Nein zur Wehrpflicht! Was plant die Regierung?

Von Conny Dahmen, Köln

Die Merz-Regierung will die Bundeswehr personell aufstocken und geht Schritte in Richtung Wiedereinführung der Wehrpflicht. Zum Redaktionsschluss lag der Text des Gesetzesentwurfs von Minister Pistorius noch nicht vor, doch es läuft wohl auf einen Stufenplan hinaus:

Der Wehrdienst soll ab 2026 „attraktiver” werden (z.B. Bezahlung), um mehr Freiwillige anzuziehen.

Alle 18jährigen Männer und Frauen erhalten ab 2026 einen Fragebogen, mit dem ihre Bereitschaft zum Wehrdienst abgefragt wird. Für Männer ist das Ausfüllen Pflicht, für Frauen freiwillig.

Ab Juli 2027 wird die Musterung für alle 18jährigen Männer verpflichtend.

Die Bundeswehr soll um 60.000 Soldat*innen auf 240.000 Soldat*innen aufgestockt werden. Das ergibt sich aus den NATO-Zielen und aus den Plänen, die Militärausgaben auf 5% des BIP (ca. 50% des Bundeshaushaltes) zu erhöhen. Das neu anzuschaffende Material erfordert mehr Menschen, die es bedienen.

Es ist nicht wahrscheinlich, dass allein die aggressive Dauerbeschallung junger Menschen mit Bundeswehr-Werbung und der Zwang zu Fragebogen und Musterung zu Zehntausenden neuen Soldat*innen führen werden. Die Zahl der Freiwilligen ist 2025 gestiegen, doch die Abbruch-Quote ist hoch. Der Armee fehlen zudem Reservist*innen, weil die Jahrgänge altern, die noch in starkem Maße Wehrdienst geleistet haben. Es ist zudem absehbar, dass 240.000 nicht die Obergrenze sein werden.

Für den Fall, dass Werbung, höhere Bezahlung und Druck nicht reichen, ist die Wiedereinsetzung der Wehrpflicht fest eingeplant. Ob dies im aktuellen Gesetzesentwurf als Automatismus auftaucht oder nachgeschoben wird, ist nicht entscheidend. Diese Regierung will die Wehrpflicht einführen. Der Widerstand gegen die Einführung muss daher jetzt verstärkt werden.

Dauerwerbesendung Bundeswehr

81% der Menschen zwischen 15 und 30 Jahren sind nicht bereit, „für ihr Land” zu sterben, 69% wollen es auch nicht mit der Waffe verteidigen. Das sind die Ergebnisse der im Juni veröffentlichten „Jugendtrendstudie 2025”, bei der Wissenschaftler*innen des Instituts für Generationenforschung 5000 Menschen zwischen 15 und 30 Jahren befragt haben (Tagesspiegel, 29.04.2025).

Dementsprechend würden die meisten im Falle einer Wehrpflicht verweigern oder einen sozialen Dienst leisten. Dass junge Menschen offenbar zu vernünftig oder mitfühlend sind, ist ein Problem für die staatlichen Kriegsvorbereitungen. Deswegen müssen militaristische und nationalistische Propaganda und der Druck weiter hochgefahren werden, bis auch die Letzten davon überzeugt sind, „ihrem Land etwas zurückgeben” zu wollen. 

Kinder an Waffen

Hunderttausende Jugendliche „im wehrfähigen Alter“ wurden persönlich und brieflich zum „Tag der Bundeswehr“ eingeladen, der an verschiedenen Standorten in Deutschland Ende Juni veranstaltet wurde. Beim bunten Treiben an der Kaserne durften sogar Grundschulkinder auf Panzern herumklettern und Waffen halten. Sowas ist der Bundeswehr zwar offiziell untersagt, aber „in diesen Zeiten …”

Die Frühmilitarisierung hat schon eine längere Tradition: Im süddeutschen Kellmünz organisiert die Bundeswehr bereits seit 15 Jahren ein Sommercamp für Grundschulkinder, mit Hüpfburg und Wasserschlacht – alles ganz harmlos. 

2024 wurden über 2200 Minderjährige an Waffen ausgebildet – ein klarer Verstoß gegen UN-Richtlinien, auf die man sich an anderer Stelle so gern beruft. 

In Lettland sind sämtliche Hemmungen gefallen, dort haben seit diesem Schuljahr 2025/26 alle Schüler*innen der zehnten und elften Klassen verpflichtend Unterricht in Landesverteidigung, wo sie auch Bau und Umgang mit Schusswaffen lernen. Der Kurs ist Teil des nationalen Verteidigungskonzepts und soll die Wehrbereitschaft der Jugend stärken angesichts der Frontstellung gegen Russland und das „Zugehörigkeitsgefühl zur Nation” fördern. Gleichzeitig wird in dem Land, in dem ein Viertel der Bevölkerung Russisch ist, kein Russischunterricht mehr in Schulen stattfinden, und Sprachtest für russische Staatsbürger sind verpflichtend.

Die Anwerbung von Schüler*innen, die seit Aussetzung der Wehrpflicht in unterschiedlicher Form läuft, wird verstärkt. Neben Infoständen der Bundeswehr und Rüstungskonzernen bei von Jugendlichen besuchten Veranstaltungen wie der Gamescom stehen die Schulen im Fokus. Das Bayerische Erziehungs- und Unterrichtsgesetz (BayEUG), mit der auch die Zivilklausel an Unis abgeschafft wurde, verpflichtet Schulen seit 2024, Jugendoffiziere in den Unterricht zu holen. Andere Bundesländer werden vermutlich folgen. 

Danke fürs Sterben

Für den regulären Fachunterricht wird ein neuer Blick auf die Armee gefordert: So veröffentlichte die Bundeszentrale für politische Bildung 2023 einen Beitrag, in dem es heißt: “In diesem Kontext muss sich die Demokratieerziehung mit dem Bild der Soldat*innen neu beschäftigen (…) darf Schule das Bild der Soldat*innen nicht an einem einzigen Kontext festmachen, sondern muss auch Beispiele integrieren, in denen der Tod von Soldat*innen Dankbarkeit verdient. Denn, „wenn niemand von uns bereit ist, für die Freiheit zu sterben, dann werden wir alle unter der Tyrannei umkommen” (Snyder 2017: 115). 

Insofern können politische Bildung und Demokratiepädagogik nur dann als vollwertiger Beitrag zum Bestand wehrhafter Demokratien begriffen werden, wenn sie auch eine Pädagogik der militärischen Verteidigung einschließen.“ (Abs, Der Krieg in der Ukraine als neuer Horizont für politische Bildung und Demokratiepädagogik, 27.07.2023)

Logo für den Krieg

Die üblichen Argumente, mit denen Jugendliche mehr oder weniger subtil unter Druck gesetzt werden, „unsere Demokratie” zu verteidigen, lässt sich anhand des Beispiels einer Folge des Kinder- und Jugendmagazins Logo vom 12. Juli (ZDF) verfolgen. In der Sendung „Dein Land verteidigen – ja oder nein?” sollen sechs Jugendliche zwischen 13 und 16 Jahren jeweils ihre Pro-oder-Contra-Position austauschen,  um am Ende einen „Kompromiss” zu finden.

Damit am Ende vor allem die Kriegsgegner*innen „Kompromisse” machen, torpediert der Moderator die Schüler*innen mit Suggestivfragen, fragwürdigen Statistiken, Appellen ans soziale Gewissen und direkten Vorwürfen: „Wenn jetzt alle so denken würden wie du” – „Ja, andere wollen auch in Sicherheit leben, wollen aber nichts dafür tun” – „Egoistische Entscheidung” – „Wenn dich jemand schlägt” – „Aber wenn es das gesamte Land betrifft, wollt ihr das dann nicht”.

Am Ende lassen sich alle zumindest auf Jobs in der Armee wie Kochen, ärztlicher Versorgung, oder vielleicht Aufklärungsdrohnen steuern usw. ein, und der Moderator freut sich: „Im Großen und Ganzen seid ihr euch einig, dass jede und jeder in diesem Land etwas zurückgeben sollte, sei es in militärischer oder nicht militärischer Sicht.”

Danke für nichts!

Nur: Wer muss hier was zurückgeben? Gab es Geschenke? Alle Errungenschaften, die es noch gibt, sozial oder demokratisch, sind hart erkämpft worden, gegen den Willen der Herrschenden. Und wurden und werden immer mehr abgebaut, jetzt vor allem im Zuge der Aufrüstung. Kinder und Jugendliche lernen heute in maroden Schulen, sind bereits in überfüllte Kitas gegangen, werden sich in Großstädten kaum ein WG-Zimmer leisten können, sollen bis 70 Jahre oder länger schuften, und werden kriminalisiert, wenn sie für das Klima, gegen den Gaza-Krieg protestieren oder am Rheinmetall-Entwaffnen-Camp teilnehmen wollen. Aufrüstung verteidigt nicht Demokratie und Sozialstaat, sondern schafft sie ab! 

Wenn wir demokratische Rechte und soziale Errungenschaften verteidigen und mehr erreichen will, müssen wir in der Tat kämpfen – aber nicht mit der Waffe gegen Schüler*innen oder Kolleg*innen aus anderen Ländern, sondern in Gewerkschaften, sozialen Bewegungen, in der Partei Die Linke und anderen Organisationen. Und solidarisch gegen Aufrüstung und Kriegsvorbereitungen der Mächtigen. „Nur wenn zwei Mächte oben sagen, ihr müsst jetzt gegen die kämpfen, heißt das nicht, dass wir das machen müssen.“

Foto von „Wir. Dienen. Deutschland“ Lizenz: CC BY-ND 2.0, „Kommunikation ist ihre Aufgabe“