e.GO Mobile: Erhalt aller Arbeitsplätze!

In der Autoindustrie wurden Produktionskapazitäten aufgebaut, die auch unabhängig von der Kritik am Verbrennungsmotor zur Krise führen mussten. Die Autodichte hat in den letzten Jahren zugenommen, aber die Kaufkraft für immer mehr immer größere Autos ist nicht vorhanden. Dazu kommt, dass mit Benzin und Diesel betriebene Motoren den Klimawandel befeuern und viele Menschen nach Alternativen suchen. Mit dem Aachener E-Auto-Bauer e.GO ist jetzt allerdings eine Firma aus der als Zukunftsbranche gehandelten Elektro-Mobilität von der Pleite bedroht.

SAV Aachen

Für die großen Autokonzerne soll der Schwenk zur Elektromobilität dazu dienen, das Fahren eines Autos weiter attraktiv zu machen. Dazu sind Milliarden-Investitionen in Forschung, Entwicklung und Produktion nötig. Diese Kosten sollen zukünftig durch den Abbau von Arbeitsplätzen refinanziert werden. Die Kämpfe darum haben längst begonnen, zum Beispiel bei VW in Zwickau, wo bisher Motoren und Getriebe für den Konzern produziert werden. Doch schon bald sollen dort nur noch elektrische Antriebe hergestellt werden, die Hälfte der rund 5000 Arbeitsplätze soll vernichtet werden.

Doppelte Krise

Die Neuorientierung auf batterieelektrische Fahrzeuge hat neue Hersteller entstehen lassen. Neben dem bekannten Beispiel Tesla ist e.GO Mobile aus Aachen der bisher einzige reine Hersteller von Elektroautos, die zugelassen sind und in Serie produziert werden. 2015 von einem Universitätsprofessor gegründet, konnte das Start Up in weniger als fünf Jahren ein Elektroauto zur Serienreife entwickeln. Seit 2019 wurden bisher rund 600 verkauft, obwohl die Nachfrage nach bezahlbaren E-Autos deutlich höher ist.

Start Ups leiden unter einem ständigen Mangel an Eigenkapital, und brauchen große Summen als Vorschuss. Wer immer dort investiert, möchte aus seinem Kapital möglichst schnell noch mehr Kapital machen. Bei e.GO Mobile war damit Anfang April erstmal Schluss. Ein neuer Investor hatte kurzfristig abgesagt, die bisherigen Aktionäre wollten kein weiteres Geld geben. Es musste Insolvenz angemeldet werden.

Neben der individuellen Finanzkrise bei e.GO kam das Zusammenbrechen der Lieferketten durch Corona dazu und verschärfte die Krise. Ende August waren rund achtzig Prozent der etwa 450 Beschäftigten in Kurzarbeit. Während des Insolvenzverfahrens sucht das Management nach neuen Investoren. Möglicherweise wird sogar eine Lösung zur Fortführung der Produktion gefunden. Doch auch die neuen Investoren sind in erster Linie auf kurzfristige Profite orientiert. Es droht die Gefahr, dass in nicht allzu ferner Zukunft die Produktion in Länder mit geringeren Lohnkosten verlagert werden könnte.

Nachhaltige Mobilität statt Profit

Wegen des drohenden Klimawandels muss es eine Abkehr von fossilen Brennstoffen geben. Elektroautos sind aber keine Alternative im Verkehrskollaps des 21. Jahrhunderts. Diesel- oder Benzinfahrzeuge eins zu eins durch Elektroautos zu ersetzen wäre keine Lösung. Neben Staus, Unfalltoten und fragwürdigen Methoden zur Gewinnung von Rohstoffen ist der Individualverkehr vor allem ineffizient. Notwendig ist ein massiver Ausbau des öffentlichen Verkehrs, also Bus und Bahn, im Idealfall zum Nulltarif.

In ihrer kapitalistischen Verfasstheit wird die E-Mobilität nicht zu einer „Zukunftstechnologie“, sondern führt in die nächste Sackgasse. Aber das Potenzial an Forschung, Entwicklung, an Anlagen und qualifizierten Beschäftigten kann auch auf eine andere Weise genutzt werden.

Die notwendige Verkehrswende wird nicht erreicht, indem zehn- oder hunderttausende qualifizierter Arbeiter*innen, Techniker*innen und Ingenieur*innen in die Arbeitslosigkeit entlassen werden. Jede Hand und jeder Kopf wird für den ökologischen Umbau gebraucht, sowohl bei e.GO als auch in den Fabriken der großen Autohersteller.

Die IG Metall sollte eine Strategie für die gesamte Branche entwickeln. Es darf keine Spaltung in „alte“ gegen „neue“ Technologie geben. Dazu gehört auch, für die Umstellung der Produktion einzutreten. Es wäre absurd, wenn die IG Metall hilft, den Verbrennungsmotor zu verteidigen und dafür einen Betrieb mit Potenzial wie e.GO vernachlässigt. Dabei würden mittelfristig alle Beschäftigten in der Autoindustrie verlieren.

Öffentliches Eigentum

Im Insolvenzverfahren hat der Betriebsrat bei e.GO ein Schreiben an die Bundes- und Landespolitik gerichtet, in dem er für den Erhalt aller Arbeitsplätze eintritt und staatliches Geld für den Beitrag des Unternehmens zu nachhaltiger Mobilität einfordert. Der Betriebsrat weist zu Recht darauf hin, dass es Kontrolle benötigt, was mit öffentlichen Geldern passiert.

Die Milliarden-Hilfen der Bundesregierung gingen an die großen Player, kleinere Betriebe haben wenig erhalten. Es bleibt abzuwarten, ob die Politik bereit ist, Arbeitsplätze bei einem Newcomer wie e.GO zu retten, oder sie lieber zu Gunsten der großen Autokonzerne sterben lässt.

Aber auch Staatshilfen würden e.GO nicht absichern, wenn die Kapitalbesitzer*innen weiterhin die Entscheidungen fällen. Ebenso wie bei einem privaten Investor bestünde die Gefahr, dass Gelder mitgenommen und die Arbeitsplätze zu einem späteren Zeitpunkt abgebaut oder verlagert würden.

Das beste Mittel, Arbeitsplätze und Produktionsanlagen zu sichern wäre ein direkter Einstieg des Staates in Form der Überführung von e.GO in öffentliches Eigentum. Zusammen mit der Vergesellschaftung von weiteren Mobilitätsbetrieben könnte der Staat steuernd eingreifen, gleichzeitig qualifizierte Jobs und die Produktion erhalten. Die demokratische Kontrolle der Belegschaft, zusammen mit Wissenschaftler*innen, Umweltschützer*innen sowie gewerkschaftlichen und staatlichen Vertreter*innen hätte zusammen mit dem technischen Know How der Kolleg*innen ein enormes Potenzial, um nicht einfach mehr Autos herzustellen, sondern die Verkehrswende von der Produktion her möglich zu machen.

Link zum Flyer:

https://sozialismus.info/wp-content/uploads/2020/09/flyer-aachen-2.pdf