Am 3. Dezember starten die Verhandlungen für den Tarifvertrag der Länder (TV-L) für rund 1,1 Millionen Beschäftigte. Die Forderung für die Verhandlungen beschließt ver.di am 17. November nach dem Ende der Mitgliederbefragung. Im Fahrwasser der „Zeitenwende” und des „Herbstes der Reformen” werden die Landesregierungen wenig bis keine Bereitschaft zeigen, bei Lohnerhöhungen und Verbesserungen der Arbeitsbedingungen den Beschäftigten entgegen zu kommen. Sie streben wahrscheinlich einen noch schlechteren Abschluss als im Frühjahr bei Bund und Kommunen an.
Wenn es wieder heißt, dass wir doch alle an einem Strang ziehen müssen in diesen „schweren” Zeiten, dann stimmt das – im Sinne eines Tauziehens. Entscheidend ist, wieviel Kraft die Gewerkschaften mit ihren Mitgliedern entfalten können, um die Arbeitgeber*innen bei diesem Tauziehen bäuchlings über die Wiese zu ziehen. Bei den Ländern mit ihrem traditionell hohen Beamtenanteil und niedrigen gewerkschaftlichen Organisationsgrad ist das schwieriger als in anderen Tarifrunden, aber auch hier gibt es kampfstarke Bereiche, zum Beispiel an den Unikliniken oder in der Verwaltung der Stadtstaaten Hamburg und Bremen.
Rüstungswirtschaft
In Deutschland läuft aktuell das größte Aufrüstungsprogramm seit Jahrzehnten. Rund die Hälfte der Staatsausgaben sollen für die Rüstung verwendet werden (5% des BIP). Wir sollen „kriegstüchtig” werden, um uns gegen die angeblich unausweichlichen Bedrohungen aus dem Osten wehren zu können. Es wird erzählt, dass die eigene Militarisierung stets und ausnahmslos der Verteidigung diene und edle Ziele verfolge, wohingegen nur „der Feind” aggressiv handle. Diese Politik wird unser Leben kein Stück sicherer machen. Außerdem soll dieses Mega-Rüstungsprojekt von der breiten Masse der Bevölkerung finanziert werden, durch Verzicht auf Lohnerhöhungen und massive Kürzungen im sozialen Bereich.
Wir sollen verzichten, weil angeblich nicht genug Geld da sei – das ist das Mantra der Arbeitgeber in jeder Tarifrunde im öffentlichen Dienst. Dabei ist Deutschland eines der reichsten Länder. Die Löhne im öffentlichen Dienst sind im Wesentlichen eine politische Frage. Genau wie die Finanzierung von Bildung, Sozial- und anderen staatlichen Leistungen hängen sie davon ab, ob der Staat bereit ist, das Geld dafür bei den Reichen zu holen oder nicht. Die schwarz-rote Bundesregierung ist es jedenfalls nicht.
Das Märchen vom notwendigen Spar- und Kürzungszwang erzählen Politiker*innen, welche die Profite der deutschen Konzerne priorisieren gegenüber den Interessen der überwältigenden Mehrheit der Bevölkerung. Das Ziel einer solchen „Verzichts-Propaganda-Show” besteht darin, weitere finanzielle Kapazitäten freizusetzen für mögliche expansive Abenteuer deutscher Kapitalist*innen nach mehr Ressourcen und neuen Absatzmärkten.
Arbeitgeber greifen an
Die Arbeitgeberseite wird absehbar versuchen, den Tarifvertrag zu verschlechtern, zum Beispiel durch „Flexibilisierung” und Verlängerung der Arbeitszeit auf bis zu 42 Stunden, wie das im TVÖD schon passiert ist. Es ist möglich, dass eine „Nullrunde fürs Vaterland” als Beitrag zur Haushaltssanierung gefordert wird, passend zu Merz’ „Herbst der Reformen”, also der Rüstungsfinanzierung durch Sozialabbau und Senkung des Lebensstandards.
Andererseits gibt es Angriffe auf gesetzlicher Ebene – in den ersten Bundesländern werden in Form der „Regelanfrage” schon zum Jahreswechsel wieder politisch begründete Berufsverbote im gesamten öffentlichen Dienst eingeführt. in der Hochzeit der BRD-Berufsverbote von 1972 bis in die 1980er waren hauptsächlich in linken Organisationen aktive Lehrer*innen betroffen. Heute drohen durch die automatisierte Auswertung riesiger Datenbanken, in denen hunderttausende Menschen aus intransparenten Gründen verzeichnet sind, weitaus mehr Berufsverbote als damals. Bei vielen Kolleg*innen und der breiten Öffentlichkeit ist das Thema aber kaum bekannt. In der Tarifrunde müssen ver.di und GEW darauf aufmerksam machen und ihre Ablehnung von Regelanfrage und Berufsverbot auf die Straße tragen.
Arbeitskampf ist nötig
Gerade wegen der schwierigen Ausgangslage sind breite, entschlossene Warnstreiks nötig. Um eine Lohnerhöhung durchzusetzen – nötig wäre deutlich mehr als beim TVÖD, wo sich durch die wieder steigende Inflation Reallohnverlust abzeichnet – und zur Abwehr der Angriffe der Arbeitgeberseite.
Eine Gewerkschaft, die ernsthaft die Interessen der Beschäftigten vertritt, kann nicht anders als eine massive Lohnerhöhung und eine Verkürzung statt Verlängerung der Arbeitszeit fordern. Die Gewerkschaften müssen selbstbewusst in die Verhandlungen gehen und klar machen, dass die Beschäftigen nicht zugunsten kapitalistischer Kriegsgelüste und Profitwahn verzichten werden.

