Linke Offensive statt Kokettieren mit der CDU

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Bodo Ramelow wurde in vielen Medien wegen seines Vorschlages gelobt, seine Vorgängerin im Amt, Christine Lieberknecht von der CDU, zur Ministerpräsidentin zu wählen. Selbst manche Mitglieder der LINKEN sahen darin einen geschickten taktischen Zug oder gar politische Größe. Doch mit diesem Vorgehen schwächen Ramelow und die Führung der Thüringer LINKEN die Möglichkeiten für linke Politik.

von Claus Ludwig, Köln

Möglicherweise fanden auch viele Wähler*innen den Schachzug von Bodo Ramelow gut und freuen sich, dass ein Politiker mal nicht am Amt klebt. Doch diese spontanen Sympathien werden verfliegen.

Mit ihrem Manöver, gemeinsam mit der AfD den FDP-Kandidaten Kemmerich zum Ministerpräsidenten zu wählen, hatten sich Liberale und Union für viele entlarvt. In Umfragen verlor die CDU mehrere Prozentpunkte, die FDP käme nicht ins Parlament, die LINKE legte von 31 auf 40 Prozent zu. Würde die LINKE eine*n CDU-Kandidat*in mittragen, würde sie damit einer diskreditierten Partei neue Glaubwürdigkeit verschaffen, ausgerechnet in einem Bundesland, in dem der rechte Parteiflügel dominiert.

Ramelow hatte vorgeschlagen, Lieberknecht für drei Monate zu wählen und ihr zwei Minister*innen zur Seite zu stellen, um Neuwahlen vorzubereiten. Die CDU wies Ramelows Angebot zurück und forderte eine längere Übergangsregierung unter eigener Führung mit einer vollständigen Riege von Minister*innen. Damit hat Ramelow die Diskussion über eine “Expertenregierung” befeuert. Die angeschlagenen bürgerlichen Parteien können diese als Deckung benutzen.

Einige LINKE-Mitglieder argumentieren, es gäbe technisch keine andere Möglichkeit, Neuwahlen abzuhalten, weil sich die CDU dagegen sperre. Das ist eine unpolitische Sicht. Wenn das Vakuum in Erfurt bestehen bleibt, die LINKE Neuwahlen verlangt und viele dies auch so sehen, könnte sich die CDU nicht monatelang dagegen stemmen, ohne noch weiter abzustürzen.

Für die CDU steht der Feind links

Egal, wie sehr sich die LINKE anpasst, sie wird dafür nicht belohnt. Für die CDU und weite Teile des Staatsapparates und der Medien steht der Feind links. Als Mitte Februar eine terroristische Verschwörung von Nazis aufgedeckt wurde, hatten FAZ und WELT nichts Besseres zu tun, als große Reportagen über die angebliche Gefahr des “Linksradikalismus” inner- und außerhalb der LINKEN zu veröffentlichen.

Heute existiert weder eine faschistische Massenbewegung noch ist die Machtübergabe an die Nazis in den nächsten Jahren eine Option für die herrschende Klasse. Und doch gibt es Parallelen zur Weimarer Republik. Die etablierten bürgerlichen Parteien, allen voran CDU und FDP, sind perspektivisch bereit, mit den Rechtspopulist*innen zusammenzuarbeiten, wenn es dem Machterhalt und der Stabilisierung von Profiten und System dient. In der Union wird sich noch darüber gestritten, unter welchen Umständen diese Zusammenarbeit nötig und möglich ist. Doch die Erfahrungen in Österreich, Italien oder Norwegen zeigen, dass es keine unüberwindbare Mauer zwischen Konservativen und Rechtsextremen gibt. Am Ende eint sie die Verteidigung des Kapitalismus und ihr Hass auf die Arbeiter*innenbewegung und die Linke, selbst auf gemäßigte Linke wie Bodo Ramelow.

Ernsthaft staatstragend

Ramelow sieht seinen Move mit Lieberknecht nicht nur als Taktik. Er meint es ernst. Er möchte die Zusammenarbeit mit allen Kräften diesseits der AfD. Er glaubt an die “Gemeinsamkeit der Demokraten”. Er ist überzeugt, dass die Linke die bürgerlichen Institutionen wie Parlament und Regierung vor jeder Beschädigung schützen müsse, um das Vertrauen in “die Demokratie” aufrecht zu erhalten. Er möchte kein anderes wirtschaftliches System, sondern lediglich “das Meer der kapitalistischen Bitternis” durch “das flaschenweise Hinzufügen sozialreformischer Limonade” versüßen (Rosa Luxemburg in “Sozialreform und Revolution”).

Bodo Ramelow ist als Ministerpräsident beliebt. Er wirkt glaubwürdig und verbindlich. Das relativ gute Wahlergebnis der LINKEN bei der Landtagswahl beruht zu einem Teil darauf, dass bei den Landtagswahlen 2019 jeweils die Partei gewann, die als stärkste Kraft gegen die AfD gesehen wurde.

Der Erfolg der Thüringer LINKEN beruht eben nicht darauf, dass sie eine grundsätzlich andere Politik im Interesse der arbeitenden Menschen gemacht hätte. Sie unterschied sich nicht grundlegend von Landesregierungen in anderen Bundesländern. Sie akzeptierte wie diese die Schuldenbremse und andere neoliberale Rahmenbedingungen, ließ Geflüchtete abschieben. Die Forderung, den Verfassungsschutz im NSU-Stammland aufzulösen, wurde bald nicht mehr erhoben geschweige denn umgesetzt.

Wenn sich eine linke Partei nicht von SPD und Grünen unterscheidet, mit ihnen geräuschlos regiert und sich dabei die Lebens- und Arbeitsbedingungen der abhängig Beschäftigten und Erwerbslosen nicht grundlegend ändern, trägt das dazu bei, die AfD zu stärken. Gegen Rechts hilft nur Links. Ein Kurswechsel der LINKEN in Thüringen weg von der Akzeptanz der bürgerlichen Sachzwanglogik ist deshalb dringend nötig.

Kemmerichs Parlamentsputsch hat, so bitter es war, der LINKEN eine unverhoffte Möglichkeit eröffnet. CDU und FDP stehen belämmert da. SPD und Grüne sind weiterhin schwach. Die LINKE geht in den Umfragen steil. Das wäre die Gelegenheit, auch politisch-inhaltlich in die Offensive gehen. Die Partei müsste sich auf Neuwahlen vorbereiten, mit einem klaren sozialistischen Programm.

LINKE in die Offensive

Die LINKE sollte eine Strategie zur Veränderung Thüringens entwickeln und dafür auf der Straße, in Betrieben, Unis und Schulen mobilisieren. Zu den Eckpunkten sollten gehören:  1. Nichtumsetzung der Schuldenbremse, 2. Bekämpfung der Niedriglöhne, Einführung eines landesweiten Mindestlohns von 13 Euro, 3. Stopp aller Abschiebungen, 4. Mietendeckel, Mietsenkung und Enteignung der Immobilienkonzerne, 5. Einführung eines Landesgesetzes zur bedarfsgerechten Personalbemessungen in den Krankenhäusern und Rekommunalisierung von Kliniken, 6. Ausbau des öffentlichen Verkehrs und Einführung des Nulltarifs im Nahbereich, 7. Einführung eines bedarfsgerechten Haushalts, 8. Rückabwicklung von Privatisierungen, 9. Auflösung des Verfassungsschutzes, 10. Vergesellschaftung der großen Betriebe und demokratisch kontrollierte Umstellung auf ökologisch sinnvolle Produktion bei voller Lohn- und Arbeitsplatzgarantie.

Diese und andere Maßnahmen wären ein Regierungsprogramm, mit dem sich DIE LINKE von allen anderen Parteien abhebt und auch die beste Maßnahme, um das Anti-Establishment-Gehabe der AfD zu konterkarieren. Den Rechtspopulismus bekämpft man nicht zusammen mit den etablierten Parteien, die den Status quo und damit die ungerechten sozialen Verhältnisse und die Macht der Reichen zementieren. Den bekämpft die Linke nur effektiv, wenn sie eine eigene, sozialistische Alternative entwickelt. Auch bei der Rückgewinnung eines – kleinen – Teils der AfD-Wähler*innen wäre ein solche Politik hilfreicher als die Kungelei mit den Establishment-Parteien.

Mit einem überzeugenden Wahlergebnis könnte eine LINKE-Minderheits- oder Alleinregierung einen klaren Gegenpol gegen die bürgerliche Politik bilden und die Linke bundesweit gut positionieren. Angesichts der üblen Machenschaften von CDU und FDP geht zuweilen unter, dass auch SPD und Grüne ein Hindernis für linke Politik sind und ihre Regierungsbeteiligung dazu führt, dass alle entschiedenen Maßnahmen im Interesse der arbeitenden Menschen blockiert werden. Es sollte nicht vergessen werden, dass der rot-grüne Sozialabbau unter Schröder inklusive der Hartz-Gesetze den Rechten den Boden bereitet hat, zusammen mit der staatlichen Diskriminierung von Migrant*innen, die auch die SPD in der Regierung betreibt.

CDU und FDP werden Ramelows Vorstoß nutzen, um ihre Landtagsmandate zu retten und versuchen, sich an die Macht zu schleichen, unter der Maske einer “Expertenregierung” oder einer “breit getragenen” Regierung. SPD und Grüne spielen mit. Bodo Ramelow hat mit seinem Vorstoß Verwirrung gestiftet, leider nicht in den Reihen der CDU, sondern in den eigenen. Noch ist es jedoch nicht zu spät. Thüringen braucht eine kämpferische, radikale LINKE, um den Trend nach rechts abzubremsen und in die Offensive zu kommen.

Claus Ludwig ist Redakteur von sozialismus.info und Mitglied im Landessprecher*innen-Rat der Antikapitalistischen Linken (AKL) NRW.

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