Alles Schlepper und Kriminelle?

Die „Visa-Affäre“ ist Wasser auf die Mühlen der Rassisten
 
Mit Ludger Vollmer musste auch ein Grüner als Staatsminister zurücktreten, weil er beide Hände aufhielt, um sich zu bereichern. Als Teilhaber der Firma „Syntheses“ soll er versucht haben, deutschen Konzernen im Ausland Türen zu öffnen. Das ist schon Schnee von gestern – im Gegensatz zur „Visa-Affäre“, in die Vollmer ebenfalls verwickelt ist.
Worum geht es angeblich? Der im März 2000 eingeführte Fischer-Vollmer-Erlass soll Schlepperbanden aus der Ukraine in die Hände gespielt haben. Die Zahl der Antragsteller bei der deutschen Botschaft in Kiew verdoppelte sich von 1999 bis 2001 auf 300.000. Es heißt, viele reisten als Touristen ein, um schwarz zu arbeiten oder sich zu prostituieren.
Worum geht es wirklich? Natürlich gibt es die Machenschaften der Schlepper, natürlich gibt es illegale Beschäftigungen in hoher Zahl. Das war aber auch vor diesem neuen Erlass der Fall. Worüber Politiker und Medien nicht reden, sind die eigentlichen Probleme: Massenverarmung in osteuropäischen Ländern wie der Ukraine im Zuge der Wiedereinführung des Kapitalismus, was Menschen zwingt, ins Ausland zu gehen und illegale Jobs anzunehmen.
Das Thema kam der CDU kurz vor der Landtagswahl in Schleswig-Holstein gerade recht. Der Leiter des Kriminologischen Institutes Hannover, Christian Pfeiffer, bezeichnete das als „Politiktheater“ und meinte, dass eine Zunahme der „Ausländerkriminalität“ nicht belegbar sei. Während 1992 knapp 600.000 MigrantInnen nach Deutschland kamen, waren es 2003 gerade 100.000. Kein Wunder, wurde das Asylrecht doch de facto abgeschafft.
Warum dann diese Debatte? Weil nach der Wahl vor der Wahl ist. Und jetzt steht die Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen an. Dort versuchen Politiker wie der SPD-Landeschef Schartau mit rassistischen Ressentiments auf Stimmenfang zu gehen: Laut Schartau habe es „negative Auswirkungen auf die Wählerschicht der SPD, wenn der Eindruck entsteht, die Regierung lasse in Zeiten der Massenarbeitslosigkeit massenweise Fremde ins Land, die der Bevölkerung dann als Schwarzarbeiter die Arbeit wegnehmen.“
Im Kapitalismus ist Flüchtlingspolitik immer abhängig von handfesten ökonomischen Interessen. So hat ausgerechnet der Rassist Roland Koch (CDU), Ministerpräsident von Hessen, im letzten Oktober vom Außenamt eine gelockerte Einreisepolitik gegenüber China gefordert. Das Problem besteht nicht darin, dass MigrantInnen hier illegale oder prekäre Beschäftigungsverhältnisse eingehen, sondern dass in allen kapitalistischen Staaten heute Arbeitsplätze massenhaft abgebaut werden und ein Niedriglohnsektor hochgezogen wird, und Neonazis mit diesen rassistischen Parolen noch eine Steilvorlage erhalten.