Chinas Weg aus der Pandemie – ein Vorbild?

China scheint die Corona Pandemie in den Griff bekommen zu haben. Nach 76 Tagen wurde die Quarantäne in der Krisenregion Wuhan aufgehoben. Die sogenannte kommunistische Partei um Xi Jingpin feierte dabei sich selbst und angeblich auch den Sieg über das Virus.

von Doreen Ullrich, Aachen

Xis Regierung ging mit drakonischen Mitteln vor: Abriegelung von Millionen Menschen, modernster Überwachung, dem Bau von extra Krankenhäusern und vielen Ärzten und Pfleger*innen, die in die Krisenregionen geschickt wurden.

Doch zur Wahrheit gehört auch, dass das Regime Covid19 anfänglich nicht ernst nahm und alles daran setzte die Lage zu vertuschen. Als einer der ersten warnte der Arzt Li Wenliang bereits im Dezember vor einem neuen „SARS-ähnlichen Virus“. Das chinesische Regime verhaftete ihn und behauptete, er würde Lügen in die Welt setzen. Im Februar verstarb Li an Covid19. Die Leiterin der Notaufnahme im Zentralhospital in Wuhan, Ai Fen, wird seit dem 1. April vermisst. Sie wurde vermutlich vom Staatsapparat verschleppt, nachdem sie öffentlich vor dem Virus warnte und mit ausländischen Medien sprach. Noch Mitte Januar wurde in Wuhan ein Massenevent mit 40.000 Familien durchgeführt, um einen Eintrag in das Guinness-Buch der Weltrekorde zu sichern, virologisch eine Katastrophe.

Als es dann deutlich zu spät war, wurden drakonische Maßnahmen und neueste Technologien zusammengeführt. Der Internetriese Alibaba hat nach chinesischen Angaben einen Algorithmus entwickelt, der es möglich macht, durch die Analyse von CT-Scans der Lunge Covid19 in nur zwanzig Sekunden zu diagnostizieren.

Harter Lockdown

Mehrere Millionenmetropolen, unter anderem die Ausbruchsregion Wuhan, wurden mit Quarantänemaßnahmen belegt. Erst blieben diese etwas unklar, es gab kaum konkrete Aussagen der Behörden, ab dem Februar aber wurden sie heftig. Auf dem Höhepunkt war etwa die Hälfte der Bevölkerung – 760 Millionen Menschen – in irgendeiner Form von Lockdown. Es wurden Tore und Türen von Wohnhäusern zugenagelt oder sogar zugeschweißt. Straßen wurden durch Gräben unpassierbar gemacht.

Besonders schlimm war dies für die Millionen Wanderarbeiter*innen, die oft ohne offizielle Meldung in den Metropolen leben. Sie hatten kein Einkommen mehr, oft keine Bleibe und konnten nicht mehr in ihre Dörfer zurück.

Alle Bürger*innen mussten ihre Gesundheitsdaten in eine App eingeben. Je nach Eingaben und zusammen mit ihrem Bewegungsprofil wurden Codes in drei Farben generiert: Rot, orange und grün. Nur mit einem grünen Code durfte man in U-Bahnen oder Bussen einsteigen oder überhaupt das Haus verlassen. Überall wurden Kontrollpunkte eingerichtet, ohne Code grün gab es keinen Durchlass. Das Regime rief auf Nachbarn, Freunde und Kolleg*innen zu denunzieren, wenn sie sich nicht entsprechend ihrer Codes benehmen. Wer sich nicht fügte, wurde von der Polizei verprügelt oder mit anderen in Quarantänezentren gesteckt.

Im Laufe der Quarantäne wurde die Situation für viele Bewohner*innen zusätzlich schwer, weil Lebensmittel und Dinge des täglichen Bedarfs sich enorm verteuerten. Während anfangs noch Onlinedienste Lebensmittel liefern konnten, wurden bald staatliche Carepakete verkauft – die Lebensmittel oft in minderer Qualität und enorm überteuert.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) lobte China lange als Vorbild im Kampf gegen das Virus und es mag manche Regierung in anderen Industriestaaten geben, die neidisch auf die „Volksrepublik“ schauen, was alles an Überwachung möglich ist.

Doch die Vertuschungsversuche zu Beginn des Ausbruchs haben enorm viel Zeit gekostet. Die drakonischen Maßnahmen haben zu einem enormen Vertrauensverlust in der Bevölkerung geführt. Außerdem beweisen andere Staaten in der Region, dass es deutlich besser geht, zum Beispiel Taiwan und Südkorea.

Sie alle hatten etwas, das in Europa und den USA fehlt: Die Erfahrung mit der SARS-Epidemie 2003. Die Bevölkerung hatte das Trauma noch gut in Erinnerung und wollte keine Wiederholung. Das Tragen von Mundschutz, Abstandsregeln, Fiebermessungen in der Öffentlichkeit und massenhafte Test waren daher schnell umgesetzt. Das Gesundheitswesen in der Region war deutlich besser auf solche Pandemien vorbereitet.

Die Erfahrung mit SARS fehlen in Europa und den USA. Zusammen mit kaputtgesparten Gesundheitswesen, neoliberaler Logik, westlicher Arroganz und Orientierung auf Profitmacherei war das Desaster quasi vorprogrammiert.

Der Handelskrieg spitzt sich zu

Bereits seit 2018 herrscht zwischen den USA und China ein Handelskrieg. Den USA war das Handelsbilanzdefizit mit China zu groß geworden. Trump erhebt Zölle auf chinesische Produkte, vor allem, um den Druck auf China zu erhöhen, mit Ansprüchen auf Nutzungsrechte für ausländisches Firmenwissen Schluss zu machen. China antwortete seinerseits mit Zollvorschriften. Der Ton wurde deutlich rauer, die USA verboten ihren Unternehmen die Zusammenarbeit mit dem Technologieriesen ZTE. Letztlich ist es ein Kräftemessen um den Platz 1 in der Welt. Mitte Januar sah es nach Entspannung aus, ein Teilabkommen wurde unterschrieben.

Doch Corona wirkt wie ein Brandbeschleuniger. Anfangs lobte Trump den Umgang Chinas mit Corona – bis das Virus auch in den USA ankam. Um vom Versagen im eigenen Land abzulenken zeigt Trump nun auf China als Land, in dem das Virus ausbrach und nährt die Verschwörungstheorie vom Ausbruch des Virus aus einem chinesischen Labor. China wiederum nutzt jedes Versagen der Trump Regierung im Kampf gegen Corona um Überlegenheit zu demonstrieren. Das Regime zeigt sich international großzügig. Es schickt Ärzte nach Italien und Schutzmasken in die USA.

Trump dagegen versucht, Forschungsergebnisse aufzukaufen und für die USA zu patentieren oder fängt Schutzmasken an Flughäfen ab. Gleichzeitig wütet das Virus in den USA noch massiv, das Gesundheitswesen ist überlastet, 26 Millionen Menschen wurden arbeitslos und die Wirtschaft bricht massiv ein. 

China scheint das Virus erst einmal eingedämmt zu haben, das Regime feiert das Quarantäne-Ende in Wuhan und fährt die Produktion wieder voll hoch. Das setzt die Konzerne in den USA unter Druck. Sie müssen mithalten oder verlieren Märkte an ihren wichtigsten Konkurrenten.

Ist das das Ende der Weltmacht USA? Es sieht zumindest nicht günstig für sie aus. China ist eine Nasenlänge voraus. Nach Corona wird die Welt eine andere sein – soviel ist sicher. Wird China die neue Weltmacht Nummer 1? Das bleibt noch offen. Klar ist nur eins: Egal wer das Rennen macht – die Zeche zahlen immer die Arbeiter*innen, egal wo sie wohnen.

Bild: Pau Colominas / CC BY-SA (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0)