Rheinmetall & Co. enteignen – gesellschaftlich sinnvolle Produktion ist möglich!

SPD-Vorsitzender Lars Klingbeil hat auf einer Konferenz der parteinahen Friedrich-Ebert-Stiftung den Anspruch formuliert, Deutschland zu einer internationalen „Führungsmacht“ werden zu lassen. In bestem orwellschen Neusprech ließ Klingbeil bei der Gelegenheit auch schon durchblicken, wie dieser Führungsanspruch durchgesetzt werden soll: „»Friedenspolitik bedeutet für mich, auch militärische Gewalt als ein legitimes Mittel der Politik zu sehen«“. Noch Fragen?

Von Fabian Weiß und Jens Meyer, Kassel

Der bundesrepublikanischen wehrtechnischen Industrie soll es recht sein. Seit Beginn des russischen Einmarsches in der Ukraine und der Ankündigung des 100-Mrd. EUR-Sonderprogrammes für die Bundeswehr hat der Rüstungskonzern Rheinmetall seinen Börsenwert verdoppelt. Die Aussicht auf lukrative Aufträge und eine sich weltweit immer schneller drehende Rüstungsspirale lässt die Fantasie der Aktionär*innen steigen.

Die Ampel-Regierung hat sich entschieden: Für den Kauf von atomwaffenfähigen F35-Kampfjets und die Weiterentwicklung des Leopard-2-Panzers – gegen den dringend benötigten Ausbau des Öffentlichen Personennahverkehrs oder Anstrengungen im Kampf gegen Armut. Bei dieser Prioritätensetzung kann einem Angst und Bange werden. Dagegen regt sich aber auch Widerstand.

Deutsche Waffen bei Despoten beliebt

Deutschland liefert nicht erst seit der Eskalation des Krieges in der Ukraine Waffen aller Art in aller Welt. Die deutsche Rüstungsindustrie und deren High-Tech Waffen haben bei Kapitalist*innen, Autokraten und Kriegstreibern einen guten Ruf. Hohe Investitionen in Forschung, Patenten und Modernisierung sichern der Rüstungsindustrie ihre Stellung in der deutschen Industrie ab. Zusätzlich kann die deutsche Rüstungsindustrie mit massivem Einfluss und der Auslagerung von Produktion in sogenannte Billiglohnländer seine Vormachtstellung auf dem Weltmarkt beibehalten. Auch wenn die Konkurrenz hart ist, schließlich lässt sich mit dem Leid und der Zerstörung viel Geld verdienen. Im internationalen Vergleich von 2020 liegt Deutschland vor Großbritannien und China, was den Anteil an weltweiten Waffenexporten angeht. Nur die anderen imperialistischen Staaten wie die USA, Russland und Frankreich schaffen es noch mehr Waffen und anderes Kriegsgerät zu verkaufen. Wurde einmal deutsches Kriegsgerät an anderen Staaten verkauft, hört der Geldsegen für die Waffenkapitalist*innen nicht auf, im Gegenteil: Neue Munition, Upgrades und teure Ersatzteile erzeugen in gewisser Weise eine Abhängigkeit, da andere Bauteile und Munition aus anderen Staaten oft nicht miteinander kompatibel sind. Und falls das noch nicht ausreicht für die deutsche Rüstungsindustrie, kommt der neue sogenannte Ringtausch zum Einsatz. Viele ost- und südeuropäische Staaten haben noch altes Kriegsgerät aus Sowjetzeiten. Dies soll nun schnellstmöglich ausgetauscht werden, damit das ukrainische Militär kompatible und bekannte Waffen erhält, um den Krieg dort in die Länge zu ziehen. Zum Ausgleich sollen dann die deutschen Rüstungsfirmen das exportierte Kriegsgerät ersetzen durch neue und teure Wehrtechnik aus Deutschland.

Rheinmetall ist bei diesen Geschäften ganz vorne mit dabei. Dabei hat der Rüstungskonzern mit seinen unzähligen Tochterfirmen schon in den letzten Jahren neue Absatzmärkte erschlossen. Immer wieder wird dem Konzern vorgeworfen, durch dubiose Geschäftspraktiken mit Tochterfirmen im Ausland (wie zum Beispiel in Südafrika) Waffen auch an andere Kriegs- und Krisengebiete zu verkaufen, dessen Abnehmer selbst der deutschen Bundesregierung offiziell zu heikel sind. Somit werden nicht nur deutsche Waffen beim Angriffskrieg in Nordsyrien vom NATO-Partner Türkei eingesetzt, sondern es landet auch Kriegsgerät in Saudi-Arabien, dessen Diktatoren ungeachtet von der sogenannten westlichen Wertegemeinschaft einen jahrelangen Krieg gegen die jemenitische Bevölkerung führt.

Erst vor zwei Wochen hat Rheinmetall seinen neuesten Panzer zum Verkauf vorgestellt: Der „Panther“. Solch einen Namen hatten Panzer aus deutscher Produktion schon mal, und zwar von 1943-1945, als die Wehrmacht mit dem ersten „Panther“-Modell ausgestattet wurde im Versuch, gegen den sowjetischen T-34 Panzer an der Ostfront anzukommen. Nun wird im neuen imperialistischen Ost-West-Konflikt in der bürgerlichen Presse genau dieses Nachfolgemodell für seine Überlegenheit gegen den neuen russischen Armata-Panzer abgefeiert.

In Kassel gibt es aber noch weitere Panzerbauer wie unter anderem Krauss-Maffei Wegmann. Unter der vorherigen Bundesregierung konnten diese mindestens 62 Leopard II Panzer an die Golfmonarchie Katar verkaufen und ausliefern. Angesichts der aktuellen Kriegsstimmung unter den Herrschenden ist auch mit den Grünen davon auszugehen, dass in Zukunft weiterhin solche Geschäfte stattfinden oder sogar unterstützt werden. Die Linke ist die einzige Partei im deutschen Bundestag, die sich für ein komplettes Verbot von Waffenexporten ausspricht.

Rüstungskonversion möglich

Die deutschen Rüstungskonzerne setzten im Jahr 2020 nach Auskunft des „Informationsdiensts des Instituts der deutschen Wirtschaft“ mit 55.000 Beschäftigten gut elf Mrd. Euro um. Dieser Wirtschaftszweig trägt damit mit 0,64 % zur hiesigen Wirtschaftsleistung bei und das bei einem Anteil von 0,16 % aller Beschäftigten. Gesamtwirtschaftlich betrachtet eine marginale Größe. Ein Verzicht auf Rüstungsproduktion wäre ökonomisch leicht verkraftbar. Eine Umstellung der Rüstungsproduktion auf zivile, gesellschaftlich nützliche Produkte ist möglich und notwendig bei gleichzeitigem Erhalt von Arbeitsplätzen, nur so lassen sich Beschäftigte und Gewerkschaften dafür gewinnen.

Man muss jedoch schon etwas in die Vergangenheit reisen, um ernsthafte innerbetriebliche Konversionsdebatten in Erinnerung zu rufen. Zurück in eine Zeit, in der auch damals schon im Rahmen der Systemkonfrontation zwischen NATO und dem stalinistischen „Warschauer Pakt“ latent die Gefahr eines ausbrechenden Atomkrieges schwelte.

Durch Auftragsrückgänge und Rationalisierungsdruck drohten 1974 beim britischen Luftfahrt- und Rüstungskonzern Lucas Aerospace Massenentlassungen. Mitglieder der Gewerkschaftsvertretung in der Firma versuchten, Protest dagegen zu organisieren. Nicht nur Weiterbeschäftigung, sondern gleichzeitig auch ein alternativer Geschäftsplan wurden eingefordert. In Verbindung mit dem damals aufkommenden ökologischen Diskurs schlug man vor, die Produktion auf „sozial nützliche Produkte“ umzustellen. Es gelang, in Workshops unter Beteiligung der Beschäftigten, aber auch wissenschaftlich Forschenden einen umfangreichen Katalog von möglichen Produkten und Marktfeldern zu erstellen. Die Ergebnisse reichten von tragbaren Dialysegeräten, über Elektro-Benzin-Hybridmotoren bis zu Vorschlägen zur Nutzung von Solarzellentechnik.

Es wurden aber auch andere Produktionsformen gefordert: Wenn nicht mehr das Kapital und der Markt darüber bestimmen, was fabriziert wird, dann ist die Kontrolle von Arbeitsabläufen und die Übernahme der des Unternehmens durch die Beschäftigten die logische Konsequenz.

Der gesamte Ansatz des Plans wurden vom Lucas Management komplett abgelehnt, wohl auch weil hier ein Eingriff in die Kompetenzen des Managements gesehen wurde. Fehlende Unterstützung durch die Gewerkschaftsbürokratie und der damals regierenden Labour-Regierung führten leider dazu, dass sich die aus heutiger Sicht bahnbrechenden Vorschläge der Beschäftigten nicht durchsetzen konnten.

Widerstand organisiert sich

Die bundesweite Struktur “Rheinmetall entwaffnen” wird vom 29.8.-4.9. ein Aktionscamp in Kassel veranstalten. In den vergangenen Jahren gab es im Sommer immer erfolgreiche Aktionen verschiedenster Art um die Kriegsproduktion zu stören. Zeitgleich mit der in diesem Jahr stattfindenden Kunstausstellung documenta soll die Aufmerksamkeit auf Workshopangebote, aber auch kreative Aktionen gerichtet werden. Geplanter Höhepunkt ist eine bundesweite Großdemo am 3. September mit dem Ziel, eine bisher kaum hörbare linke Stimme in den Diskurs um die Frage “Krieg und Frieden” zu tragen und zu betonen, dass Sicherheit nicht durch Aufrüstung geschaffen wird, sondern dafür ein Systemwechsel nötig ist.

https://de.statista.com/infografik/24412/das-sind-die-groessten-waffenhaendler-weltweit/)

https://www.google.com/search?q=rheinmetall+aktien&oq=rheinmetall+aktien&aqs=chrome..69i57.3390j0j15&sourceid=chrome&ie=UTF-8

https://www.ohne-ruestung-leben.de/nachrichten/article/liefern-rheinmetall-tochterunternehmen-bomben-und-munition-in-den-jemen-krieg-214.html

Bild: Lunabonn, CC BY-SA 3.0 https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0, via Wikimedia Commons