Friedrich Engels zum 200. Geburtstag

Friedrich Engels

Am 28. November 1820 wurde Friedrich Engels in Barmen (heute Wuppertal) geboren. Engels wird meist in einem Atemzug mit Karl Marx genannt, mit dem er seit ihrem zweiten Zusammentreffen in Paris und bis zu Marx´ Tod 1883 freundschaftlich und politisch verbunden blieb.

Von Marcus Hesse, Aachen

Engels war Marx‘ kongenialer Partner. Gemeinsam schrieben sie 1848 das Kommunistische Manifest und viele andere Grundsatzwerke. Engels überlebte Marx nicht nur um einige Jahre (er starb 1895), sondern er war auch ein eigenständiger Theoretiker des wissenschaftlichen Sozialismus.

Wie wird man Revolutionär?

Engels war das nicht in die Wiege gelegt. Er war Sohn eines strenggläubigen Fabrikanten, der in der Frühindustrialisierung schnell zu Reichtum gelangte und seinen Sohn zu seinem Nachfolger ausbilden wollte. Er zwang ihn zu einer Kaufmannslehre und schickte seinen Sprössling für einige Jahre nach Manchester, einem Zentrum der Industrie. Engels lernte dort jedoch nicht nur seine kaufmännischen Skills, sondern bekam auch das Elend und die Ausbeutung der Arbeiter*innen in den Blick. Das verstärkte seine schon vorher vorhandene radikale Einstellung.

In den Elendsquartieren der Stadt lernte er seine spätere Frau, die irische Arbeiteraktivistin Mary Burns kennen. In seiner frühen Schrift „Die Lage der arbeitenden Klasse“ schilderte Engels brillant und anschaulich das Elend der Arbeiter*innen. Aber im Unterschied zu anderen seiner Klasse machte er das nicht aus der Perspektive des Philanthropen, sondern erkannte in der politischen Selbstorganisation der Arbeiter*innenklasse den Schlüssel zur Lösung der sozialen Frage. So wandte sich der Fabrikantensohn ersten Aktivitäten in der englischen Arbeiter*innenbewegung zu, die damals in der Chartist*innenbewegung einen Aufschwung nahm.

1842 lernte Engels Karl Marx kennen, der aus Deutschland aus politischen Gründen nach Frankreich emigrieren musste. Die beiden wurden sofort Freunde und kongeniale Partner. Beide schlossen sich dem „Bund der Gerechten“ an, aus dem bald schon unter ihrer Führung der „Bund der Kommunisten“ hervorging. Marx und Engels schrieben gemeinsam das Grundsatzprogramm des Bundes, das bis heute zu den bedeutendsten Schriften der Menschheit zählt: Das Manifest der Kommunistischen Partei.

Verbunden mit der Arbeiterbewegung

Heute ist es üblich, dass Bürgerliche Marx und Engels ehren, aber dabei ihren Ideen ihren praktischen Gehalt nehmen. Sie werden dann zu Studierstubengelehrten, die nur theoretisch über die Revolution schreiben. Doch nichts könnte falscher sein! Beide blieben Zeit ihres Lebens der revolutionären Arbeiterbewegung verbunden. Für Engels bedeutete das den bewussten und endgültigen Bruch mit seiner Klassenherkunft.

Während Marx die 1848er Revolution als Redakteur der „Neuen Rheinischen Zeitung“ in Köln begleitete, kämpfte Engels selbst auf den Barrikaden. Er war Offizier in einem Badischen Regiment revolutionärer Truppen, die als Letzte dem Ansturm der Konterrevolution standhielten. Engels’ Interesse an Militärfragen und den Aspekten der revolutionären Kriegsführung, blieb zeitlebens bestehen. Marx nannte seinen Freund daher den „General“.

Doch die Niederlage der 1848er Revolution zwang Marx und Engels erneut ins Exil. Beide lebten fortan in London. Während Engels privat geschäftlich aktiv wurde und ein Bourgeoisleben führte, er selbst sprach vom leidigen Nachgehen des „hündischen Kommerz“, finanzierte er Marx und seine Familie, die nicht selten am Hungertuch nagten und blieb in der Arbeiter*innenbewegung aktiv. Die Niederlage der 1848er Revolution überzeugte Marx und Engels von der Notwendigkeit der politischen Unabhängigkeit des Proletariats. Ab den 1860ern wurde er zusammen mit Marx einer der führenden Köpfe der „Internationalen Arbeiterassoziation“, der 1. Internationale, deren Generalrat er angehörte.

Die erste Machteroberung der Arbeiter*innenklasse, die Pariser Kommune von 1871, war von den Ideen der Internationale inspiriert. Die nur 72 Tage dauernde Regierung der Kommunard*innen wurde von der französischen und preußischen Armee blutig niedergeschlagen. Für Engels und Marx wurde diese kurze Phase der Herrschaft der Arbeiter*innen zum praktischen Beispiel dafür, wie der Kampf um die Macht zu führen sei. Die Erfahrung der Kommune half beiden, ihre Staatstheorie zu fundieren. Engels selbst schrieb, dass die Kommune das praktische Beispiel für die zu erkämpfende „Diktatur des Proletariats“ sei.

Entwickler des wissenschaftlichen Sozialismus

Engels wandte sich energisch gegen Versuche mancher Sozialist*innen, sich mit dem bürgerlichen Staat zu versöhnen und betonte die Notwendigkeit von der Zerschlagung der „Staatsmaschine“ im Zuge der Revolution. Zugleich aber bekämpfte er die Ideen des Anarchismus um Bakunin in der 1. Internationale, die jede Autorität, eine zentralisierte Partei und staatliche Organisation, auch die eines Arbeiter*innenstaates, verwarfen.

Gegen einen Modephilosophen seiner Zeit, den Privatgelehrten und notorischen Antisemiten Eugen Dühring, schrieb er 1876-78 seine umfassende Schrift „Herrn Eugen Dührings Umwälzung der Wissenschaft“, in der er die Ideen des wissenschaftlichen Sozialismus und des Dialektischen Materialismus, aber auch die seiner materialistischen Staatstheorie systematisierte. Seine daraus stammende Schrift „Die Entwicklung des Sozialismus von der Utopie zur Wissenschaft“ machte die Entwicklungsgeschichte seines Denkens deutlich und entwickelte daraus eine in sich geschlossene Theorie. Engels war es auch, der darlegte, wie sich die Gesetze der Dialektik in der Natur wiederfinden und der den Anteil der Arbeit (Werkzeugbenutzung und aufrechter Gang) an der Menschwerdung des Affen in der Evolution beschrieb.

Manche nennen Engels daher auch den „Erfinder des Marxismus“ und viele greifen ihn dafür als „Dogmatiker“ an. Dabei hat sich Engels zeitlebens immer gegen Leute gewandt, die aus seiner wissenschaftlichen Theorie und Analysemethode ein Dogma oder eine Art Religion machen wollte.

Frauenfrage

In einer Zeit, in der Frauen weder Wahlrecht besaßen noch studieren durften, analysierte Engels die Entstehung der Frauenunterdrückung und der Abschaffung des Mutterrechts durch das Patriarchat. Er arbeitete in seiner brillanten Schrift „Zum Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staates“ die langsame Herausbildung dieser Institutionen aus dem Zerfall der Urgesellschaft heraus. Er konnte nachweisen, dass Frauenunterdrückung, Staat, soziale Ungleichheit und Privateigentum in der Geschichte der Menschheit nicht immer bestanden haben. Die Unterdrückung der Frau entstand parallel im Zuge der Bildung von Privateigentum, gesellschaftlicher Arbeitsteilung und Klassen.

Grundlage seiner Analyse waren die zeitgenössischen ethnologischen Forschungen von Bachofen und Morgan. Gerade Letzterer untersuchte dazu die Gesellschaft bei den Irokesen in Nordamerika. Auch wenn einzelne Thesen Engels´ darin vom heutigen Stand der Ethnologie und Archäologie überholt sind, ist die Grundanalyse bis heute richtig und wird von der Wissenschaft weitgehend bestätigt: Klassenherrschaft und die Unterdrückung der Frau sind nicht „natürlich“, sondern im Zuge des Zusammenbruchs der Urgesellschaft erst allmählich entstanden. Das macht Engels noch heute zum wichtigen Vordenker eines sozialistischen Feminismus.

Nach Marxens Tod

Engels überlebte Marx um ganze 12 Jahre. Nach dessen Tod gab Engels sein Hauptwerk „Das Kapital“ heraus. Der zweite Band wurde von Engels redigiert und fertiggestellt. Politisch hatte sich einiges geändert. Die neugegründete 2. Internationale vereinigte in ihren Reihen zahlreiche Massenparteien, allen voran die sich damals auf Marx und Engels berufende deutsche SPD. Engels selbst verfolgte ihre Politik genau, stand in engem Kontakt mit ihren Führern wie Bebel, Kautsky und Wilhelm Liebknecht. Gegen opportunistische Tendenzen trat Engels wie Marx energisch auf. Das Aufkommen des Reformismus sollte ihm allerdings erspart bleiben.

Mit Interesse schaute Engels als Internationalist durch und durch auch auf die entstehende Arbeiter*innenbewegung in anderen Ländern, besonders in Russland. Gegen Ende seines Lebens sah er voraus, dass das Kapital beim Ausbleiben des Sieges des Sozialismus einen Weltkrieg verursachen würde. Gerade einmal 19 Jahre nach seinem Tod kam es dazu. Aber schon drei Jahre später kam es in Russland zur Revolution des Proletariats.