The Party finally got started

Your Party in UK: Linker Flügel setzt demokratische Strukturen und sozialistische Orientierung durch.

Die Initiative von Jeremy Corbyn und der Abgeordneten Zarah Sultana zur Gründung von Your Party als Alternative zu Labour und als linke Antwort auf den Aufstieg der rechtsextremen Reform-Party hatte im Sommer große Hoffnungen geweckt. Im Juli hatten sich über 800.000 online als Unterstützer*innen der noch gar nicht existierenden Partei eingetragen. Doch der Prozess kam mehrfach ins Stocken und drohte zu scheitern. Am 30. November kam die erneute Wende, die Partei wurde gegründet. Rund 2000 Mitglieder nahmen an der Konferenz in Liverpool teil. Der Aufbau einer neuen Linkspartei kann beginnen.

Von Claus Ludwig, Köln

Die bürgerlichen Medien beschrieben die Auseinandersetzungen im Vorfeld als Machtkampf zwischen dem ehemaligen Labour-Vorsitzenden und Member of Parliament (MP) für Islington North (London), Jeremy Corbyn, und der aus Labour ausgeschlossenen Abgeordneten Zarah Sultana, Wahlkreis Coventry-Süd.

Im Kern geht es um politische Differenzen, nicht um Personen. Während Zahra Sultana für eine kämpferische, sozialistische Partei eintritt, von unten nach oben aufgebaut, basierend auf den zu gründenden lokalen Gliederungen, wollte das Team um Corbyn den Gründungsprozess weitgehend von oben kontrollieren und die schnelle Gründung von Basisgliederungen verzögern.

Hinter den Kulissen warfen Unterstützer*innen von Corbyn Sultana vor, eine “puristische” Version einer sozialistischen Partei zu vertreten und damit Corbyn zu schaden, so der “Guardian”. Ein weiterer Vorwurf gegen sie war, sie wolle “sozialkonservative” muslimische Abgeordnete rausdrängen und linksradikalen Gruppen den Weg bereiten.

Eine Gruppe von unabhängigen Abgeordneten hatte sich dem Parteigründungsprozess angeschlossen, darunter mehrere Muslime. Sie sind von Labour enttäuscht, vertreten allerdings keine sozialistischen Positionen, sondern Ideen, die in einigen Aspekten an Sahra Wagenknecht erinnern. Sie wollen zudem ihre Posten absichern. Die Abgeordneten Adnan Hussain and Iqbal Mohamed haben die Partei bereits verlassen, weil sie sich ihrer Meinung zu weit nach links entwickelte.

Sozialdemokratie reloaded?

Das Team Corbyn will eine Partei, die sich links von Labour positioniert, aber im Rahmen des parlamentarischen Politikbetriebs verbleibt. Sie wollen verhindern, dass die Partei sich in eine revolutionär-sozialistische Richtung entwickelt.

Zu diesem Zweck setzen sie auf Strukturen, wie es sie in der Labour Party gibt, mit großem Einfluss von Abgeordneten, die bei Neuwahlen nicht parteiintern herausgefordert werden können und auf eine Top-Down-Struktur, wie sie  für Linke in Deutschland nicht vorstellbar ist, nicht einmal in der stark bürokratisierten SPD.

Mehrfach wurden die Differenzen über die bürgerlichen Medien ausgetragen. Die Parteien von Labour über die Tories bis zu “Reform” freuten sich bereits, dass keine neue Linkspartei entstehen würde. Inzwischen hatte es eine Entwicklung nach links bei den Grünen gegeben, verkörpert durch den neuen Vorsitzenden Zack Polanski, so dass der Spielraum für Your Party zu schwinden schien.

Bis zur Konferenz in Liverpool waren rund 50.000 der Partei in Gründung beigetreten und hatten ihren ersten Beitrag bezahlt. Aus diesen Mitgliedern wurden die rund 2000 Delegierten in einem umstrittenen Verfahren ausgelost. Ein auf diese Art stimmberechtigter Genosse aus Liverpool kommentierte: “Ich kann mich nicht Delegierter nennen, ich habe nicht das Mandat der Mitglieder. Ich bin ein Lotteriegewinner. Aber ich werde alles geben, damit wir daraus eine demokratische Partei der Mitglieder machen.”

Wackeln bis zum Ende

Noch am Vortag der Konferenz waren die Konflikte eskaliert. Die – nicht gewählte – Führung der Partei um das Team von Corbyn schloss Mitglieder aus, die als Aktive der Socialist Workers Party (SWP) bekannt waren – obwohl die Entscheidung über die Akzeptanz von doppelten Mitgliedschaften von YP und bestehenden Gruppen erst auf der Konferenz getroffen werden sollte.

Der linke Flügel, der sich um Zahra Sultana gruppiert, protestierte scharf gegen diese bürokratische Maßnahme. Alle Redner*innen auf einer mit über 400 Teilnehmenden gut besuchten Veranstaltung am Vorabend der Konferenz solidarisierten sich mit den Ausgeschlossenen, darunter Zahra Sultana selbst.

Ian Hodson, Präsident der Bäcker- und Lebensmittel-Gewerkschaft BFAWU argumentierte für eine inklusive, kämpfende Partei. Audrey White von der Merseyside Pensioneers Association forderte, die Einkommen von Funktionären und Abgeordneten auf einen durchschnittlichen Facharbeiter*innenlohn zu begrenzen und erklärte, die Partei könne nur durch Aktivismus gewinnen.

Mish Rahman, ehemals Mitglied im Vorstand der Labour Party, wandte sich gegen Ausschlüsse und sagte, das seien genau die Methoden der Labour-Rechten, die zum Niedergang der Partei geführt haben. Grace Lewis, Stadträtin in Coventry, setzte sich dafür ein, dass die Partei explizit sozialistisch sein soll.

Tricks ohne Erfolg

Der Ablauf der Konferenz war befremdlich. Für prätentiöse Reden und Grußwörter für viel Zeit verwendet, allein Corbyn sprach dreimal. Viele Änderungsanträge wurden hingegen nicht zugelassen. Unter anderem wurde der von vielen als zentral angesehene Antrag, die Einkommen von Abgeordneten und Funktionär*innen auf einen durchschnittlichen Facharbeiter*innenlohn zu begrenzen, nicht beraten.

Die Möglichkeit, an der Debatte teilzunehmen, hing von mehreren Faktoren ab, unter anderem vom Sitzplatz in den vorderen Reihen. Bei mindestens einem gegenüber der Führung kritischen Beitrag wurde der Livestream abgeschaltet.

Doch diese Manöver änderten nichts am Ergebnis: Die Positionen der Parteilinken bekamen auf breiter Front Mehrheiten. Dies war bereits am Applaus für die jeweiligen Redner*innen im Saal abzulesen, aber auch die online stimmberechtigten Mitglieder im ganzen Land votierten entsprechend.

Die Konferenz stimmte für eine kollektive, gewählte Führung und gegen eine Spitze, bei der Abgeordnete als Führung gesetzt wären. Die Doppel-Mitgliedschaft wird akzeptiert, so dass auch MItglieder sozialistischer Parteien und Gruppen YP beitreten können, ein wichtiger Punkt, damit die Partei alle Sozialist*innen im Land vereinigen kann. YP setzt sich per Beschluss zum Ziel, zur Massenpartei der arbeitenden Klasse zu werden, die in Bündnissen mit anderen zusammen kämpft und sich als klar sozialistisch versteht.

Die Mitglieder an der Basis haben das Recht, lokale Gliederungen zu gründen, welche Delegierte auf höhere Ebenen entsenden.

Zarah Sultana wurde am zweiten Tag der Konferenz sehr deutlich:

“Die Linke ist zurück (…) Wir werden die Macht der Milliardäre, der reichen Parasiten, brechen. Die wahre Gefahr kommt nicht in Booten mit Geflüchteten, sondern mit privaten Jets. Wir werden diese Jets abschaffen  (…) Die Labour-Regierung ist mitschuldig am Genozid in Gaza. Ich bin eine stolze Antizionistin. Wir werden die israelische Botschaft schließen und treten für die Befreiung ganz Palästinas ein – vom Fluss bis ans Meer, in einem demokratischen Staat mit Rechten für alle Menschen (…) Wir werden die Monarchie abschaffen  (…) Wenn wir diesen globalen Kampf nicht gewinnen, wird dem Faschismus der Weg bereitet. Es geht um Sozialismus oder Barbarei.”

Der Name der Partei wurde per Mitgliedervotum bestätigt. Zur weiteren Auswahl standen lediglich “Our Party”, “Popular Alliance” und “For The Many”. Der von Sultana vorgeschlagene Name “The Left Party”, der auf breite Zustimmung gestoßen wäre, war vom Leitungsteam nicht zugelassen worden.

In seiner Abschlussrede appellierte Corbyn an die Einheit der Partei und drückte Verständnis für die  Frustrationen aus. Er dankte seiner früheren Stabschefin Karie Murphy, welche die Konferenz und damit eine ganze Reihe der bürokratischen Operationen vorbereitet hatte. Dafür gab es kaum Applaus.

Das Programm selbst ist noch allgemein gehalten, die Wahl der Führung steht noch aus. Manches ist vage, aber die Konferenz markiert einen wichtigen Schritt nach vorne: Eine drohende Spaltung und ein Kollaps des Projekts wurden verhindert. Die Dominanz der nicht gewählten Clique um Jeremy Corbyn, die alles kontrollieren will, wurde geschwächt. Die Arbeit on the ground kann jetzt beginnen, die Kommunalwahlen 2026 und außerparlamentarische Aktionen – z.B. eine landesweite antifaschistische Demonstration – können vorbereitet werden.

Socialist Alternative aktiv in Your Party

Socialist Alternative, die Schwesterorganisation der SAV, unterstützt Sultana in vielen Punkten und war im Vorfeld der Konferenz Teil der Socialist Unity Platform, die für die oben beschriebenen Forderungen eintrat. In West-Yorkshire (Kirklees/Huddersfield) war Socialist Alternative entscheidend daran beteiligt, PACE (People’s Alliance for Change and Equality) aufzubauen, als breite soziale Organisierung quasi eine Vorform der YP. PACE führte im Oktober den “Northern March for Your Party” durch, mit 500 Teilnehmenden und Zarah Sultana als Rednerin und brachte die Partei damit erstmals auf die Straße.

Über 20 Genoss*innen von Socialist Alternative waren auf der Konferenz stimmberechtigt, zwei Genoss*innen konnten reden. Vor allem die Rede von Clare Laker-Mansfield aus London bekam viel Applaus und wurde von Mitgliedern anderer sozialistischer Gruppen als eine der wichtigsten Reden beschrieben.

Das gute Standing von Socialist Alternative war auch bei Infoständen zu spüren. Viele Teilnehmende  führten gute und weitgehende Diskussionen mit Socialist Alternative und unterstützten die Positionen unserer Genoss*innen. Es wurden rund 120 Zeitungen verkauft und 1000 Konferenz-Bulletins verteilt. Der Autor dieser Zeilen berichtete vor rund 50 Teilnehmenden auf einem Treffen von Socialist Alternative in der Mittagspause über die Erfahrungen der Partei Die Linke, sowohl über die Aktivierung der Partei durch Zehntausende neue, junge Mitglieder als auch das Mitregieren und die Anpassung an das Establishment, welche die Partei in den Jahren zuvor in die Krise geführt hatte.