Krankenhaus Notruf NRW – Ultimatum für echte Entlastung

Den Beschäftigten in den Krankenhäusern in Nordrhein-Westfalen reicht es – sie haben dem Land ein Ultimatum gestellt. 700 Beschäftigte aus sechs Universitätskliniken NRWs (Aachen, Düsseldorf, Essen, Köln, Münster, Bonn) trafen sich am 19. Januar in zwei Videokonferenzen, um eine Strategie für den Kampf zu entwickeln. Ziel ist ein Tarifvertrag Entlastung. Sollte die Landesregierung nicht verhandeln, sind die Kolleg*innen streikbereit. Das Ultimatum endet am 1. Mai – kein Zufall.

Von Doreen Ullrich, Aachen 

Außer Klatschen nichts gewesen, so sieht es aus Sicht von Beschäftigten im Gesundheitswesen aus. Die Arbeitssituation war schon vor der Pandemie bescheiden, höflich ausgedrückt. Größtes Problem in allen Bereichen ist das fehlende Personal. Die Kliniken in NRW sind chronisch unterfinanziert. Die Leidtragenden sind die Patient*innen und Beschäftigten. Keine Pausen, aus der Freizeit in den Dienst geholt, Massen an Überstunden und immer das schlechte Gefühl, den Patient*innen nicht gerecht werden zu können. Das soll ein Ende haben.

Beim geforderten Tarifvertrag Entlastung geht es um drei wesentliche Punkte. Zum einen eine Mindestpersonalausstattung, also eine konkrete Festlegung, wie viel Personal auf den Stationen vorhanden sein muss. Außerdem einen Belastungsausgleich, der bei Unterbesetzung greifen soll. Immer dann, wenn es nicht ausreichend Personal auf Station gibt, soll es dafür einen Freizeitausgleich geben. Und zum Dritten soll sich die Situation für Azubis verbessern. Jede*r vierte Auszubildende verlässt den Beruf bereits vor dem Ende der Ausbildung. Aufgrund der Arbeitsbelastung erwägen 40% der Pflegebeschäftigten, den Beruf aufzugeben.

Politischer Druck

Die Arbeitgeber*innen haben 100 Tage Zeit, den Beschäftigten ein ordentliches Angebot zu unterbreiten. Sollten sie sich weigern, wollen diese den Arbeitskampf aufnehmen. Die lange Zeitspanne wurde mit Rücksicht auf die Patient*innen gewählt. Die Arbeitgeber*innen haben es in der Hand: Sie wollen diese Auseinandersetzung nicht auf dem Rücken der Patient*innen austragen? Dann ist jetzt die Zeit, ein Angebot vorzulegen. 

Der Zeitpunkt des Notrufs ist klug gewählt. Während der Pandemie wurde für die Gesamtbevölkerung deutlich, wie schlecht es um das Gesundheitswesen steht, die Solidarität von Patient*innen und Bevölkerung ist daher eher wahrscheinlich. Außerdem sind am 15. Mai Landtagswahlen. Für das Klinikpersonal ist der Aufbau von ökonomischen Druck schwieriger als in anderen Branchen und nur indirekt möglich. Streikaktionen so kurz vor der Landtagswahl könnten schnell die Öffentlichkeit bestimmen, sodass alle zur Wahl antretenden Parteien Stellung beziehen müssen. Das könnte einen Abschluss im Interesse der Kolleg*innen beschleunigen. 

Von Berlin lernen 

Tarifverträge zur Entlastung und zu besseren Arbeitsbedingungen gibt es bereits an 16 Kliniken bundesweit. Letztes Jahr haben die Berliner Beschäftigten von Charité und Vivantes nach langem Arbeitskampf einen solchen Tarifvertrag erstritten. Daran orientieren sich auch die Aktivist*innen in NRW.  Für den Erfolg des Kampfes waren die Debatte mit allen Kolleg*innen auf den Stationen und eine ständige Rückkopplung bei den Verhandlungen zentral. Der Grundsatz: Kein Abschluss ohne konkrete Beteiligung der Basis. Auch soll der Tarifvertrag so ausgestaltet sein, dass die Stationen selbst Mitsprachemöglichkeit haben, wie die konkrete Entlastung aussehen soll. Die Beschäftigten vor Ort können das am besten beurteilen. In einer Sache wollen die Kolleg*innen in NRW weiter gehen: Der Tarifvertrag soll nicht nur für die Pflegekräfte, sondern für das gesamte Personal gelten. Denn die Bedingungen von Reinigungskräften, Hausmeister*innen, Fahrer*innen etc. sind auch schwierig und an allen Ecken fehlt es an Personal. Gewollt ist auch die Einbeziehung und Solidarisierung der Bevölkerung vor Ort. So sind in allen sechs Städten sogenannte digitale Stadtversammlungen geplant, in denen die Kolleg*innen nicht nur von ihren Arbeitsbedingungen, sondern auch von ihren Streikplänen berichten wollen. Die Möglichkeit zur Teilnahme für die jeweiligen Städte findet sich hier: https://notruf-entlastungnrw.de/veranstaltungen/