Kampf um Macht und Märkte in Asien und international

Japan und China im Wettstreit um die Vorherrschaft Asiens – mit dramatischen Folgen für die Weltwirtschaft
 
Die Neuwahl des japanischen Parlamentes am 11. September kann von großer Bedeutung für Asien und die Welt werden. Der Partei des Ministerpräsidenten Koizumi, die Partei der Liberaldemokraten (LDP), die abgesehen von zehn Monaten die ganzen letzten 50 Jahre regiert hat, droht eine Spaltung. Unmittelbarer Hintergrund ist die Niederlage des erzkonservativen und nationalistischen Ministerpräsidenten Koizumi in der Abstimmung des Oberhauses über die geplante Privatisierung der Post. Allerdings geht es um viel mehr.
Zeitgleich zum Programm der Privatisierungen und anderer Sozialkürzungen hat Koizumi einen neuen aggressiven Ton in der Außenpolitik angeschlagen, was seit seit der Niederlage im Zweiten Weltkrieg ohne Beispiel ist. Dazu wurde er von der US-Regierung unter Bush ermutigt.
Während der Amtszeit Koizumis seit 2001 hat Japan territoriale Streitigkeiten mit Russland, Südkorea und anderen Ländern vom Zaun gebrochen, gegenüber Nordkorea einen härteren Kurs eingeschlagen, sich in die Frage von Taiwan gegen China öffentlich geäußert und Truppen in den Irak geschickt. Genauso wie der deutsche Imperialismus möchte die herrschende Klasse Japans weg von der Rolle, die sie international aufgrund ihrer Niederlage im Zweiten Weltkrieg jahrzehntelang einnehmen musste.

Neue imperialistische Rolle Japans

Die Herrschenden in Japan wollen ihre ökonomischen Interessen jetzt auch wieder offensiv mit militärischen Mitteln verfolgen. Die Nachkriegsverfassung beinhaltet den Paragraf Neun, der Japan solche militärischen Aktionen untersagt – in den Augen Koizumis, aber auch des US-Imperialismus ist dieser Paragraf obsolet. Aller-dings sind immer noch zwei Drittel der JapanerInnen gegen die Streichung dieses Paragrafen.
Für das Weiße Haus ist es von Interesse, Japan militärisch zu stärken, um den Aufstieg Chinas aufzuhalten. Die USA haben jetzt zum Beispiel vor, ihre wichtigste operative Militärbasis in Asien nach Japan zu verlegen. Strategisch erhofft sich Washington in Japan eine ähnliche Rolle wie in Großbritannien – als ihnen untergeordneter, zuverlässiger Verbündeter in der Außenpolitik.
Als Japan einen permanenten Sitz im UNO-Sicherheitsrat einforderte, löste dies nationalistisch geprägte Protestdemonstrationen in Südkorea und China aus. Die brutale Geschichte der japanischen Besatzungsmacht in Korea und China vor 1945 und deren Bagatellisierung durch Koizumi und seiner Regierung gab den Protesten Nahrung.

Ambitionen Chinas

Die vier Wochen dauernde antijapanische Protestbewegung in China im April diesen Jahres war die erste Bewegung auf nationaler Ebene seit den Massenprotesten 1989. Die Anfangs moderate Unterstützung durch die Bürokratie der KP Chinas steht im Kontrast zur sonst üblichen gnadenlosen Unterdrückung jeglichen Protestes im Land. Grund dafür sind die Ambitionen der Herrschenden in China auf die Vorherrschaft über ganz Asien.
Die neuen außenpolitischen Machtansprüche Chinas spiegeln die im riesigem Tempo wachsende Wirtschaftsstärke wider. Nach den USA und Russland ist China heute auf Rang drei bei den Rüstungsausgaben: 55,9 Milliarden Dollar im Jahr 2003. Aufgrund ihrem Ziel, Rohstoffquellen zu sichern und neue zu kontrollieren, streben sie eine dominante Rolle in Zentralasien an und sind auf Bündnisse mit dem Iran und mehreren afrikanischen Staaten aus.
Der Konflikt zwischen Japan und China ist aber ein gefährliches Spiel für die Machthaber in beiden Ländern, nicht zuletzt wegen der Handelsbeziehungen und ökonomischen Abhängigkeiten. Ein Fünftel des chinesischen Außenhandels wird heute mit Japan abgewickelt. Darüber hinaus sind die USA der mit Abstand wichtigste Exportmarkt Chinas. Die, wenn auch nur moderate, wirtschaftliche Erholung Japans in den letzten Jahren basiert großteils auf den chinesischen Markt.

Wirtschaftliche Abhängigkeiten und Krisengefahren

Nicht minder fürchten die Kapitalisten die ökonomische Rolle Chinas. Über ein Jahrzehnt war die chinesische Währung, der Yuan, an den Dollar gebunden. Aber während Chinas Wirtschaft ein beispielloses Wachstum erlebte, ist der US-Markt mit den größten Problemen seit den dreißiger Jahren konfrontiert. Die Folge: Chinesische Waren konnten mehr und mehr zu Niedrigpreisen auf dem Weltmarkt verkauft werden.
Lange drohten die USA mit protektionistischen Zöllen, falls China seine Währung nicht freigibt und damit eine erhebliche Aufwertung des Yuan erlaubt. Im Juli war es so weit. Der Yuan wurde um zwei Prozent aufgewertet – was jedoch nur ein Bruchteil dessen ist, was bei einer wirklichen Freigabe zu erwarten wäre (dann würden sich nämlich chinesische Waren schätzungsweise um 40 Prozent auf dem Weltmarkt verteuern).
Die Aufwertung des Yuan kann daher nur der Anfang gewesen sein. Auch wenn sich dadurch das US-Handelsdefizit verringern müsste, könnte damit allerdings auch ein massiver Vertrauensschwund in den Dollar einsetzen. Das wiederum könnte zur Erschütterung der chinesischen Wirtschaft führen – wo schon kleine Verluste die Profitraten in der Exportindustrie enorm beeinträchtigen können.
Hintergrund für die wachsende Rivalität zwischen Japan und China ist die allgemeine Verschärfung der innerimperialistischen Widersprüche im Niedergang des Kapitalismus. Begonnen hat eine Ära verstärkter militärischer Konflikte, Auseinandersetzungen um Rohstoffe und Einflusssphären. Eine Ära instabiler, kurzweiliger Allianzen. Eine Ära, in der Maßnahmen zur Lösung von Problemen auf kapitalistischer Basis für die Machthaber zu neuen und größeren Schwierigkeiten führen.
Die einzige wirklich internationalistische Kraft – in Japan, in China, wie weltweit – ist die Arbeiterklasse. Nur durch ihren Widerstand gegen Machtstreben und Profitinteressen ist eine Spirale von ansteigenden nationalistischen Rivalitäten und letztend-lich Kriegen zu stoppen.

von Tommy Lindqvist, Berlin