Griechenland: Nach dem ersten Parteitag von SYRIZA

syriza2Die griechische Linkspartei schlägt einen kritikwürdigen Kurs ein

Vorbemerkung des Übersetzers: Vor etwa einem Jahr hat das Linksbündnis SYRIZA („Bündnis der Radikalen Linken“) einen phänomenalen Aufstieg und Wahlerfolg errungen. Es hat nur knapp verpasst, stärkste Partei zu werden. Parallel dazu vollzog sich der Absturz der griechischen Sozialdemokratie (PASOK), die seit den späten 70er Jahren den größten Teil der Arbeitnehmerschaft gewinnen konnte, doch seit 2009 die harte Sparpolitik (mit)verantwortet. Seitdem befindet sich SYRIZA in einem Prozess des Übergangs von einem Bündnis zu einer einheitlichen Partei. Vom 10.-14.Juli 2013 hat nun der Gründungsparteitag von SYRIZA stattgefunden.

Die Führung von SYRIZA hat die Ziele, die sie sich für den ersten Parteitag der nun schon „einheitlichen“ Partei gesetzt hatte, erreicht: Die Komponenten (SYRIZA war ursprünglich ein Bündnis verschiedener linker Parteien und Organisationen, den „Komponenten“ dieses Zusammenschlusses. Nun wurde der Übergang zu einer Mitgliederorganisation vollzogen, in der keine Organisationen mehr Mitglied sind, sondern Individuen, was heißt, dass die Mitglieder der Komponenten jetzt individuell SYRIZA angehören wie auch alle anderen SYRIZA-Mitglieder, die keiner Komponente angehören, Anm. d. Übers.) werden abgeschafft („in einem nachvollziehbaren Zeitraum“, laut Beschluss) und der Vorsitzende wird vom Parteitag gewählt (und er ist folglich von keinem Parteiorgan wie beispielsweise dem Zentralkomitee kontrollierbar, sondern nur durch den Parteitag, der alle drei Jahre durchgeführt wird).

von Andreas Payiatsos

Die SYRIZA-Führung schaffte es jedoch nicht, den linken Flügel von SYRIZA zu schwächen – sie hat das Gegenteil „erreicht“ und ihn fester zusammengeschweißt und gestärkt. [Der Terminus „linker Flügel“ wird gebraucht, um die Gesamtheit der linken Zusammenschlüsse zu beschreiben, die innerhalb von SYRIZA existieren: Die „Linke Plattform“ bestehend aus der „Linken Strömung“ des „Synaspismos“(SYN), der „Internationalistischen Arbeiterlinken“ (DEA), der APO usw., die ANASA, die „Kommunistische Tendenz“ wie auch „Unorganisierte“, die einen linkeren SYRIZA wollen, Anm. d. Verf.] Der Konflikt innerhalb von SYRIZA ist so also alles Andere als beendet: Im Gegenteil, er geht in eine neue Periode der Spannungen und der Polarisierung.

Hinter den organisatorischen Fragen

Dieser Parteitag wurde im Grunde einberufen, um über die organisatorischen Fragen zu entscheiden und hauptsächlich über die Abschaffung der Komponenten und die Wahl des Vorsitzenden durch den Parteitag. Er wurde nicht einberufen, um über die politische Lage, die Aufgaben, das Programm usw. von SYRIZA zu diskutieren in einer Periode, wo SYRIZA objektiv den Anspruch erhebt, die kommende Regierung zu stellen.

Das erscheint auf den ersten Blick paradox. Wie kann es sein, dass der Parteitag in einer solch wichtigen Phase, anstatt politische Fragen zu diskutieren, organisatorische diskutiert? In Wirklichkeit verbergen sich hinter den organisatorischen Fragen politische Fragen.

Die SYRIZA-Führung auf dem Weg nach rechts

Die Parteiführung unter Alexis Tsipras ist entschlossen, SYRIZA in eine „gemäßigtere“ politische Bahn zu auszurichten, d.h. ihn nach „rechts“ zu wenden.

In der ganzen vorangegangen Periode hatten wir von Seiten der Führungsgruppe ein ständiges „Abschwächen“ der Positionen – unter dem andauernden Druck, dem sie durch die herrschende Klasse und die Massenmedien ausgesetzt war.

Funktionäre des rechten Parteiflügels wie Dragasakis und Stathakis wurden nicht müde, zu betonen, dass SYRIZA nicht zu einseitigen Handlungen voranschreiten werde ( so Dragasakis) oder dass die Verstaatlichung der privatisierten öffentlichen Unternehmen eine außerordentlich schwierige Angelegenheit sei, dass die Steuerbefreiungen für die Reeder nicht abgeschafft würden (beides sagte Stathakis) usw. Diese Positionierungen lagen außerhalb der offiziellen Beschlüsse der Konferenzen und anderer Organe von SYRIZA, wurden jedoch von der Tsipras-Führung toleriert.

Das politische Bild nach außen, das Bild von Alexis Tsipras selbst, war (zumindest) vollkommen widersprüchlich. Zum Thema der Memoranden (d.h. der Sparpolitik) und der Schulden hatten wir ein ständiges Spiel mit Worten: Einmal war es „Abschaffung“, das andere Mal „Neuverhandlung“, dann „Moratorium“ und in der Folge „Aufschub“ und am Ende war es ein Witz…

Die zentrale Losung, mit der SYRIZA bei den Wahlen 2012 Erfolg erzielt hatte (von 4,6 Prozent im September 2009 auf 17 Prozent bzw. 27 Prozent im Mai und Juni 2012, Anm. d. Übers.), die Losung für eine Regierung der Linken, wurde Schritt für Schritt abgeschwächt. Sie wurde zu einer „Regierung der sozialen Rettung“, was sich übersetzen lässt in eine Zusammenarbeit mit den „Unabhängigen Griechen“ [ANEL, eine rechtskonservative, national eingefärbte Abspaltung von der konservativen Regierungspartei „Neue Demokratie“ (ND), die allerdings die Memoranden und die Troika aus EU-Kommission, Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfond (IWF) ablehnt, Anm. d. Übers.], ja sogar mit Teilen der PASOK und der ND (beide bilden derzeit die Regierung, Anm. d. Übers.). Dies geht aus öffentlichen Positionierungen vieler Funktionäre des „rechten“ Flügels hervor.

Das eine Mal versprach Tsipras den griechischen Arbeitnehmern die Wiederherstellung von Löhnen, Rechten und des Sozialstaates und im selben Moment erklärte er, dass SYRIZA Auslandsinvestitionen nach Griechenland bringen würde – Dinge, die sich gegenseitig aufheben. Ähnlich sind die Widersprüche auch beim Thema des Euro: Tsipras bestand darauf, dass Griechenland, obwohl die zukünftige Regierung von SYRIZA die Umsetzung der Politik der Troika verweigern würde, im Euro bleiben würde – wobei er sogar in öffentlichen Reden dahin gelangte, zu erklären, SYRIZA garantiere den Verbleib im Euro.

Das Wesen der Meinungsverschiedenheiten betrifft folglich die entscheidenden politischen Fragen der Zeit: Werden die Schulden gestrichen oder nicht? Werden die Banken und die Unternehmen von strategischer Bedeutung des Landes verstaatlicht oder bleibt das große Privatkapital, sei es nun einheimisch oder multinational, der Beherrscher der Wirtschaft? Ist SYRIZA bereit zu einem frontalen Konflikt mit der Eurozone?

Das Wesen der Meinungsverschiedenheiten

Diese Fragen betreffen in keinster Weise irgendeine Art ideologischer fixer Ideen. Sie betreffen die Frage, auf welche Weise wird unsere Gesellschaft ganz praktisch aus der Katastrophe herauskommen, die sie erlebt. Ganz am Ende ist die Frage, die sich stellt, folgende: Wird der öffentliche Sektor der entscheidende Hebel sein für die Entwicklung der Wirtschaft oder der private (d.h. das einheimische und ausländische Großkapital)?

Der öffentlichen Sektor muss die treibende Kraft für eine ökonomische Entwicklung sein- Das ergibt sich aus der Tatsache, dass die Funktionsweise des Privatsektors uns in die heutige Krise gebracht hat, – d.h. Die Unterordnung von Allem unter die Interessen des Großkapitals. Und um diesem großen Privatkapital Anreize zu Investitionen geben, wird die Politik der „Chinesisierung“ der griechischen Arbeitnehmer weiter umgesetzt. (Der chinesische Großkonzern COSCO hat seit ein paar Jahren einen Teil des Hafens von Piräus gepachtet und dort die griechischen Arbeitnehmer chinesischen Verhältnissen unterworfen, Festangestellte entlassen zugunsten von befristet Beschäftigten und Leiharbeitern, die Arbeiter- und Gewerkschaftsrechte abgeschafft und natürlich die Löhne gesenkt, Anm. d. Übers.)

Das Fungieren des öffentlichen Sektors als Haupthebel für die Entwicklung der Wirtschaft verläuft notwendigerweise über die Verstaatlichung der Banken und der strategischen Sektoren der Wirtschaft, der Etablierung von gesellschaftlicher und Arbeiterkontrolle und –verwaltung, um der Korruption und den Skandalen entgegenzutreten, über den Konflikt mit der Eurozone und der EU und den Schutz der Wirtschaft vor der Aggressivität des Kapitals (Kontrolle des Kapitalverkehrs und des Außenhandels) usw. Das sollte einher gehen mit der Verweigerung der Schuldenzahlung. Und das stellt die griechische Arbeiterbewegung vor die Notwendigkeit des gemeinsamen Kampfes mit den ArbeitnehmerInnen des übrigen Europa und des frontalen Konflikts mit dem Kapital und der herrschenden Klasse. Offensichtlich bringt dies Alles ein alternatives Wirtschafts- und Gesellschaftsmodell – das sozialistische (im wirklichen Sinn des Wortes) – auf den Tisch.

Dieses sind die umstrittenen Fragen, die die griechische Gesellschaft durchziehen und auch (unvermeidlich) den internen Konflikt in SYRIZA bestimmen.

Die Mehrheit in der SYRIZA-Führung um Alexis Tsipras ist nicht in der Lage, den Kampf für all das klar und öffentlich politisch zu führen. Wenn sie dies tun würde, würde sie in Gefahr geraten, sich völlig bloßzustellen – sowohl vor der Basis von SYRIZA als auch vor der Gesellschaft.

Wenn diese Führung klar ihre wirklichen politischen Positionen und Absichten sagen würde, würden sich das völlige Fehlen einer Argumentation ihrerseits und die Ausweglosigkeit ihrer Vorschläge enthüllen. Und dann würde sie Gefahr laufen, Alles zu verlieren – d.h. dass SYRIZA unter die Kontrolle des linken Flügels überginge und die heutige Führung geächtet würde.

Deshalb entscheidet sie sich dafür, den Konflikt auf der Ebene von organisatorischen Fragen zu führen, wobei sie sich als Kraft der „Einheit“ und der „Demokratie“ vorstellt in Gegenüberstellung zu ihren innerparteilichen Gegnern.

Was verbirgt sich hinter der Abschaffung der Komponenten?

So verwandelten sich die „Komponenten“ plötzlich in ein großes Problem und mussten abgeschafft werden.

Warum waren jedoch die Komponenten ein Problem? Als SYRIZA abgehoben hat von 4,6 Prozent auf 27 Prozent, war es der „SYRIZA der Komponenten“: Ein föderativer politischer Träger, ein Ergebnis der Zusammenarbeit unterschiedlicher politischer Organisationen.

Indem SYRIZA die Komponenten abschafft, schafft er die unterschiedlichen Organisationen ab und unterwirft sie alle der größten politischen Organisation – d.h. dem „Synaspismos“ (SYN). (Der SYN ist hervorgegangen aus der eurokommunistischen Kommunistischen Partei Griechenlands-Inland (KKEes), die sich 1968 von der moskauorientierten und heute wieder stramm stalinistischen KKE abgespalten hat. Seit Gründung von SYRIZA wurde der Vorsitzende des SYN immer auch SYRIZA-Vorsitzender, d.h. seit mehreren Jahren war dies immer Alexis Tsipras. Der SYN hat sich am ersten Tag vor dem Beginn des SYRIZA- Parteitags selbst aufgelöst., Anm. d. Übers.)

Tatsache ist, dass es SYRIZA vielleicht nie geschafft hätte, seine heutigen Prozentsätze zu erreichen, wenn es nicht als ein Bündnis verschiedener Komponenten geschaffen worden wäre. Es war genau diese Idee und die Praxis der breiten Zusammenarbeit vieler und unterschiedlicher politischer Organisationen, was so anziehend auf Tausende KämpferInnen der Linken – insbesondere auch auf Unorganisierte – gewirkt hat.

Die Komponenten standen in ihrer Mehrheit links vom SYN. Solange der SYN klein war, brauchte seine Führung den Radikalismus der Komponenten, um prinzipiell zu überleben und in der Folge Dynamik zu gewinnen. Als die SYN-Führung jedoch begann, sich der Regierungsmacht zu nähern, wurde dieser Radikalismus zu einem Problem für sie.

So schlug die Führung die Abschaffung der Komponenten und ihre Umwandlung in Tendenzen vor. Der Unterschied zwischen Tendenz und Komponente ist jedoch, dass letztere die Möglichkeit der unabhängigen Existenz und des öffentlichen Ausdrucks ihrer Differenzen verliert.

Das Thema der Listen

Doch die Führung ging noch einen Schritt weiter: Sie verlangte, dass nicht nur die Komponenten, sondern auch die Listen bei den innerparteilichen Wahlen zur Bestimmung der Leitungsorgane abgeschafft werden.

Dies bedeutet, dass eine Tendenz unterschiedliche alternative Ansichten zu dem der Führung vertrete darf, doch keine eigene Liste (Kandidatenliste) aufstellen darf, um für genau diese politischen Ansichten die Stimmen der Parteibasis zu gewinnen.

Das Recht der Tendenzen, für die innerparteilichen Wahlen ihre eigenen Listen aufzustellen, ist etwas absolut Gesundes! Denn es bedeutet, dass jede Kandidatenliste verpflichtend eine offen und klar politische und ideologische Grundlage hat. So wird die Parteibasis in einem demokratischen politischen Dialog auswählen können, welche politische Linie sie als die richtigere betrachtet. In der Folge werden diese Tendenzen analog, entsprechend ihrem Stimmenanteil in den Leitungsorganen repräsentiert sein müssen!

Wenn das Recht auf eine eigene Liste für die Tendenzen abgeschafft wird, wird die Basis aufgerufen sein, nicht auf der Grundlage von Ideen, sondern auf der Grundlage von Personen ihre Wahl zu treffen. Und dies lässt den Raum offen für jede Art von „Machenschaften“ und „Geschacher“ von Gruppen und Personen, die eine opportunistische Haltung einnehmen – und für die Massenmedien natürlich, die intervenieren können, indem sie die ihnen freundlich Gesonnenen fördern… Diese „Opportunisten“ haben, das sei beiläufig erwähnt, sich beeilt, direkt nach den Wahlen vom Mai und Juni vergangenen Jahres massenhaft SYRIZA zu überschwemmen…

Das Thema des Parteivorsitzenden

Es ist der Führung gelungen, die Abschaffung der Komponenten und die Wahl des Vorsitzenden durch den Parteitag durchzusetzen (das Thema der Listen ist noch nicht endgültig entschieden), indem sie dies als Stärkung der „Demokratie der Mitglieder“ und der Einheit von SYRIZA präsentierten. Wie heuchlerisch dies jedoch ist, enthüllt sich durch den Beschluss des Parteitags, dass der Vorsitzende vom Parteitag und nicht vom Zentralkomitee der Partei gewählt wird.

In der ganzen Geschichte der Linken werden die Führungspersonen (Generalsekretäre oder Vorsitzende) vom Zentralkomitee gewählt. Der Grund ist sehr einfach: Das Zentralkomitee tagt regelmäßig und kann den Vorsitzenden kontrollieren (und ihn ersetzen, wenn es zu dem Urteil kommt, dass dies notwendig ist), neue Herangehensweisen, Analysen, Programme usw. herausbilden.

Wenn der Vorsitzende vom Parteitag gewählt wird, der nach den Statuten aller Parteien das höchste Organ ist, d.h. auch über dem Zentralkomitee und den verschiedenen Konferenzen steht, dann ist das einzige Organ, das ihn kontrollieren kann, der Parteitag.

Was bedeutet das in der Praxis? Es bedeutet, dass von jetzt bis zum kommenden Parteitag, d.h. in drei Jahren etwa, Alexis Tsipras und seine eigenen Führungsstäbe die Politik von SYRIZA entscheiden werden.

Hier stellt sich eine wichtige Frage innerparteilicher Demokratie: Die Partei, d.h. die Zehntausenden von Mitgliedern von SYRIZA haben keine Art und Weise, ihren Vorsitzenden zu kontrollieren! Wir haben eine Kopie der Strukturen der bürgerlichen Parteien – PASOK und ND!

Der Kampf der Linken in SYRIZA

Die Linke von SYRIZA und insbesondere die „Linke Plattform“ hat versucht, den Kampf zu politisieren. Einerseits klagte sie die organisatorischen Machenschaften der Führung an und andererseits stellte sie eine Reihe von Änderungsanträgen zum Grundlagentext des Parteitages. Diese betrafen:

1. Die Schuldenstreichung,

2. Die Verstaatlichung der Banken, der Öffentlichen Unternehmen und Organisationen (DEKO), (soweit sie inzwischen privatisiert sind, Anm. d. Übers.) und der strategischen Sektoren der Wirtschaft,

3. Die Vorbereitung auf das mögliche Ausscheiden aus dem Euro,

4. Der Kampf für eine Regierung der Linken, keinerlei gemeinsame Regierung mit Parteien des Establishments.

Alle Vorschläge wurden per Abstimmung abgelehnt, was genau das beweist, was wir oben sagen – dass die Führung eine tatsächlich radikale Politik, eine Politik des Konflikts mit den großen Privatinteressen, mit der herrschenden Klasse und Troika/EU verweigert.

Der linke Flügel hat verloren…

Diese Vorschläge gewannen die Unterstützung von etwa einem Drittel der Delegierten. Dies stellt einen Schlag für die „Linke Plattform“ (die die diesbezüglichen Vorschläge unterbreitet hatte) dar. Denn auf der Konferenz von SYRIZA im vergangenen November hatten entsprechende Änderungsanträge in manchen Fällen 45 bis 50 Prozent erreicht.

Der relative Rückgang des positiven Echos auf diese Vorschläge ist auf zwei grundlegende Faktoren zurückzuführen. Der eine ist die gewaltige Polarisierung, die es auf diesem Parteitag gab. Die „Lager“ waren auf der Grundlage sehr „harter“ Linien getrennt. Der andere Faktor ist die ganze Art und Weise, auf die der Vorparteitagsprozess durchgeführt wurde. In SYRIZA sind (wie wir wiederholt geschrieben haben) viele Opportunisten hereingeströmt, die ihre „persönlichen Armeen“ an Wählern mitgebracht hatten und kein wirkliches Interesse an der politischen Diskussion hatten. Gleichzeitig gab es keinen das Wesentliche betreffenden Diskussiosnphase vor dem Parteitag: Wenige hatten die etwa 200 Seiten starken Texte gelesen, während im Durchschnitt nur zwei Sitzungen der Ortsorganisationen von SYRIZA stattfanden, die hauptsächlich mit organisatorischen Fragen verbraucht wurden.

…doch er hatte einen bedeutsamen Erfolg

Die Taktik der Polarisierung, die die Führungsgruppe gewählt hatte, in Kombination mit der Arroganz, die sie vor ihrem erwarteten Sieg zeigte, wirkte sich jedenfalls bei einer bedeutenden Zahl der Delegierten gegen sie aus.

So konnte die „Linke Plattform“, die auf der Konferenz vom November 2012 25 Prozent der Mitglieder des vorangegangenen Zentralkomitees gewonnen hatte, dieses Mal dreißig Prozent auf dem Parteitag gewinnen. Bei der Gesamtheit von etwa 3.400 Stimmzetteln wurde die „Linke Plattform“ von 1.023 Delegierten, d.h. von 30,15 Prozent gewählt, gegenüber 2.294 Delegierten, d.h. 67,21 Prozent, die die „Einheitsliste“ (d.h. die um Tsipras gruppierte Mehrheit, Anm. d. Übers.) wählten.

Diese Steigerung ist für sich genommen nicht sehr groß, jedoch ist es sehr wichtig, dass es sie gegeben hat. Und dies deshalb, weil die Vorstandsmehrheit mit dem Ziel angetreten war, die „Linke Plattform“ zu reduzieren, wenn nicht gar „auszulöschen“.

Wir unterstützen die Linke innerhalb von SYRIZA

Dass in diesem Moment zumindest ein Drittel von SYRIZA (bewusst und kämpferisch, würden wir sagen) links von der Vorstandsmehrheit steht, zeigt, dass das Ziel der Entwaffnung und der Niederlage des linken Flügels, das sich die Vorstandsmehrheit gesetzt hat, überhaupt nicht leicht zu erreichen sein wird.

„Xekinima“ unterstützt aktiv den linken Flügel von SYRIZA trotz Meinungsverschiedenheiten, die es auf einer Reihe von Ebenen gibt.

In vorangegangenen Artikeln von uns erklärten wir, dass die Zusammenarbeit der „Linken Plattform“ mit ANASA etwas ist, das angestrebt werden muss, da die Positionen, die sie auf dem Parteitag vorgelegt haben, nahe beieinander liegen. Dies ist nicht geschehen. ANASA hat, vor einem harten Konflikt stehend, in Wirklichkeit den Kampf nicht geführt. Sie hat sich entschieden, keine Vorschläge zur Abstimmung zu stellen und auch nicht für die Änderungsanträge der „Linken Plattform“ zu stimmen. Schließlich hat sie sich nicht auf wesentliche Weise von der „Vorstands“-Tendenz differenziert.

Die „Linke Strömung“ (die grundlegende Kraft der „Linken Plattform“) andererseits hat eine Geschichte mit ziemlichen „Problemen“. Politisch hat sie die Frage des Euro in einer Art und Weise aufgeworfen, die Illusionen darin hervorrief, dass der Wechsel der Währung für sich allein einen Ausweg aus der Krise weisen könne. Desweiteren hinkt eine Anzahl von GewerkschafterInnen der „Linken Strömung“ sehr hinter den Bedürfnissen der Bewegung zurück, während Kooperationen von Funktionären der „Linken Strömung“ mit Bürokraten der PASOK nicht selten sind.

Der Weg, den andererseits die „Internationalistische Arbeiterlinke“ (DEA) verfolgt hat, eine wichtige Komponente des R-Projekts, die an der „linken Plattform“ teilnimmt, wirft ebenfalls Fragen auf. In der Vergangenheit hatte die DEA sich kämpferisch gegen andere Bemühungen linker Oppositionen in SYRIZA gestellt, wie es die „Zweite Welle“ war, die erstmals offen die Fragen der Demokratie und der Notwendigkeit eines radikalsozialistischen Programms bei SYRIZA gestellt hatte.

All das schafft oder reproduziert sicherlich Misstrauen.

Doch der größte Fehler ist, zurück zu schauen, anstatt vorwärts. Andernfalls hält man starr fest an kleinlichen Auffassungen, „Egoismen“ und allen anderen Krankheiten der griechischen Linken.

Die Linke, sowohl in ihrer Gesamtheit, als auch innerhalb von SYRIZA, befindet sich in einem Entwicklungsprozess. Die Gärungen, die in ihren Reihen stattfinden, sind erstmalig seit Jahrzehnten. Und das ist sehr, sehr bedeutsam.

Innerhalb von SYRIZA wird in diesem Moment von den verschiedenen linken Kräften ein großer Kampf geführt, um den „rechten“ Weg der Führung zu verhindern. Innerhalb dieser Kämpfe werden Schlussfolgerungen gezogen, schreitet das Verständnis voran, stellen sich Kräfte neu auf, ergeben sich neue Bündnisse. Diese Prozesse betreffen nicht nur SYRIZA, sondern die Gesamtheit der Linken und der Gesellschaft. Entsprechend wichtige Prozesse, wenn auch auf niedrigerer Stufenleiter, entwickeln sich in ANTARSYA („Antikapitalistische Linke Kooperation für den Umsturz“, ein Bündnis von etwa einem Dutzend Organisationen der radikalen Linken. Dieses Bündnis ist unter den Aktivisten der Bewegung stark vertreten, hat jedoch bei den letzten Parlamentswahlen im Juni 2012 nur 0,3 Prozent erreicht, Anm. d. Übers.) und in der KKE, wenn auch die Einen wie die Anderen versuchen, diese Prozesse mit allen Mitteln zum Schweigen zu bringen. Dort betreffen diese Debatten in erster Linie die Frage der Zusammenarbeit mit anderen Linken.

Der linke Flügel von SYRIZA muss unterstützt und gestützt werden von der Linken außerhalb von SYRIZA in den Kämpfen, die er in der kommenden Periode führen wird – auf kritische Weise von all denen, die andere Ansichten haben, aber er muss gestützt werden. Es ist absolut notwendig, dass die „Linke von SYRIZA“ und die radikale und einheitsorientierte Linke außerhalb von SYRIZA auf der Grundlage einer Einheitsfrontlogik zusammenarbeiten.

Neue große Konflikte reifen heran

SYRIZA steht weder vor einem Prozess der Einheit, noch der Verbrüderung. Wir sehen vielmehr den beginn eines Prozesses der Sammlung der Kräfte für die kommenden Kämpfe. Diese Kämpfe werden sicher nicht mit Samthandschuhen geführt werden. Sie werden hart sein, so hart wie der Klassenkampf sein wird, der sich entwickelt und sich weiter entwickeln wird und der sich im Innern von SYRIZA widerspiegeln wird.

Der „rechte“ Flügel von SYRIZA und die Führungsgruppe um Tsipras haben ihre Wahl getroffen. Sie haben die Ärmel hochgekrempelt und auf klarste Art und Weise ihre Absichten gezeigt. Die Linke ist verpflichtet, zu antworten – politisch und angriffslustig. In einem gewissen Sinne beginnen die wirklich großen Konflikte in SYRIZA erst jetzt gerade.

Dieser Artikel erschien zuerst am 17.Juli 2013 auf der Webseite von „Xekinima“, der Schwesterorganisation der SAV in Griechenland. Übersetzung aus dem Neugriechischen von Hubert Schönthaler, Köln