadt aus dem Arbeitgeberverband aussteigen und der erste Schritt zur Privatisierung wäre getan.

Über die Pläne der Stadt und die Haltung des Personalrats und der Gewerkschaft wurden die Beschäftigten nahezu gar nicht informiert. Aus diesem Grund hat sich unsere Betriebsgruppe gegründet. Wir wollen aktiv werden gegen die GmbH-Gründung und genauso gegen Lohnverzicht. Denn das ist das heimliche Wundermittel von Personalrat und Gewerkschaftsführung, mit dem wir dann die schwarzen Zahlen des Krankenhauses retten und praktisch den Erhalt des Eigenbetriebs „erkaufen“ sollen.

Wie verhält sich der Personalrat in dieser Situation?

Einige Personalräte waren auf unseren Treffen dabei. Mittlerweile wurden VertreterInnen von uns zu einer Personalratssitzung geladen. Wir wissen deshalb sicher, dass es kein einziges Mitglied des Personalrats gibt, das sich konsequent auf unseren Standpunkt stellen und uns unterstützen würde. Sie sehen ihre Aufgabe darin, das „geringere Übel“ zu suchen. Das heißt, sie wollen im Rahmen des ZuSi (Tarifvertrag zur Zukunftssicherung, der Bestandteil des TVöD ist) auf Teile des Lohnes verzichten, um die GmbH-Gründung zu verhindern.

Sie haben uns sogar vorgeworfen, dass wir die Privatisierung vorantreiben würden, wenn wir gegen Lohnverzicht kämpfen. Außerdem nehmen sie es uns sehr übel, dass wir über die Stationen gegangen sind und mit den Beschäftigten über diese Situation gesprochen haben (was sie selber nie tun). Sie sagen, dass wir dadurch die Beschäftigten verwirrt und beunruhigt hätten, dabei bräuchten diese doch einen freien Kopf, um gut zu arbeiten!

Im Endeffekt ist der Personalrat bei uns ein Gremium, das in Zusammenarbeit mit der Klinikleitung nach der sozial verträglichsten Lösung zum Lohnverzicht sucht, ohne die Beschäftigten zu fragen und über den Diskussionsprozess zu informieren.

Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit mit ver.di?

Nachdem sich unsere Gruppe schon drei mal getroffen hatte, kam dann auch ein hauptamtlicher Vertreter von ver.di dazu. Das war für einige am Anfang eine große Erleichterung, denn niemand von uns hatte wirklich Erfahrung in Gewerkschaftsarbeit. Mittlerweile hat sich aber deutlich gezeigt, dass dieser Gewerkschaftssekretär uns in unseren eigentlichen Forderungen nicht unterstützt. Zum einen sagt auch er, dass man sich „den finanziellen Gegebenheiten anpassen muss“ – was am Ende auch nur eine schöngeistige Bezeichnung für Verzicht ist. Zum anderen hemmt er uns in unseren Aktivitäten, indem er behauptet, wir hätten noch nicht die Basis und Strukturen für größere Aktionen, wir sollten uns lieber um gewerkschaftliche Alltagsarbeit bemühen und damit Leute werben. Die Verhinderung der GmbH-Gründung und Kampf gegen ZuSi wären zu große Brocken für uns, dafür würde er nicht den Kopf in Berlin hinhalten und so weiter.

Der Punkt ist aber, dass genau diese beiden Themen die Beschäftigten bewegen. Und wenn er als Hauptamtlicher uns darin nicht unterstützt, zerstört er damit die gerade erst aufkeimende Bereitschaft zu Gegenwehr und zu gewerkschaftlichen Kämpfen.

Wie sollte die Betriebsarbeit der Gewerkschaft Deiner Meinung nach aussehen?

Ich finde, der oder die zuständige Gewerkschaftssekretärin müsste sich regelmäßig ins Krankenhaus begeben, mit den Beschäftigten sprechen und über die aktuellen Dinge informieren. Auch darüber, was die Betriebsgruppe macht. Wenn solche Angriffe wie jetzt laufen, könnten zum Beispiel aktive Mittagspausen organisiert werden. Die Beschäftigten müssten regelmäßig schriftlich über politische Entwicklungen informiert werden. Und das wichtigste: Sie müssten uns ermutigen und in jeder aufkeimenden Aktivität unterstützen. Anliegen, die von einzelnen Beschäftigten an sie herangetragen werden, müssten publik gemacht werden, damit den Beschäftigten beziehungsweise den Gewerkschaftsmitgliedern bewusst wird, dass sie nicht allein dastehen, und vor allem, dass sie gemeinsam eine ungeheure Stärke haben.

Kannst Du die Auswirkungen der Verzichtspolitik der Gewerkschaften für Euren Kampf schildern?

Vieles ist schon gesagt. Zusammengefasst sind es meiner Meinung nach folgende Hauptauswirkungen:

1) Es wird eine Lohndumpingspirale in Gang gesetzt. Die Gehälter in den anderen Krankenhäusern orientieren sich am TvöD und werden demnächst dann auch sinken.

2) Je uneinheitlicher die Tarifverträge werden, desto mehr werden die Beschäftigten gespalten und in ihrer Kampfkraft und -bereitschaft geschwächt.

3) Die Krankenhäuser werden attraktiver für den Verkauf.

4) Der aktuellen Politik wird nichts Spürbares entgegengesetzt, so dass die Unterfinanzierung der Krankenhäuser und die Verschlechterung der Patientenversorgung praktisch ohne Gegenwehr akzeptiert wird.

Die Arbeit von ver.di ist nach diesen Erfahrungen weder demokratisch, weil sie ihre Verhandlungen und Absprachen führen, ohne die Mitglieder zu beteiligen, noch ist sie kämpferisch. Sie führt noch nicht einmal zum Erhalt der bisherigen Arbeitsbedingungen der Beschäftigten, geschweige denn zu Verbesserungen oder gar zu wirksamen politischen Gegenaktionen. Und eigentlich sollten Gewerkschaften doch dazu da sein.

Das Interview führte Steve Kühne, Dresden.

*Name der Redaktion bekannt