Streiks gegen Pensionsraub in Österreich

500.000 ArbeitnehmerInnen streikten in Österreich gegen die Regierungspläne

von Harald Mahrer, Wien
 
Am 6. Mai mobilisierte der ÖGB (Österreichischer Gewerkschaftsbund) eine halbe Million ArbeitnehmerInnen zu 10.000 Aktionen und Streiks gegen die geplanten Angriffe auf die Renten, „Pensionsreform“ genannt. Der ÖGB beendete damit recht abrupt die nahezu streiklose Periode seit Mitte der 60er Jahre des vorigen Jahrhunderts.
In Deutschland wurden in der FAZ und im ZDF die Streiks fälschlicherweise als Generalstreik bezeichnet. Der ÖGB hat zu einem Streiktag aufgerufen, an dem sich im Prinzip alle Belegschaften hätten beteiligen können. Tatsächlich mobiliserte er aber nur in Großbetrieben mit guter gewerkschaftlicher Organisierung, aber selbst da nicht in allen. So war etwa die Eisenbahn im Personenverkehr im Einsatz, bei der Telekom kam es zu keinem Streik.
Dennoch wurde in hunderten Firmen, im öffentlichen Nahverkehr aller größeren Städte und an Schulen und Ämtern meist einige Stunden am Vormittag gestreikt. Am meisten Öffentlichkeit bekamen die KollegInnen des öffentlichen Nahverkehrs in Wien, die bis mittag im Ausstand waren, die LehrerInnen der allgemeinbildenden Schulen und die DruckerInnen, die das Erscheinen aller Tageszeitungen (bis auf zwei kleinere Zeitungen in Westösterreich) verhinderten.

Druck von unten

Der ÖGB wollte ursprünglich zahmere Aktionen ansetzen und auch das nur, weil der Regierungsplan auch Teile enthielt, die direkt die Macht der Bürokratie beschneiden würden. In den Betriebsversammlungen im April wurde aber rasch klar, dass die Basis mehr will, als nur Reden zu lauschen. Dieser Druck von unten, der sich in Resolutionen, Leserbriefen und tausenden Austrittsdrohungen manifestierte, führte zu jener Dynamik, die die Gewerkschaftsspitze dazu zwang, einen nächsten Schritt zu machen.

Kein Plan an der Spitze

Die Gewerkschaftsspitze hat als Streikziel angegeben, dass die „Reform“ bis Herbst zurückgestellt werden soll, um in Verhandlungen zu einer „besseren Reform“ zu kommen. Darüber hinaus besteht kein Plan, wie selbst dieses unzureichende Ziel erreicht werden soll. Dem Streiktag folgte eine Großdemonstration in Wien am 13. Mai, für danach stehen zwar weitere Streiks im Raum – der Gewerkschaftschef der Eisenbahner sprach von drei- bis viertägigen Streiks – konkrete Pläne sind aber weder den BetriebsrätInnen noch der Öffentlichkeit bekannt.
Wie im Vorfeld des 6. Mai sichtbar wurde, bewegt sich die Gewerkschaftsspitze nur, wenn sie das Feuer der Basis unter ihrem Hintern spürt. Es ist notwendig, dieses Feuer zu verstärken, durch Resolutionen in den Betrieben und durch selbstständige Organisation von Aktionen an den Aktionstagen (zumindest einer ist bisher sicher).
Die Gewerkschaftsspitze wird versuchen, zu bremsen, wo es nur geht. Einerseits gelingt ihr das durch ihre Desinformation bezüglich der Aktionen, andererseits greift sie hart durch, wenn etwas gegen ihren Willen entsteht. Zum Beispiel wurde es den KollegInnen bei Wien-Strom verboten, die Stromversorgung für Verkehrsampeln zu kappen.
Klarheit in Programm und Mobilisierung Die Sozialistische LinksPartei ist eine der wenigen Kräfte, die sowohl klare Streikziele vorschlägt als auch einen konsequenten Plan zu deren Erreichung. Wir fordern die Rücknahme der gesamten „Reform“ und statt dessen eine 30-Stunden-Woche bei vollem Lohn, um Arbeit für die 350.000 Arbeitslosen zu schaffen, einen Mindestlohn von 1.100 Euro netto, in gleicher Höhe ein zeitlich unbegrenztes Arbeitslosengeld und eine Pension (in Deutschland Rente), die nach 35 Beitragsjahren oder mit 55 Jahren Frauen beziehungsweise 60 Jahren Männern zusteht.
Finanziert werden soll all das, über eine Wertschöpfungsabgabe und Steuern auf Kapital und Profit, die in Österreich weit unter dem OECD-Schnitt liegen.
Um diese Ziele zu erreichen ist als erster Schritt ein 24-stündiger Generalstreik nötig. Damit dieser demokratisch und aktiv organisiert werden kann, müssen Streikkomitees gebildet werden und eine österreichweite Konferenz von BetriebsrätInnen einberufen werden, die offen ist für AktivistInnen und Betroffene.

Harald Mahrer ist Bundesvorstandsmitglied der Sozialistischen LinksPartei (CWI in Österreich) und Bundesleitungsmitglied im Gewerkschaftlichen Linksblock (Fraktion im ÖGB von KPÖ, SLP und Unabhängigen)