20. Mai: Tag der internationalen Solidarität mit russischen Anti-Kriegs-Aktivist*innen!

Freiheit für Dzhavid Mamedov und alle Anti-Kriegs-Aktivist*innen!

Für internationale Arbeiter*innen-Solidarität der zur Beendigung des Krieges!

Dzhavid Mamedov, Sozialist, Antikriegsaktivist, Kämpfer für Frauen- und LGBTQ+-Rechte, Gewerkschafter und Teilnehmer am Widerstand gegen das Lukaschenko-Regime in Belarus und das Putin-Regime in Russland, wurde von einem Moskauer Gericht zu weiteren 30 Tagen Haft verurteilt. Er war gerade erst aus dem Gefängnis entlassen worden, nachdem er den letzten Monat inhaftiert war.

Die russische Regierung zeigt angesichts der Erfolglosigkeit ihrer “speziellen Militäroperation”, die angeblich auf die “Entnazifizierung” der Ukraine abzielt, zunehmend Anzeichen von Verzweiflung.

Von Anfang an haben Zehntausende von Russ*innen Widerstand geleistet und sich mutig gegen den Krieg und das Regime ausgesprochen, wobei sie sich dem Risiko politischer Verfolgung und Verhaftung aussetzten. In dieser Zeit wurden mehr als 15.000 Menschen festgenommen. Viele von Ihnen sind Opfer von Polizeigewalt, Folter und langen Haftstrafen geworden. Bislang ist es der Unterdrückungspolitik gelungen, organisierten Widerstand gegen den Krieg zu verhindern. Aber das bedeutet nicht, dass es keinen Widerstand gibt.

Die Unzufriedenheit innerhalb der herrschenden Elite zeigt sich durch individuellen Taten wie der Flucht prominenter Künstler*innen und Entertainer*innen ins Ausland oder einer Reihe von Rücktritten hochrangiger Unternehmensvorständen. Diese Leute denken nur an sich selbst. Sie handeln um ihre eigene Karriere und ihren Reichtum zu retten. Berichten zufolge reagiert Putins Clique mit der Verhaftung führender Persönlichkeiten aus Militär und Geheimdienst.

Währenddessen tun die einfachen Arbeiter*innen, die direkt unter dem Krieg leiden, in Ermangelung einer organisierten Opposition verzweifelt, was sie können. Zu den Eltern junger Matros*innen, die offenbar beim Untergang des Kreuzers “Moskva” ums Leben gekommen sind, gesellen sich diejenigen, deren Söhne in der Ukraine “verschwunden” sind und die verzweifelt nach Nachrichten suchen. Es gibt viele Berichte über Soldat*innen, die den Befehlen in der Ukraine nicht gehorchen oder sich weigern, überhaupt dorthin geschickt zu werden.

Manchmal werden sogar noch verzweifeltere Maßnahmen ergriffen. Eine Reihe von Rekrutierungsbüros der Armee wurde mit Molotowcocktails angegriffen. Eine Welle von Bränden hat Öl- und Waffenlager in Russland selbst zerstört, nicht nur an der Grenze zur Ukraine. Letzte Woche brannte eine Sprengstofffabrik im Ural, während ein riesiges Lagerhaus mit Schulbüchern in Twer, einer Stadt 100 km nördlich von Moskau, zerstört wurde, kurz nachdem der Verlag angekündigt hatte, jegliche Erwähnung der Ukraine aus den Geschichtsbüchern zu entfernen.

Dies sind jedoch Einzeltaten, die für sich genommen nicht reichen, um den Krieg zu stoppen. Sie werden in den Medien ignoriert. Wenn man sie auch nur erwähnt, macht man sich strafbar. Das Regime ist entschlossen, alle Maßnahmen zu ergreifen, um ein Wiederaufleben der heroischen Antikriegsproteste zu verhindern, die Russland in den ersten Tagen erschütterten. Meinungsumfragen und anekdotische Belege zeigen, dass die Anti-Kriegs-Stimmung unter der Jugend und den Arbeiter*innen stärker wird.

Die Hoffnung besteht nun darin, dass sich die Jugendproteste organisieren und mit einem breiteren Protest der Arbeiter*innen zusammenschließen, die unter Entlassungen, Fabrikschließungen und einer rasant steigenden Inflation leiden. Es hat eine kleine, aber bedeutende Anzahl von Streiks gegeben.

Der Nutzen kollektiver, organisierter Aktionen zeigte sich in St. Petersburg, wo der Rektor der St. Petersburger Universität den Verweis von 40 Student*innen, darunter Unterstützer*innen der Sozialistitscheskaja Alternatiwa, ankündigte. Als die Student*innen sich organisierten und einen Tag der Solidarität abhielten, war der Rektor gezwungen, die Drohung zurückzunehmen.

Das Regime ist sich dieser Gefahr bewußt und ist deshalb bereit, alles zu tun, um eine organisierte Opposition zu verhindern.

Dzhavid ist ein Opfer dieser Willkür geworden. Anfang April wurde er für 30 Tage ins Gefängnis gesteckt, weil er in den sozialen Medien einen Aufruf zum Widerstand gegen den Krieg gepostet hatte. Eine Woche vor Ablauf seiner Strafe geschahen dann seltsame Dinge. Er fand sich mit einem neuen Zellenkameraden wieder. Es stellte sich heraus, dass diese Person am 25. März unter großem Medienrummel verhaftet worden war, weil man ihn beschuldigte, ein ukrainischer Spion zu sein. Er wurde als  gefährlicher Krimineller bezeichnet, der laut Medienberichten gestanden hatte, sowohl für die Ukraine als auch für Polen zu spionieren. Die Tatsache, dass er plötzlich in Dzhavids Zelle in einem Gefängnis für nicht kriminelle Straftäter auftauchte, deutete darauf hin, dass er nun mit den Sicherheitsdiensten zusammenarbeitete. Er drohte Dzhavid offen damit, dass er wegen “extremistischer Aktivitäten” angeklagt würde, wenn er nicht bis zum 2. Mai das Land verlasse. Nachdem es ihm nicht gelungen war, ihn zur Zustimmung zu bewegen, schlug er Dzhavid vor, Alkohol in das Gefängnis zu schmuggeln, zweifellos in der Hoffnung, ihn unter Alkoholeinfluss zur Kooperation zu bewegen.

In Absprache mit anderen Aktivist*innen hatte Dzhavid ohnehin bereits beschlossen, das Land zu verlassen. Als er am Samstag das Gefängnis verließ, wurden Vorkehrungen getroffen, um ihn bis zu seinem Abflug in Sicherheit zu bringen. Dennoch gelang es der Polizei, ihn durch eine Gesichtserkennungskamera oder durch das Abfangen einer angeblich sicheren Chat-Nachricht wieder aufzuspüren. Zu allem Überfluss wurde er erneut wegen desselben Delikts angeklagt, für den er seine erste Strafe bereits verbüßt hatte – mit dem einzigen Unterschied, dass die Polizei nun behauptete, er sei ein Organisator. Ein Vorwurf, der nicht stichhaltig ist, da er lediglich einen Aufruf über soziale Medien geteilt hat. Zusätzlich zu seiner zweiten einmonatigen Haftstrafe wurde er auch zu einer Geldstrafe von 50000 Rubel – etwa 700 Euro – wegen “Verunglimpfung der russischen Armee” verurteilt.

Die ISA fordert daher:

  • Die sofortige Freilassung von Dzhavid Mamedov und allen Kriegsgegner*innen;
  • Ein sofortiges Ende des Krieges in der Ukraine mit dem Abzug der russischen Truppen, ein Ende der NATO-Erweiterung und der Sanktionen;
  • die drastische Reduzierung der Rüstungsausgaben und die Verwendung der Mittel stattdessen für Gesundheit, Bildung und Wiederaufbau;
  • Für die Solidarität der Arbeiter*innen in Russland, der Ukraine und in ganz Europa gegen die Kriegstreiber*innen, Oligarch*innen und rechten Politiker*innen, für eine sozialistische Welt, in der die Selbstbestimmung der Nationen mit Rechten für Minderheiten gewährleistet ist und die natürlichen und industriellen Ressourcen in öffentlichem Besitz sind und ihre Nutzung demokratisch im Interesse aller geplant wird.

Die ISA ruft zu einem Tag der internationalen Solidarität mit Dzhavid und allen russischen Aktivist*innen gegen den Krieg auf:

Sprecht mit euren Arbeitskolleg*innen, Klassenkamerad*innen, Freund*innen und allen anderen Kriegsgegner*innen, um Aktionen zu organisieren:

Verteilt Flugblätter und Plakate in der Nachbarschaft, am Arbeitsplatz und in der Schule;

Organisiert Resolutionen oder Protestschreiben eurer Gewerkschaft oder Organisation oder Petitionen eures Kollektivs;

Veranstaltet Proteste und Solidaritätskundgebungen vor einer russischen Botschaft.

Material in verschiedenen Sprachen kann hier abgerufen werden.

Bitte sendet Proteste direkt an die russische Botschaft, mit Kopien und Berichten an intsocaltrussia@gmail.com

Sozialistische Anti-Kriegs-Aktivist*innen in Russland brauchen auch finanzielle Unterstützung. Ihr könnt über PayPal direkt an uns spenden, wir leiten die Spende über sichere Kanäle an die Betroffenen weiter: https://www.paypal.com/donate/?hosted_button_id=H3B2G6XKFHXGJ