Griechenland: Keine Kapitulation vor der „Bande der Kreditgeber“!

Tsipras Schulz GriechenlandEin Plan für den Widerstand gegen die Austerität muss her – und eine sozialistische Politik!

Leitartikel aus der Zeitung von Xekinima (Schwesterorganisation der SAV und Sektion des CWI in Griechenland) vom 17. Juni 2015

Die griechische Bevölkerung erlebt den Prozess der sogenannten „Verhandlungen“ und wird angesichts der Haltung, die die „Institutionen“ (IWF, EZB und EU), die auch als „Troika“ bekannt sind, einnehmen, überdrüssig, frustriert und wütend.

Aus dem Überdruss und der Frustration gegenüber den Kreditgebern wird allmählich auch Enttäuschung gegenüber SYRIZA. Zum ersten Mal seit den Wahlen werden in der griechischen Arbeiterklasse viele Stimmen laut, die sagen: „Am Ende sind sie doch alle gleich!“. Oder: „SYRIZA ist nicht anders als alle anderen.“.

SYRIZA sollte die Bedeutung dieser Aussagen nicht unterschätzen. Natürlich sagen alle Umfragen aus, dass SYRIZA weit vor der konservativen „Nea Dimokratia“ rangiert. Dieser Vorsprung wird aber langsam geringer. In einigen Fällen liegt der Abstand zwischen SYRIZA und „Nea Dimokratia“ bei nur noch zehn Prozent. Vor noch nicht einmal drei Monaren waren es noch 25 Prozent.

Das Gefühl der Enttäuschung ist auch für die Mitgliedschaft von SYRIZA charakteristisch, die zu einem gewissen Maß das Gefühl hat, eingekeilt und verraten worden zu sein. Die Mitglieder von SYRIZA haben das Gefühl, dass die Partei einige ihrer wichtigsten Positionen aufgegeben hat, für die sie von der Wählerschaft in Griechenland ins Amt gewählt worden ist.

„Rote Linien“ werden verwischt

Die „roten Linien“, die die Regierung sich selbst gesetzt hat, liegen weit entfernt vom Programm von Thessaloniki, dass sich SYRIZA vor den Wahlen gegeben hat. Und das Programm von Thessaloniki ist wiederum weit entfernt von den Maßnahmen, die tatsächlich nötig sind, um einen Ausweg aus der Krise zu finden. Noch schlimmer ist, dass die „roten Linien“ immer mehr verwischt werden, je mehr Zeit ins Land geht.

Die Institutionen wollen SYRIZA in die Knie zwingen. Sie wollen, dass die aktuelle griechische Regierung dieselbe Politik verfolgt wie schon „Nea Dimokratia“ und die Sozialdemokraten von PASOK zuvor. Mit anderen Worten: Die Institutionen machen einfach ihren Job. Wie aber reagiert die Führung von SYRIZA, die jetzt in der Regierung ist, auf diesen Druck? Sie sagt, dass es zum Bruch kommen wird, wenn ein Bruch nötig ist. Doch auch wenn von einem Bruch die Rede ist, so lässt SYRIZA offen, was damit gemeint ist. Ein genauer Plan dafür ist bisher noch nicht vorgelegt worden! Von daher lautet die Frage natürlich, wie weit dieser „Bruch“ gehen soll, von dem da immer öfter die Rede ist.

„Frontaler Zusammenstoß“ oder „Bruch mit den Institutionen“ bedeutet: Austritt aus der Eurozone! Egal, ob dies sofort und unmittelbar geschieht oder in einem langsameren Prozess des Übergangs: Die Kollision mit den Kreditgebern führt zum „Grexit“! Das weiß die SYRIZA-Führung sehr genau! Warum sagen sie es dann nicht offen, vor aller Öffentlichkeit und entschlossen gegenüber dem griechischen Volk? Auf diese Weise könnten sie die Massen auf eine solche Entwicklung vorbereiten!

Die Reeder und die konzernfreundlichen Medien

Der Grund dafür, dass die Medien, die als Sprachrohr der Schiffseigner und der Konzerne dienen, mit den Gefühlen der griechischen Bevölkerung ihr Spielchen treiben können, besteht genau darin, dass die SYRIZA-Führung die Möglichkeit des Austritts aus der Eurozone nicht klar und deutlich benannt hat. So gibt es Raum für Umfragen, mit denen nur ein einziges Ziel verfolgt wird: Es soll der Eindruck vermittelt werden, dass das griechische Volk unter allen Umständen für den Verbleib des Landes in der Eurozone ist und die Regierung deshalb dem Druck der Kreditgeber nachgeben muss. Allerdings widerlegen auch diese voreingenommenen Umfragen deren eigene Argumente, wie Xekinima in zahlreichen Artikeln schon belegt hat.

Die „Kunst der Lüge“, die sie perfekt beherrschen

Der Teil der Bevölkerung, der – wenn nötig – für eine direkte Konfrontation bereit ist, um die Lebensstandards und die Grundrechte zu sichern, ist ziemlich groß. Das zeigen alle Meinungsumfragen ohne Ausnahme.

Das bedeutet nicht, dass die Mehrheit an sich schon für eine Kollision oder die Rückkehr zur Drachme ist. Dafür gibt es ja auch gar keinen Grund! „Einfache“ ArbeiterInnen würden gegenüber einer potentiell instabilen natürlich eine stabile Währung bevorzugen. Sie würden es natürlich vorziehen eine Konfrontation zu vermeiden, wenn das möglich ist. Das bedeutet allerdings nicht, dass sie nicht bereit sind, sich an größeren Auseinandersetzungen zu beteiligen, wenn sie verstehen, dass diese nötig werden. Und dies – das sagen wir zum wiederholten Mal – bestätigen alle Umfragen, wenn wir sie nicht nur oberflächlich betrachten.

Bemerkenswert ist, dass dies zu einem Zeitpunkt geschieht, da die SYRIZA-Führung es ablehnt, klar und deutlich über eine Kollision mit den Kreditgebern zu sprechen und es ablehnt, einen Plan darüber vorzulegen, wie man mit einer solchen Entwicklung umzugehen gedenkt. Wenn die SYRIZA-Führung sich entscheiden und dem griechischen Volk Vorschläge vorlegen würde, wie eine solche Kollision mit der EU aussehen könnte, und wenn sie darüber hinaus einen konkreten Plan darüber vorlegen würde, wie wir aus der Krise heraus kommen können, dann würde die Antwort der griechischen Bevölkerung zweifellos ganz großartig ausfallen. Das zeigen alle Erfahrungen mit der griechischen Arbeiterklasse, wann immer sie für ihre Rechte einzustehen hatte.

Was bedeutet der Begriff „Plan“?

Wir sollten konkret darüber sprechen, was ein Bruch bedeuten würde. Dabei sollten wir jede metaphysische Dimensionen beiseite lassen, die von der herrschende Klasse und ihren Medien allzu gern bemüht wird. Damit wird nur versucht Ängste zu schüren.

Als am 5. Juni das für die herrschende Klasse „Undenkbare“ geschah und die SYRIZA-Regierung eine Ratenzahlung an den IWF ablehnte, ist der „Himmel nicht auf unsere Köpfe gefallen“. Wir leben immer noch. Wenn die Regierung am 30. Juni nun ablehnen sollte, die nächste fällige Rate an die „Bande der Institutionen“ zu überweisen, dann werden wir immer noch am Leben sein und der Himmel wird genau dort bleiben, wo er hingehört.

Die Institutionen haben der griechischen Regierung „Kontrollen über den Kapitalverkehr“ vorgeschlagen. Dieses Mittel ist auf Vorschlag der Troika auch im Falle Zyperns zur Anwendung gekommen. Die griechische Regierung hat nein dazu gesagt! Warum? Seit wann verteidigt die Linke den freien Kapitalverkehr auf den globalen Märkten?

Es ist eine Tragödie! Der Vorschlag der Kapitalverkehrskontrollen kam in diesem Fall von Seiten der EU und der Institutionen. Dabei sind Kapitalkontrollen eine Maßnahme, die die Linke anstreben sollte, um die Spekulation durch das Großkapital und die Reichen zu beenden, die ihr Geld ins Ausland transferieren und damit den Zusammenbruch des hiesigen Bankensystems heraufbeschwören! Aber die SYRIZA-Regierung hat dazu nein gesagt!

Eigentlich hätte die Regierung selbst die Initiative für folgende Maßnahmen ergreifen müssen: völlige Einstellung der Ratenzahlungen an die Kreditgeber (wie es die Regierung am 5. Juni getan hat), Einführung von Kapitalverkehrskontrollen, um der Kapitalflucht aus dem Land einen Riegel vorzuschieben.

Wenn diese Maßnahmen ergriffen wären, dann könnte die Regierung den Übergang zu einer eigenen Landeswährung vorbereiten, was untrennbar mit der Einführung einer Reihe von sozialistischen Maßnahmen einhergehen müsste. Wenn der Übergang zur Drachme für sich allein vorgenommen wird, dann wird damit im Rahmen des Kapitalismus kein einziges der großen Probleme gelöst, mit denen die griechische Volkswirtschaft und die Gesellschaft zu kämpfen haben.

Sozialistische Maßnahmen bedeuten eine Serie von Schritten, die für das Funktionieren der Wirtschaft und das Überleben der Wohnviertel der Arbeiterklasse notwendig sind: Verstaatlichung des Bankensystems, Verstaatlichung der Schlüsselindustrien der Wirtschaft, ein Plan für den ökonomischen Wiederaufbau, der auf landesweiten Koordinierungsausschüssen in den Betrieben und Betriebe-übergreifend gründet, Abschreibung der Schulden für Kleinbetriebe und Selbstständige, die an der Krise kaputt gegangen sind, langfristige und zinsfreie Darlehen für Kleinbetriebe, Fachleute und kleine Kooperativen, die nicht profitorientiert arbeiten, Demokratisierung der Produktion durch eine Kontrolle und Geschäftsführung, die für alle wirtschaftlichen Aspekte gilt und von der Gesellschaft sowie den Beschäftigten durchgeführt wird etc.

Auf dieser Grundlage gibt es Grund zur Hoffnung und Begeisterung – nicht nur für Griechenland sondern für die abhängig Beschäftigten ganz Europas, die eine solche Vorgehensweise gut heißen und sie unterstützen würden, wenn sie von der Massenbewegung gegen Austerität in Griechenland verfolgt wird. auf der Grundlage eines solchen sozialistischen Programms besteht Grund zur Hoffnung und es gibt eine positive Perspektive für die Arbeiterklasse in Griechenland. Auf der Grundlage des Kapitalismus wird es zur schwersten internationalen Krise seit den 1930er Jahren kommen. In dem Fall gibt es weder Hoffnung und noch eine Perspektive.