Spandau zeigt Solidarität

Bedrohte Belegschaft der Berliner Bosch-Siemens-Waschmaschinenfabrik erhält Unterstützung: 2000 Arbeiter demonstrierten während der Arbeitszeit.
 
Es war der Tag der Solidarität in dem West-Berliner Industriegebiet Siemensstadt. Von hier aus, wo die letzten größeren Produktionsbetriebe der Hauptstadt beheimatet sind, demonstrierten mehr als 1000 Arbeiter der diversen Siemens-Werke, von Osram, DaimlerChrysler, BMW, CNH, Schleicher und Alstom Power zur nahe gelegenen Bosch-Siemens-Waschmaschinenfabrik (BSH), um den dortigen, mit Entlassung bedrohten, Beschäftigten ihre Unterstützung auszudrücken. Vor dem BSH-Werkstor hatte sich bereits die gesamte Schicht – etwa 800 Arbeiter – eingefunden, die ihre Kollegen mit frenetischem Beifall begrüßten.

»Es ist wichtig, sich gegenseitig zu unterstützen, denn die Kapitalisten haben alle das gleiche Ziel: Arbeitsplätze abzubauen und so die Dividenden zu erhöhen«, erklärte Mustafa Efe, Betriebsrat im Marienfelder DaimlerChrysler-Werk. Sebastian Müller vom Siemens-Schaltwerk meinte, es könne nicht sein, »daß wir von den Firmen ausgenutzt und gegeneinander ausgespielt werden«. »Es sind schon so viele Jobs vernichtet worden – das ist einfach nicht richtig«, empörte er sich. Einer der vielen jungen Arbeiter, die sich an dem Demonstrationszug beteiligten, ergänzte: »Wenn hier ein Betrieb nach dem anderen dichtmacht, bekommt man Angst um die eigene Existenz.«

Daß dies keineswegs unbegründet ist, machte IG-Metall-Bezirksleiter Olivier Höbel in seiner Ansprache deutlich. »Seit 1990 sind mehr als drei Viertel der Industriearbeitsplätze in Berlin vernichtet worden«, sagte er und forderte ein gesetzliches Verbot von Kündigungen für gut verdienende Betriebe. Auch bei Bosch-Siemens hätten die Beschäftigten jahrelang ihre Arbeitskraft eingesetzt, mit dem erarbeiteten Geld seien jedoch in erster Linie die Aktionäre bedient worden, statt Investitionen in die Entwicklung neuer Produkte zu tätigen. »Die Zukunftsperspektive der Beschäftigten wurde so systematisch abgewürgt«, kritisierte Höbel, der ankündigte, man werde sich »mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln« zur Wehr setzen.

Der BSH-Betriebsratsvorsitzende, Güngör Demirci, zeigte sich »überglücklich« über die demonstrierte Solidarität der anderen Belegschaften. »Wenn wir geschlossen handeln, können wir die Arbeitsplatzvernichtung verhindern«, ist sich Demirci sicher. Die Unternehmensleitung forderte er auf, den Schließungsbeschluß unverzüglich zurückzunehmen. Sonst werde es eine Auseinandersetzung geben, die die Belegschaft »bis zum bitteren Ende« führen werde. »Es könnte zu einem Arbeitskampf kommen, der mehrere Wochen oder gar Monate dauern kann«, kündigte der Beschäftigtenvertreter an. Georg Nassauer, Chef des Siemens-Konzernbetriebsrats, versicherte der BSH-Belegschaft die volle Unterstützung ihrer Kollegen beim Mutterkonzern zu. Man werde »um jeden Arbeitsplatz kämpfen, der in Berlin abgebaut werden soll«, so Nassauer. Im Gespräch hatte er zuvor indes betont, es werde für die Siemens-Belegschaften »sehr schwer werden, weitere Solidaritätsaktionen dieser Art zu initiieren.«

Andere zeigten sich optimistischer. Detlev Fendt, IG-Metall-Vertrauenskörperleiter im Berliner DaimlerChrysler-Werk, sagte: »Wenn Metaller mit denselben Formen der Erpressung konfrontiert sind, dann sollten wir uns auch gemeinsam gegen die Angriffe des Kapitals wehren.« Unter Verweis auf die kürzliche Arbeitsniederlegung bei der BVG meinte Fendt: »Auch sie gehören in diese Auseinandersetzung.« Und Gerhard Lux von Alstom Power erklärte: »Es ist notwendig, daß wir uns gegen jeden weiteren Arbeitsplatzabbau wehren – das erwarten auch die Arbeitslosen in dieser Stadt von uns.«

von Daniel Behruzi, Berlin