„Wo ist unser Geld?“

LG.Philips Beschäftigte in Aachen blockieren ihr Werk
 

Seit Montag, den 30.01.2006 blockieren LG.Philips Beschäftigte die Tore des Aachener Glas- und Glühlampenwerks. Philips hatte plötzlich am vergangenen Freitag für die Glasfabrik Insolvenz angemeldet. Ursprünglich war geplant, das Werk zum 31.12.2007 zu schließen, worüber ein festgeschriebener Sozialplan für die noch 380 Beschäftigten existiert. Jetzt sollen die Mitarbeiter ohne Abfindung und Sozialplan von heute auf morgen entlassen werden. Dabei hatten die Philipsbeschäftigten zugunsten des Sozialplanes in den letzten Jahren auf die Hälfte ihres Weihnachts- und Urlaubsgeldes verzichtet und Mehrarbeit bei gleichem Lohn in Kauf genommen. Mit allein diesen Kürzungen hat Philips 8 Millionen Euro eingespart. Die Mitarbeiter fordern die Einhaltung des Sozialplans, angemessene Abfindungen und die Rückerstattung der 8 Millionen Euro.

von Aemi Schröter, Aachen

Bereits 2004 wurde das Philips Bildröhrenwerk in Aachen geschlossen. 1000 Mitarbeiter verloren ihren Arbeitsplatz. Das Philips Glaswerk lieferte ein Drittel ihrer Gesamtproduktion an das Bildröhrenwerk. Die produzierten Fernsehbildschirme, bzw. Konen gehen nun an die Tochterfirma in Dreux (Frankreich). Dieses Werk, sowie eine Tochterfirma in Eindhoven (350 Beschäftigte) und ein Werk in Tschechien sollen ebenfalls geschlossen werden.

Das Philips Glühlampenwerk auf demselben Gelände ist von der Insolvenz nicht betroffen, wobei Kollegen vermuten, dass eine Schließung in den nächsten zwei Jahren wahrscheinlich ist. Das Glühlampenwerk ist Lampenzulieferer für u.a. Audi, Opel, BMW, Mercedes. Seit Montag wurde kein LKW mit Glühlampen mehr durch die Werkstore gelassen, womit die Produktion der Autohersteller erheblich beeinträchtigt wird. Selbst PKWs die versuchten Glühlampen aus dem Werk zu schmuggeln wurden aufgehalten. Der Druck hat sich ausgezahlt, Philips Deutschland hat sich zu Gesprächen mit den Betriebsratsvertretern bereit erklärt. Ein erstes Angebot, weit unter den Forderungen der KollegInnen wurde von diesen empört abgelehnt. Jetzt gibt es weitere Verhandlungen. Um Gesprächsbereitschaft zu signalisieren, wurden auf Anweisung des Betriebsrats seit Dienstag wieder einige wenige Transporter durch die Tore gelassen. Viele der an der Blockade Beteiligten reagierten darauf wütend. Sie sind der Ansicht, dass eine Lockerung der Blockade ihre Verhandlungsposition nur verschlechtert.

Angebot des Philips Konzerns

Laut Angaben des Philips Konzerns soll es eine Beschäftigungsgesellschaft für die Mitarbeiter des insolventen Werks geben. Der Betriebsrat will über das Angebot beraten. Eine Stellungnahme dazu soll es in Kürze dazu geben Doch ein tatsächliches Ergebnis liegt noch nicht auf dem Tisch. Viele KollegInnen signalisieren: wir gehen hier nicht weg bis wir unser Geld haben.

Solidarität der Aachener Bevölkerung

Innerhalb der Aachener Bevölkerung ist die Solidarität mit den Beschäftigten riesig. Seit Anfang der Blockade werden die Kollegen u.a. vom Roten Kreuz und den Maltesern mit Essen und Trinken versorgt. Eine Aachener Bäckerei brachte den Beschäftigten belegte Brötchen. Restaurants beliefern die Streikenden mit Pizza. Viele Aachener kommen mit Kaffee und Brötchen sowie Feuerholz vorbei. Ehemalige KollegInnern, die das Werk schon lange verlassen haben kommen vorbei um mit den KollegInnen die Blockade durchzuführen.

Besonders ergreifend für viele KollegInnen war der Besuch einer Schulklasse und einer Kindergartengruppe die den KollegInnen Solidarität und ihre praktische Unterstützung mit Lebensmitteln und Taschengeld vorbeibrachten. Besonders wichtig für die KollegInnen sind auch die Abordnungen der KollegInnen aus anderen Betrieben. So unterstützten ver.di KollegInnen – vorwiegend aus dem nahe gelegenen Walmart – die Blockade, genauso wie Mitglieder der IG BCE.

Es gab aber nicht nur Unterstützung von Seiten der Aachener, auch eine Abordnung der im Streik befindlichen AEG Beschäftigten aus Nürnberg kam nach Aachen gefahren, um ihre Solidarität mit den Philips Beschäftigten zu bekunden. Die Unterstützung der eigenen Gewerkschaft jedoch bleibt gering, sehr zum Unmut der Betroffenen! „Die sollen sich mal mit uns die Nächte bei –9°C um die Ohren schlagen!“ fordert ein Kollege.

Kämpferische Stimmung

Die meisten der betroffenen Beschäftigten äußern sich kämpferisch. Sie sind gewillt, die Blockade so lange aufrecht zu erhalten, bis sie ihre Ziele, die Aufrechterhaltung des Sozialplans und angemessene Abfindungen, durchgesetzt haben. Mit dem Bewußtsein nichts mehr verlieren zu können, sind sie bereit, bis zum äußersten zu kämpfen. Deshalb wird die Blockade auch fast rund um die Uhr aufrecht erhalten. Viele KollegInnen stehen die halbe Nacht vor dem Tor und prüfen die ankommenden Transporter.

Viele von ihnen sind mehr als zehn Jahre bei Philips beschäftigt. Mit dem Verlust des Arbeitsplatzes geht ihre ganze Existenz zugrunde. Eine Chance auf einen neuen Arbeitsplatz besteht für die Beschäftigten kaum. Viele sind ungelernte Arbeitskräfte oder wie einem auf dem Arbeitsamt dann mitgeteilt wird mit Ende vierzig schon zu alt, um noch Aussicht auf eine Beschäftigung zu haben. Deshalb fordern die KollegInnen auch weiterhin auf Bannern „Gebt was uns zusteht“.

Infoseite von LG-Philips Beschäftigten: www.aachener-glassfront.de