INCELs, Pick-up Artists, Maskulisten… die kruden Ideen des Antifeminismus waren lange eine Nische in der dunklen und sehr einsamen Ecke des Internets. Doch diese Zeiten sind vorbei. Andrew Tate – seines Zeichens weltweit bekanntester Frauenhasser, Schlepper und Vergewaltiger – hat ein Millionenpublikum. Wie konnte Antifeminismus so weit kommen? Und wie können wir das umkehren?
Doreen Ullrich, Aachen
Auf Internetseiten wie „Wieviel Gleichberechtigung verträgt das Land?“ oder „WikiMANNia“ toben sich die Antifeministen aus. Nicht nur krasse sexistische Sprüche wie „Schlagstock ist bei renitenten Weibern immer die beste Wahl“ und krude Theorien – z.B. warum Frauen keine Steuern zahlen – sondern auch rassistische und queerfeindliche Aussagen sind dort zu finden. Auch die ewige Leier der Maskulisten, Männer würden systematisch benachteiligt, fehlt nicht. Es ist wie bei einem Unfall – so richtig wegsehen kann man nicht, aber alles in allem eine ziemlich eklige Angelegenheit.
Ähnlich war es bei fundamentalen Christ*innen, die zusammen mit ultrarechten Kräften sogenannte Märsche „für das Leben“ und damit gegen die Selbstbestimmung gebärfähiger Personen organisieren. Jahrelang waren das ein paar irre Fundis, gefährlich ja, aber wenige. Doch ihre Zahl wächst. Inzwischen ist das Recht auf Abtreibung weltweit unter Druck. Nicht nur in den USA, sondern auch in Polen wurde es massiv eingeschränkt, in Brasilien half nur eine große Protestbewegung, um Angriffe vorerst zu stoppen.
Die Manosphere kommt in die echte Welt
Bei Instagram oder X (ex-Twitter) erreichen Antifeministen inzwischen Millionen und beeinflussen vor allem sehr junge Männer. Andrew Tate ist einer der bekanntesten unter ihnen, er hat mehr als 7 Millionen Follower bei X. Eine Studie aus Großbritannien zeigt, dass 79% der 16- und 17-jährigen Jungs mindestens eines von Tates Videos gesehen haben. 52% davon sagen, dass sie Tate positiv wahrnehmen. Das ist nicht nur ein Problem im UK oder den USA. In der Berliner Studie „Mapping the GerManosphere“ weisen Wissenschaftler*innen nach, dass auch in deutschen Onlineräumen misogyne Gruppierungen wachsen.
Rechte Autokraten weltweit haben den Aufstieg der Antifeministen möglich gemacht und massiv gefördert. Ob Trump in den USA, Putin in Russland, Erdogan in der Türkei, Milei in Argentinien oder Orban in Ungarn: Überall greifen sie die Rechte von Frauen und Queers an – ob zu Fragen von Abtreibung, LGBTQ+ Rechten oder Möglichkeiten der Transition. Doch es braucht keine autokratische Regierung, es reichen neue rechte und ultrakonservative Parteien wie die AfD, um den Diskurs gesellschaftlich nach rechts zu verschieben. So, wenn AfD-Mann Maximilian Krah sagt „Feministinnen sind hässliche, grässliche Gestalten“, oder wenn die AfD Abtreibungen verbieten will.
Der Nährboden auf dem diese menschenverachtenden Ideologien gedeihen, ist der Rechtsruck des gesamten Establishments. Die Antwort der Herrschenden (von “liberal” bis konservativ) auf die soziale, ökologische und ökonomische Krise des globalisierten Kapitalismus ist Militarismus, Aufrüstung, Abschottung, Repression und eine Umverteilung von unten nach oben.
Antifeminismus – eine Brücke
Der Antifeminismus hat eine Brückenfunktion zum rechtskonservativen und faschistischen Weltbild. In einem Kapitalismus voller Verstörung, voller Veränderung bestärkt er verunsicherte, verängstigte Männer und überhöht sie gegenüber Frauen. Frauen werden degradiert, objektifiziert und sexualisiert. Teile und Herrsche – es ist so einfach, wie es traurig ist.
Gleichzeitig wendet sich der Antifeminismus mit massiver Hetze und echter Bedrohung gegen die Frauen und Queers, die besonders in den letzten zwei Jahrzehnten lautstark für Gleichberechtigung und Teilhabe gekämpft haben. Zu sehen bei den aktuellen CSDs, die von Faschisten und Antifeministen bedroht werden. Oder wie bei der Fete de la Musique in Frankreich, bei der über 150 Frauen Opfer von Spritzenattacken wurden, vorausgegangen waren dem sehr wahrscheinlich Aufrufe in der Online-Manosphere.
Eine Stück nach vorn
Anfang 2010er Jahre haben in großen feministischen und queeren Bewegungen weltweit Frauen und Queers Widerstand geleistet und einiges erreicht. Abtreibungsrechte wurden in vielen Ländern verbessert, mehr Frauen erlangten mehr ökonomische Unabhängigkeit und Forderungen wie das Recht auf einen Kitaplatz wurden durchgesetzt. Gewalt gegen Frauen wurde aus der Schamecke an den öffentlichen Pranger gestellt – „Keine einzige mehr – ni una menos“ wurde zu einem weltweiten Schlachtruf. Queeres Leben erreichte mehr Sichtbarkeit und mehr Gleichberechtigung – zumindest auf dem Papier.
Leider blieb es oft nur bei Versprechen und Bekundungen durch die Gesetzgeber. Materiell wurde kaum etwas erreicht: keine Lohngleichheit, keine kostenlose Kinderbetreuung, keine ausreichenden Frauenhäuser und keine kostenlose Gesundheitsvorsorge. Doch das Selbstbewusstsein von Frauen und Queers wuchs international. Das zeigt sich auch in Versuchen neuer gesellschaftlicher Vorstöße wie in Rojava, wo Frauen eine zentrale Rolle spielen oder bei Protestbewegungen wie im Iran oder Belarus in den letzten Jahren, aber auch in der prominenten Rolle, die junge Frauen in der Klima- und Umweltbewegung weltweit spielen.
Reaktionärer Rollback
Dieses neue Selbstbewusstsein ist eine Gefahr für das Patriarchat und den Kapitalismus. Es rüttelt an dem Konzept der Kleinfamilie und der Erzählung, dass der Kapitalismus das Ende der Geschichte ist. Vor allem in einer Phase der Neuordnung der Welt, in der Handelskriege, aber auch heiße Kriege, zunehmen, ist es genau das Gegenteil von dem, was die Herrschenden brauchen.
So ist es kein Zufall, dass misogyne Männer wie Donald Trump gerade die Welt beherrschen, sondern genau die reaktionäre Umkehr, die für den Erhalt des Kapitalismus gerade nötig ist. In einer Welt von sich zuspitzender imperialistischer Konkurrenz, mehr Auseinandersetzungen und mehr Kriegen, muss wieder die alte Erzählung her, dass Mann sein bedeutet, Krieger, Kämpfer, brutal zu sein. Denn wer soll sonst die Kriege führen? Und wer soll zu Hause an der Heimatfront stehen, Kinder versorgen, Verletzte pflegen, Nachschub für die Front organisieren? Daher soll nun eine Umkehr hin zu konservativen Rollenbildern stattfinden.
Sozialistisch feministisch gegen die Manosphere
Das Selbstbewusstsein der reaktionären Kräfte weltweit scheint geradezu überbordend hoch. Doch diese Dynamik ist umkehrbar. Die Arbeiter*innenbewegung international kann den Frauenhassern die Stirn bieten, wenn sie ihre Kraft auf die Straße trägt. In ihrer Vielfältigkeit einerseits und der Möglichkeit der Einheit im Kampf andererseits liegt ihre Stärke. Gemeinsam müssen Angriffe auf Frauen, LGBTQ+, BIPoC zurückgewiesen und verbunden werden mit Widerstand gegen Kriege, Militarismus und Sozialabbau.
Letztlich braucht es aber auch mehr Utopie statt Dystopie. Wie werden wir die Trumps, Putins, Netanjahus, Chameneis, Merz‘ los? Wie schaffen wir eine Welt in Frieden, Freiheit und sozialer Sicherheit für alle? Wie kehren wir die Umweltzerstörung um und leben in Einklang mit der Natur? Wir brauchen eine sozialistische Antwort auf diese Fragen: gemeinsamer Kampf der Klasse, internationale Solidarität, weg mit den Bankern und Bossen und ihrem mörderischen Chaos-System, hin zu einer demokratischen Planwirtschaft im Interesse von Mensch und Umwelt.
Bild Anything Goes With James English, CC BY 3.0 https://creativecommons.org/license1s/by/3.0, via Wikimedia Commons

